Krüger / Münch Der Festungskurier



Im Spätherbst finden seit dem Jahr 2000 regelmäßig Tage der Landesgeschichte in der Festung Dömitz statt, bei denen Historikerinnen und Historiker der Universität Rostock und der Regionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern über relevante Themen der Landesgeschichte referieren und diskutieren. Der fruchtbare Erfahrungsaustausch wird durch das Ambiente der Festung sehr gefördert. Die Tagungsbeiträge erscheinen seit 2001 jährlich im Festungskurier. 18 Bände liegen bereits vor; sie sind im Museumsshop der Festung Dömitz erhältlich, dort finden sich auch Inhaltsangaben (http://www.festung-doemitz.de/).

Der Band 19 ist der Industriegeschichte Mecklenburgs gewidmet, insbesondere der Bedeutung des Militärs für die Entwicklung der Wirtschaft. Den Auftakt bildete das Stehende Heer im 18. Jahrhundert mit seinem Bedarf an einheitlichen Uniformen und standardisierter Ausrüstung. Eine neue Dimension brachte die Eisenbahn durch schnellen und erleichterten Verkehr. Selbst die Hohen Herrschaften der Fürsten bedienten sich ihrer gern - wie selbstverständlich immer in militärischer Uniform. Die Dynamitfabrik Alfred Nobels im Mecklenburg benachbarten Krümmel bei Geesthacht und die Sprengstoffwerke in Dömitz zeigen den Weg von ursprünglich ziviler zu ausschließlich militärischer Produktion mit negativen Folgen bis heute. Ein bedeutender Betrieb des Schiffbaus mit teilweiser Rüstungsproduktion bestand in Boizenburg bis 1997. Von großer Bedeutung für die entstehende Luftwaffe war die 1917 gegründete Flugerprobungsstelle Rechlin, die auch noch nach 1945 militärischen Zwecken diente und erst 1990 ausschließlich ziviler Nutzung zugeführt wurde. Die Verbindung von Militär und Industrie verlangt verantwortungsvollen Umgang.
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Das Mecklenburg-Schweriner Militär vor dem Ersten
Weltkrieg als Wirtschaftsfaktor des Landes
VON KLAUS-ULRICH KEUBKE Im Landeshauptarchiv Schwerin, auf dessen Bestand dieser Beitrag basiert, befindet sich im Bestand Militärwesen ein unscheinbares, aber doch erstaunliches Schriftstück. Am 19. Januar 1788 hatten nämlich Nicolaus Gottfried und Hinrich Nicolaus Schmidt aus Rostock an ihren Herzog Friedrich Franz I. folgendes geschrieben: Es läuft ein Gerücht, daß eine Trouppen-Vermehrung im Lande vorgenommen werden soll. Da nun zu diesem Zweck verschiedene Mondirungs-Stücke erforderlich sind, so bitten wir gehorsamst: Ew. Hochwohlgeb. geruhen die Vorkehr zu treffen, daß auch uns die Fertigung eines Theils von den Tornistern, Patronen-Taschen, Riemen und Degenkoppeln übertragen werde. Wir versichern uns hierin um so mehr gewisser Erhörung, als wir nicht nur tüchtige Arbeit zu liefern versprechen, sondern auch solche bei dem von Gluerschen Regiment bereits bethätigt haben.1 Die Gerüchteküche brodelte also schon vor mehr als zweihundert Jahren sehr frühzeitig. Beide Handwerker waren erfolgreich und erhielten den Auftrag, Säbelkoppel und Tornister zu liefern. Für die Tornister bekamen sie im Juli einen Vorschuss von 150 Reichstaler ausgezahlt. Dann folgten nochmals 282 Reichstaler. Es war also ein recht lohnender Auftrag. Noch mehr als 20 weitere Handwerker wurden ähnlich bedacht.2 Jedoch konnte der größte Rüstungsauftrag in Mecklenburg-Schwerin nicht erfüllt werden. Da die Schusswaffen der für das Subsidienkorps bestimmten Truppen veraltet und auch noch unterschiedliche Kaliber aufwiesen, genehmigte Herzog Friedrich Franz I., nachdem sich das Korps schon knapp zwei Jahre im niederländischen Herzogenbusch befand, seinem Oberst Bernhard von Pressentin am 6. April 1790 den Kauf von 1500 Gewehren bei dem Gewehr=Fabrikanten Jean Corbusier et fils zu Lüttich.3 Bevor mit weiteren Beispielen die Rolle des Mecklenburg-Schweriner Militärs im Wirtschaftsleben des Landes beleuchtet werden soll, ist eine grundsätzliche Bemerkung voranzustellen: Natürlich ist das Militär eines jeden Landes ein unproduktiver Teil, dessen Erhalt von den Menschen zu erwirtschaften ist. Trotzdem wird der Verzicht auf ein leistungsfähiges Militär das jeweilige Land in dem Fall, dass es in einen Krieg verwickelt wird, wehrlos und zu einem Spielball der gerüsteten Staaten machen. Bemerkenswert ist ferner, dass ungeachtet der generellen wirtschaftlichen Belastung der Menschen durch das Militär dieses wiederum der einen oder anderen Bevölkerungsgruppe Einkommen verschafft. Dies soll nachfolgend für das Herzogtum bzw. Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin betrachtet werden. Zunächst bietet das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin gerade während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) ein anschauliches Beispiel dafür, wenn hohe politische Ziele gestellt werden, jedoch das eigene Militär nicht einmal in der Lage ist, Land und Bevölkerung auch nur annähernd zu schützen. Zu Beginn dieses Krieges nahm Herzog Friedrich I. eine für das Land sehr unglückliche Haltung ein. Die anscheinend hoffnungslose Situation des Preußenkönigs Friedrichs II., der sich, nur von Großbritannien unterstützt, einer Koalition Österreichs und des Reichs sowie Frankreichs, Russlands und Schwedens gegenübersah, ließ den Herzog – zwar offiziell neutral – faktisch auf die Seite der Gegner Preußens und der vermeintlichen Sieger treten. Vor allem erhoffte er sich dadurch die Rückgabe des schwedischen Pfandbesitzes Wismar, Poel und des Amtes Neukloster im Tausch gegen preußisches Gebiet sowie der an Preußen verpfändeten Ämter. Aber der Krieg verlief anders. Das Mecklenburg-Schweriner Militär konnte bei seiner Stärke und innerem Zustand Land und Menschen nicht schützen. Als der Siebenjährige Krieg auch für Mecklenburg-Schwerin beendet war, musste die Regierung den Geldwert aller durch Preußen von 1758 bis 1762 erpressten Leistungen auf 16.559.975 Reichstaler, 6 Schillinge und 1 Pfennig veranschlagen. Außerdem waren 4.395 Mecklenburger während des Krieges in die preußische Armee gepresst worden.4 Allerdings sind kleine und auch mittlere Staaten nur im Bündnis mit Großmächten – auch damals schon – in der Lage sich zu behaupten. Dafür ist der Anfang 1808 erzwungene Beitritt beider mecklenburgischen Länder zum von Kaiser Napoleon I. geschaffenen Rheinbund und dann ab 1813 ihre Teilnahme an der Seite Russlands und Preußens im Kampf gegen das napoleonische Frankreich ein anschauliches Beispiel.5 In der Folge soll nun die Auswirkung des Militärs in Mecklenburg-Schwerin auf die Wirtschaft des Landes betrachtet werden. Abbildung 1
Reiter der Leibgarde zu Pferde um 1780.
Privatarchiv Klaus-Ulrich Keubke Schon aus den Jahren vor dem Siebenjährigen Krieg sind Angaben über Kosten von Uniformen überliefert. Diese kamen nicht nur den Händlern zugute, sondern auch den die Uniformen herstellenden Handwerkern wie Schneidern, Schustern, Posamentierern und anderen. Für die Leibgarde zu Pferde liegt für die Zeit der Errichtung der Truppe eine sehr genaue Aufstellung jeweils für die Wachtmeister, Korporale, Trompeter, Feldscherer und Reiter eines Peter Heyck vom 18. Mai 1748 vor.6 Danach waren für einen Reiter himmelblaues Tuch zum Rock, paille Tuch zu Kamisol und Hosen, karmoisinrotes Rasch zum Unterfutter, paille Rasch unter dem Kamisol, rotes Tuch für Aufschläge und Kragen, grieß Leinwand unter dem Rock, dann noch weiße und steife Leinwand, blaue und paille Seide und Kord, Zwirn, echt roter Kord, Leinwand unter die Hosen, Band zum Einfassen veranschlagt. Bei Rasch handelt es sich um einen einfachen leichten Futterstoff, bei grieß um einen groben grauen Stoff. Gesondert aufgeführt wurden der Hut mit Tressen und Kokardeband, dann Kirsey für das Kollet, dazu kamen breite Tressen sowie rotes Tuch zu Aufschlägen und Kragen sowie wiederum grieß Leinwand unter das Kollet. Extra genannt sind das Degengehenk, Karabinerriemen, Patronentasche, immer mit rotem Samt unterlegt oder versehen. Dann ist nochmals blaues Tuch für den Mantel genannt, geschmückt mit rotem Boy zum Unterfutter und rotem Tuch für den Kragen. Außerdem werden noch blaues Tuch für eine Mütze, dazu Schnüre, gestreiftes Zeug zu den Stallkitteln, ein Degen-Gehenk mit Schnalle, Stiefel mit Sporen, ein Paar lederne Hosen und ein Paar Handschuhe gelistet. Die Gesamtkosten für diese Bekleidung und Ausrüstung – ohne Waffen – betrugen für einen Reiter knapp 80 Reichstaler. Diese Summe erklärt, warum Desertionen auch unter finanziellen Gesichtspunkten den Chefs wehtaten. Wenn dann auch noch die Waffen mitgenommen wurden, stiegen die Kosten erheblich. Die Waffen wurden – wie bereits eingangs dargestellt – nicht im Lande hergestellt. Händler bzw. Kaufleute besorgten sie außerhalb des Landes, damals zumeist in Lübeck. Wie dieser Vorgang zum Beispiel bei der Leibgarde zu Pferde ablief, geht aus einem Schreiben des Schweriner Kaufmanns A. Kütemeyer vom 21. September 1761 an Herzog Friedrich hervor. Zu der von ihm vorgenommenen Beschaffung von 150 Karabinern und 150 Paar Pistolen schrieb er: Ich übergebe hiebey meine Rechnung in Absicht der bereits abgelieferten Carabiner und Pistolen sub Lit: A. in Unterthänigkeit. Sie beträgt 1355 rt: 24 s. N 2/3tel. Ich habe mit dem H. Obristen von Barsse [Chef der Leibgarde zu Pferde – d. Verf.] einen contract mündlich dahin geschloßen, daß ich diese Gewehre für den Preiß liefern wollte, wofür der H. Major von Baader zum Gebrauch seines Husaren Corps sie erhalten hat. Ohngeachtet nun die von mir gelieferten Gewehre größere, wie die Gewehre der Husaren sind, und obgleich die Meinigen mit Nußbaum Holz versehen, zu den Husaren Gewehren aber nur schlechteres Holz genommen ist; so will ich doch nach Ausweisung meiner Rechnung die Gewehre für denselbigen Preiß vorjezo laßen, wofür sie der Hl: Major von Baader verschaffet hat. EHDl [Euer Hoheit Durchlaucht] ersuche ich nunmehro nach bereits geschehener Ablieferung der Gewehre unt[ertäni]gst, Höchstdieselben wollen g[nä]d[i]gst geruhen dem H. Cassierer Schroeder anbefehlen zu laßen daß er mir meine, für die abgelieferten Gewehre habende Rechnung mit 1355 rt: 24 s N 2/3tel fordersamst bezahlen solle.7 Übrigens wurde die Rechnung auch beglichen, was zu diesem Zeitpunkt keinesfalls selbstverständlich war. Noch Ende dieses Jahres 1761 hatte Herzog Friedrich I. eine weitere große Bestellung, vor allem von Gewehren für seine Infanterie, bei Kaufmann A. Kuetemeyer gegeben. So geht aus dem Schreiben jenes Kaufmanns an den Herzog vom 8. Dezember hervor, dass 400 Waffen geliefert worden waren. Auch Pistolen gehörten zur Lieferung. Es hieß: Auf die von EHDl. Gdst....


Krüger, Kersten
Kurzbiographie: 1959 Abitur, Göttingen, 1959-1968 Studium der Geschichte, Anglistik und Skandinavistik an den Univ. Göttingen, Köln, München, Kiel, Hamburg und Kopenhagen, 1968 Promotion Univ. Hamburg, 1968-1978 Assistent und Dozent an der Univ. Marburg, 1978 Habilitation Univ. Marburg für Neuere und Landesgeschichte, 1978-1986 Privatdozent für Neuere Geschichte, 1986-1993 Professor für Neuere Geschichte (Schwerpunkt Skandinavische Geschichte), Univ. Hamburg, 1993-2004 Professor für Geschichte der Neuzeit, Univ. Rostock, seit 2005 Fortsetzung der Lehrtätigkeit und Beauftragter des Rektors für die Universitätsgeschichte, Universität Rostock

Forschungsschwerpunkte: Skandinavische Geschichte, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Stadtgeschichte, Universitätsgeschichte.

Informationen nach:
Catalogus Professorum Rostochiensium
URL: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00000053
https://de.wikipedia.org/wiki/Kersten_Krüger

Münch, Ernst
Kurzbiographie: 1971 Abitur, Rostock, 1971-1980 Studium der Geschichte und Germanistik; Zusatzstudium; Teilaspirantur und Forschungsstudium, Univ. Rostock und Univ. Moskau, 1980-1985 wiss. Assistent an der Sektion Geschichte, Univ. Rostock,
1985-1993 Oberassistent an der Sektion Geschichte, Univ. Rostock, 1991 Umhabilitation auf Mittelalterliche Geschichte und Mecklenburgische Landesgeschichte, Univ. Rostock, 1993 Privatdozent, Univ. Rostock, seit 1998 Professor, Univ. Rostock.

Forschungsschwerpunkte: Agrargeschichte und Mecklenburgische Landesgeschichte, Rostocker und Wismarer Stadtgeschichte in Mittelalter und früher Neuzeit, Genesis der Gutsherrschaft und der Leibeigenschaft in Mecklenburg, Geschichte der Gebäude der Universität Rostock.

Informationen nach:
Catalogus Professorum Rostochiensium
http://purl.uni-rostock.de/cpr/00001273
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Münch_(Historiker,_1952)


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