Krisp | Little Miss Ivy - Ein Diamant auf Abwegen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten

Reihe: Die Little Miss Ivy-Reihe

Krisp Little Miss Ivy - Ein Diamant auf Abwegen


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-15690-9
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten

Reihe: Die Little Miss Ivy-Reihe

ISBN: 978-3-641-15690-9
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach ihrem wahrhaft erschütternden Abschied von Schloss Butterfield Park, bei dem kein Auge trocken blieb, lebt die 12-jährige Zofe Ivy Pocket als Pflegetochter und Mädchen für alles im Haus des Ehepaars Snagsby. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hat Ivy nun so etwas wie ein Zuhause. Doch bald stellt sich heraus, dass die Snagsbys keineswegs so vertrauenswürdig sind, wie es den Anschein hat. Sie missbrauchen Ivy und den magischen Diamanten für ihre finsteren Pläne. Ehe sie sich's versieht, steckt Ivy mitten im Strudel neuer atemberaubender Abenteuer. Wird es ihr diesmal gelingen, den Fluch des Uhrendiamanten zu brechen?

Caleb Krisp ist ein Pseudonym. Viel ist über den Autor nicht bekannt. Angeblich wurde er von Bibliothekaren großgezogen, die ihn mit Geschichten aus dem 19. Jahrhundert und zimmerwarmem Porridge fütterten. Nach dem Studium nahm er sich vor, ein gefeierter Dichter zu werden. Jahre der Entbehrungen folgten, bis er in eine verlassene Hütte tief im Wald zog, um die Abenteuer eines zwölfjährigen Dienstmädchens von äußerst geringer Wichtigkeit niederzuschreiben.
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Kapitel 1

»Was hast du uns diesmal mitgebracht, Ivy?«

Ich klopfte auf die Tasche meines Kleids. »Blüten im Wind. Es ist fürchterlich berührend und handelt davon, dass man tot umfällt und in einer warmen Brise davonschwebt.«

Ezra Snagsbys Hängebacken schwabbelten ganz prächtig, als er mir zunickte. »Sehr gut.« Er sah mich unter dem Dickicht seiner buschigen Augenbrauen hervor besorgt an. »Du liest es genauso vor, wie es dort steht, nicht wahr, Ivy?«

»Ja, mein Lieber. Jedes einzelne langweilige Wort.«

Er nickte erneut, aber diesmal galt sein Nicken Mutter Snagsby, die schrecklich würdevoll war. Selbst wenn die Kutsche über ein Schlagloch fuhr und wir wie Lumpenpuppen hin und her geschüttelt wurden, blieb Mutter Snagsby stocksteif sitzen.

»Blüten im Wind habe ich Miss Carnage zu verdanken«, sagte ich und strich mein allerbestes königsblaues Kleid (mit der weißen Schärpe) glatt. »Seit Mr Abercrombie verschwunden ist, führt sie die Bibliothek. Der gute Mann wurde zuletzt irgendwo zwischen den griechischen Sagen und französischen Romanen gesichtet. Alles höchst geheimnisvoll. Miss Carnage ist erst seit ein paar Wochen in der Bibliothek, aber sie hat mich bereits fürchterlich ins Herz geschlossen.«

»Das ist ja sehr interessant, Ivy«, seufzte Ezra und lehnte den Kopf gegen die Kutschenwand. Kaum waren seine Lider zugefallen, fing der alte Mann auch schon zu schnarchen an. »Schneller, Kutscher«, bellte Mutter Snagsby und stieß mit der Spitze ihres Schirms gegen das Kutschendach. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

Als ich vor drei Monaten von Miss Frost nach London zu den Snagsbys geschickt worden war, hatte ich keinerlei Erfahrung gehabt, wie es ist, eine Tochter zu sein. An meine leibliche Mutter kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass sie tot ist. Miss Frost hat mich einst mehr oder weniger zufällig in einem grässlichen Haus gefunden, auf dem Schoß meiner leblosen Mutter liegend. Schnell hat sich herausgestellt, dass ich als Tochter ein echtes Naturtalent bin.

»Du hast eine Peitsche, Mann, also benutze sie auch«, plärrte Mutter Snagsby und streckte den Kopf zum Fenster hinaus. »Oder muss ich erst auf den Kutschbock klettern und die Zügel selbst in die Hand nehmen?«

Die Snagsbys waren ein entzückendes Paar. Steinalt. Köpfe wie leicht ramponierte Melonen. Zueinanderpassende Buckel. Aber wunderbar liebevoll. Unbeschreiblich kuschelig. Ihre Tochter Gretel war auf einem Mädcheninternat in Paris, sodass ich in den Genuss ihrer ganzen Liebe kam. Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass ich ihr Augapfel war. Die Sonne, die ihre Tage erhellte.

»Schiel nicht so, junge Dame«, blaffte Mutter Snagsby und bedachte mich warmherzig mit einem finsteren Blick. »Sonst hält man dich noch für eine Taschendiebin.«

Mutter Snagsby überhäufte mich großzügig mit solchen kleinen Häppchen mütterlicher Ratschläge und Liebesbezeugungen. Stets wies sie mich darauf hin, was ich besser machen konnte, damit ich nicht mehr ganz so abscheulich war. Das war wirklich herzallerliebst von ihr.

»Sitz gerade«, befahl sie mir. »Wenn ein Mädchen nicht mit ansehnlichen Zügen oder hübschen Haaren gesegnet ist, muss es mit anderen Fertigkeiten zu überzeugen wissen – mit einer guten Haltung, gewählter Sprache und makellosen Manieren.«

»Und du, liebe Mutter, weißt sie sehr wirkungsvoll einzusetzen«, sagte ich und unterstrich meine Worte mit einem verständnisvollen Lächeln. »Deine großzügige Anwendung von Puder wirkt wahre Wunder. Erstaunlich, wie wenig es braucht, um eine solche Verbesserung zu erzielen.«

Mutter Snagsby schüttelte den Kopf, als wäre ich der größte Einfaltspinsel. »Was hat Miss Frost sich nur dabei gedacht, dich vor unserer Türschwelle abzusetzen?«

»Miss Frost ist wunderbar«, schwärmte ich. »Sie schien genau zu wissen, wie gut wir zueinanderpassen.«

Mutter Snagsby schüttelte erneut den Kopf. Zweifellos versuchte sie die Freudentränen zu unterdrücken, die jeden Augenblick aus ihren Knopfaugen hervorzutreten und uns alle zu überschwemmen drohten. Die Snagsbys kamen so gut wie nie auf Miss Frost zu sprechen. Sie kannten sie nur flüchtig und hielten sie für eine reisende Gouvernante. Und trotzdem war Miss Frost zu Ohren gekommen, dass die beiden auf der Suche nach einer Tochter waren. Sie fragten mich nie, woher ich Miss Frost kannte oder wieso ich in Butterfield Park gewesen war. Genau genommen zeigten die Snagsbys nicht das geringste Interesse an meinem früheren Leben.

»Richte deinen Zopf«, sagte Mutter Snagsby. »Deine Haare sehen aus, als wärst du in einen Sturm geraten.«

»Was ja auch stimmt«, erwiderte ich und zupfte mein Haar zurecht. »Als ich heute Morgen die Milch geholt, Brot gekauft, den Speck für euer Frühstück besorgt und deine Schuhe zum Reparieren gebracht habe, blies ein grässlicher Wind. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Obstverkäufer durch die Luft flog und gegen eine vorbeikommende Kutsche geschleudert wurde. Der arme Mann zerbrach in drei Teile. Zutiefst tragisch.«

»Humbug«, knurrte Mutter Snagsby.

»Er würde das sicher anders sehen, meine Liebe«, widersprach ich ernst. »Denk doch nur an seine Frau und seine elf Kinder.«

Die Snagsbys ahnten natürlich nichts vom Uhrendiamanten. Ich war in fürchterlicher Versuchung, ihnen von dem Geheimnis zu erzählen, das ebenso entzückend wie entsetzlich war, aber ich hatte Miss Frost mein Wort gegeben. Außerdem waren die Snagsbys einfache Leute. Weltfremd. So feinsinnig wie Rührei. Es würde sie nur verängstigen, wenn sie wüssten, dass ich eine unschätzbar wertvolle und lebensgefährliche Halskette trug.

»Wir machen keine Spazierfahrt durch den Park«, knurrte die alte Ziege. »Also hopp, hopp!«

Wir waren tatsächlich etwas in Eile. Und daran war ganz allein der Tod schuld. Mein bestes blaues Kleid. Das Gedicht in meiner Tasche. Das Maßband, das um Ezras knochigen Hals baumelte. Die Snagsbys verdienten ihren Lebensunterhalt damit, Särge herzustellen. Snagsbys preisgünstige Bestattungen war ein florierendes Geschäft, das die Kunden mit großzügigen Rabatten für maßgefertigte Särge lockte.

»Der Aufbahrungssaal war heute Morgen in einem fürchterlichen Zustand«, sagte Mutter Snagsby und schenkte mir einen Blick voll mütterlicher Zuneigung. »Wenn unser Auftrag erledigt ist, wirst du ihn putzen, bis alles blitzt und blinkt. Verstehst du mich, junges Fräulein?«

»Das ist schwer zu sagen, meine Liebe«, erwiderte ich. »Du hast die Angewohnheit, zu nuscheln – es ist einfacher, mir vorzustellen, was du gesagt haben könntest, und dementsprechend zu handeln.«

Bevor Mutter Snagsby in helle Begeisterung ausbrechen konnte, kam die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen. Der klapperdürre Ezra wurde vornübergeschleudert und landete direkt vor meinen Füßen. Der arme Kerl schreckte aus seinem Schlaf hoch und stöhnte schmerzerfüllt. Dann griff er sich an den Rücken und richtete sich langsam auf.

»Beweg dich, Ezra, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, fauchte ihn seine Frau an und spähte hinaus auf eine trostlose Häuserreihe.

»Wenn du Rückenschmerzen hast, kann ich dir ein ausgezeichnetes Heilmittel empfehlen«, sagte ich, während die Kutschentür bereits aufschwang. »Dazu braucht es nur eine Tasse Schmalz, ein Garnknäuel, drei Karotten und eine Feldmaus.«

Ezra gluckste laut, was schrecklich unangebracht war. Mutter Snagsby verdrehte die Augen und stieß ihren Ehemann zur Kutsche hinaus. Dann richtete sie ihren Blick auf mich.

»Das ist ein Haus des Todes«, sagte sie streng. »Du weißt genau, welches Benehmen ich von dir erwarte. Halte dich im Hintergrund, bis du gebraucht wirst, und wenn es so weit ist, dann mach, was man von dir verlangt. Verstanden?«

Ich nickte.

Mutter Snagsby stieg aus der Kutsche und ich folgte ihr.

»Dem Himmel sei Dank, dass Sie gekommen sind!«

Mrs Blackhorn war eine atemberaubende Gestalt: dicker Bauch, teigige Wangen und schlimmer Mundgeruch. Aber am beeindruckendsten war das, was auf ihrem Kopf saß. Eine prächtige Krone aus goldenen Ringellocken, die immer wieder über ihre Brauen rutschte. Mrs Blackhorn war andauernd damit beschäftigt, sie hochzuschieben, während sie am Krankenbett ihres Ehemanns einen großen Wirbel veranstaltete.

»Ich zähle schon die Minuten!«, kreischte sie und umklammerte dabei ihr staubtrockenes Taschentuch. Energisch scheuchte sie uns in die verdunkelte Schlafkammer. »Der arme Mr Blackhorn wird nicht mehr lange auf dieser Welt weilen, der Arzt sagt, sein Herz macht langsam schlapp. Ich habe ihn Tag und Nacht umsorgt – nicht umsonst nennt er mich einen Engel.«

»Teufelin würde es eher treffen!«, bellte der sterbende Mann, der ein aschfahles Gesicht hatte, und hob seinen Kopf aus dem Kissen. »Ich muss in diesem schmuddeligen, flohverseuchten Bett sterben, während du mein Geld für elegante Seidenbänder und törichte Lockenfrisuren ausgibst.«

Ezra nahm sein Maßband und widmete sich der grässlichen Aufgabe, Mr Blackhorns Maße zu nehmen.

»Still, mein Lieber«, sagte Mrs Blackhorn und bedeckte den Kopf ihres Gatten mit einem feuchten Tuch. »Das Fieber spricht aus ihm. Ich werde ihn lieben bis zum Ende aller Zeiten, wie es sich gehört, aber wenn er erst einmal von uns gegangen ist, halte ich es nur für recht und billig, mir die eine oder andere Wohltat zu gönnen. Zum Beispiel meine entzückenden Haare frisieren zu lassen und so weiter.« Sie tätschelte ihre Locken, als...


Koob-Pawis, Petra
Petra Koob-Pawis studierte in Würzburg und Manchester Anglistik und Germanistik, arbeitete anschließend an der Universität und ist seit 1987 als Übersetzerin tätig. Sie wohnt in der Nähe von München, und wenn sie gerade nicht übersetzt, lebt sie wild und gefährlich, indem sie Museen durchstreift, Vögel beobachtet und ihren einäugigen Kater daran zu hindern versucht, sämtliche Möbel zu ruinieren.

Krisp, Caleb
Caleb Krisp ist ein Pseudonym. Viel ist über den Autor nicht bekannt. Angeblich wurde er von Bibliothekaren großgezogen, die ihn mit Geschichten aus dem 19. Jahrhundert und zimmerwarmem Porridge fütterten. Nach dem Studium nahm er sich vor, ein gefeierter Dichter zu werden. Jahre der Entbehrungen folgten, bis er in eine verlassene Hütte tief im Wald zog, um die Abenteuer eines zwölfjährigen Dienstmädchens von äußerst geringer Wichtigkeit niederzuschreiben.



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