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E-Book, Deutsch, 214 Seiten

Krüger / Piegeler / Spars Urbane Produktion

Neue Perspektiven des produzierenden Gewerbes in der Stadt?

E-Book, Deutsch, 214 Seiten

ISBN: 978-3-17-038310-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Entwicklung neuer Produktions-, Transport- und Kommunikationstechnologien führt zu einem permanenten räumlichen Anpassungsprozess des Gewerbes in den Städten. In dem Band werden verschiedene Aspekte dieser aktuellen Struktur- und Standortveränderungen beleuchtet. Vorgestellt werden auch die Ergebnisse des durch das BMBF geförderten Forschungsprojekts "Gewerbe in der Stadt - Wandel im Bestand gestalten", in dem die Rahmenbedingungen und Prozesse untersucht wurden, welche eine Ansiedlung oder den Verbleib von Produktion in urbanen Lagen begünstigen. Das Buch wendet sich an Politik und Verwaltung in den Kommunen, an Entwickler von Gewerbeimmobilien sowie an die Stadtforschung.
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Eine Einführung
Thomas Krüger, Monika Piegeler und Guido Spars
      Die Stadt und ihr Gewerbe – eine bereits seit ewigen Zeiten währende Liaison. Das Gewerbe in der Stadt ist so alt wie die Stadt selbst, denn viele Siedlungen sind durch gewerbliche Aktivitäten und den Austausch von Waren, also Handel entstanden. Waren es zunächst die Knotenpunkte überregionaler Handelsrouten, an denen die Städte entstanden, so halfen später die Arbeitsteilung auf engstem Raum und die Spezialisierung dabei, dass sich größere und kleinere Städte fast überall in Europa entwickeln konnten. Erst mit einer Produktion der Güter in größerer Stückzahl wurden die Produkte günstiger, konnten besser getauscht und weiterverarbeitet werden, sodass sich die Arbeitsteilung immer weiter verfeinerte und im Ergebnis zu schnell wachsendem Wohlstand führte (Spars 2017). Also entstanden größere Manufakturen und die einzelnen Gewerbespezialisierungen und Produktionsarten, wie wir sie heute kennen, bildeten sich heraus. Eine wachsende Zahl an Arbeiter:innen ließ sich nun (aus Gründen der Zeit- und Transportkostenersparnis) ebenfalls in der Nähe der Manufakturen nieder. Ein Marktplatz wurde eingerichtet, um die verschiedenen Güter und Dienstleistungen zu tauschen, was wiederum Händler:innen anzog. Diese Wirtschaftsstrukturen und die darin tätigen Menschen bildeten fortan die Stadt. Diese Entwicklung wurde dann später im Zeitalter der Industrialisierung und der Massenproduktion immer stärker vorangetrieben und führte zu dem enormen Stadtwachstum, das uns aus fast allen (europäischen) Städten bekannt ist (ebd.). Die angesprochene Dynamik der Stadtveränderung führte während der vielen Jahrhunderte zu einem permanenten räumlichen Anpassungsprozess des Gewerbes in der Stadt. Ein weiterer Treiber für die Standortveränderungen des Gewerbes war die Herausbildung neuer Technologien in den Bereichen Produktion, Transport und Kommunikation. So war das Gewerbe am Anfang – also beispielsweise das Handwerk – entweder sehr zentrums- und damit kundennah – z. B. direkt am Marktplatz – oder in Ermangelung alternativer Antriebstechnologien für die ersten Maschinen in der Nähe von Wasserläufen oder auf windigen Anhöhen angesiedelt (Wasser- und Windmühlen). Mit dem Aufkommen der Dampfmaschine und der Elektrizität war man dann nicht mehr auf das Wasser und den Wind als Antriebsmedien angewiesen; etliche dieser Standorte verfielen. Aber auch die sich verändernde Mobilität beeinflusste die Gewerbestandortwahl. So wurde der Auszug der Produktion aus den europäischen Städten durch die Verbreitung des Automobils seit den 1950er Jahren – sowohl für die Arbeitskräfte, die Kund:innen als auch die Logistik – enorm begünstigt. Fortan konnten hohe Bodenpreise und Standortkosten in der Stadt vermieden werden, freilich jedoch durch die Inkaufnahme entsprechender Mobilitätskosten. Auch ein verstärktes Umweltbewusstsein und die damit einhergehenden Umweltauflagen für die Produktionsstätten verstärkten die Suburbanisierung des produzierenden Gewerbes weiter. Heute nun beschreiben und diskutieren wir Rahmenbedingungen und Prozesse, die die Ansiedlung oder den Verbleib der Produktion in urbanen Lagen begünstigen. Da sind zum einen die Chancen der digitalen Technologien zu nennen, die landläufig unter dem Schlagwort »Industrie 4.0« diskutiert werden. Hierunter werden die Erwartungen gefasst, die sich mit einer flächendeckenden und schnittstellenfreien Nutzung von echtzeitnahen Informationen auf der Produktions- und der Kundenseite verbinden. Es geht also um den Mehrwert, den internetfähige Produkte durch den Datenaustausch mit anderen Objekten generieren (Internet der Dinge). Auf der Seite der Produktion wird die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Produkten entsprechende Kosten- und Effizienzvorteile schaffen. Weitere Vorteile entstehen durch die Einbeziehung der Mitarbeiter:innen über mobile Kommunikationsmittel und die Nutzung von Social Media in der Produktion (Bauer et al. 2014). Als die wesentlichen Technologiefelder dieser Entwicklung sehen Expert:innen die Embedded Systems, Smart Factory, Robuste Netze, Cloud Computing und IT-Security. Das mit diesen Technologien verbundene zusätzliche Wertschöpfungspotenzial bis 2025 wird allein in den sechs Branchen Automobilbau, Elektrotechnik, chemische Industrie, IuK-Technologie, Anlagenbau und Landwirtschaft auf 78 Mrd. Euro (jährliches Wachstum von 1,7 %) geschätzt (ebd.). Welche räumlichen Auswirkungen mit den Technologien der Industrie 4.0 und ihrer Vernetzung verknüpft sein werden, ist bislang noch weitgehend unerforscht. Allerdings erscheint es übertrieben zu sein, davon auszugehen, dass die digitale Wirtschaft der Zukunft sich aus den Städten heraus bewegt und ihr Heil nur noch in den peripheren Lagen suchen wird. Für Betriebe des produzierenden Gewerbes und des Handwerks, die über Jahrzehnte eher von einer Suburbanisierung geprägt waren, kann ein innerstädtischer Standort sogar vorteilhaft sein. Sie können hier von dem zumeist attraktiveren Umfeld und der besseren Erreichbarkeit für Beschäftigte bzw. dem besseren Zugang zu Arbeitskräften profitieren, was vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des Urbanisierungstrends zunehmend wichtiger wird (Herrmann et al. 2014, 284). Aber auch das Ziel, an einem einzigen Standort forschen, entwickeln, produzieren und vermarkten zu können, und die zunehmende Bedeutung der räumlichen Nähe zu den Kund:innen, Kooperationspartner:innen und Forschungseinrichtungen können für einen innerstädtischen Standort sprechen. Für das meist lokal geprägte Handwerk stellt beispielsweise die Nähe zu den meist in der Stadt ansässigen Kund:innen einen wichtigen Wettbewerbs- und damit Standortfaktor dar. Aufstrebende Wirtschaftsbereiche wie die Informations- und Kommunikationstechnologien, Medizintechnik und Biotechnologie sowie das »neue« Manufakturwesen (»Urban Manufacturing«), das als Weiterentwicklung des traditionellen Handwerks mit neuen Vertriebs- und Kommunikationswegen zu verstehen ist, sind durchaus stadtaffin und an integrierten, zentral gelegenen Standorten interessiert (Schössler et al. 2012). Durch neue Fertigungs- und Logistikkonzepte verlieren für etliche Betriebe des produzierenden Gewerbes räumliche Abstandsanforderungen aufgrund von Lärm- und Schadstoffemissionen zudem an Relevanz. »Der technologische Fortschritt lässt es in vielen Fällen zu, dass auch vermeintlich störende Nachbarschaften von Produktion, Dienstleistung und Wohnen heute wieder möglich sind« (BMVBS 2011, 26). In vielen Städten stehen jedoch für stadtaffine »Urban Industries« und zunehmend auch für das Handwerk kaum noch geeignete Flächen zur Verfügung. In der Phase starken Wachstums seit den 1950er Jahren sind die Städte um die Industriestandorte aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, die vormals am Rand der Städte lagen, herumgewachsen. Viele dieser Fabrik- oder Gewerbestandorte wurden aufgegeben bzw. in Wohn- oder Bürostandorte umgewandelt. Ebenso wurden viele Gewerbeflächen, die in die Wohnblöcke des gründerzeitlichen Städtebaus integriert waren, »saniert«, d. h. die Betriebe wurden verlagert oder aufgegeben. Demgegenüber sind auf Basis des 1960 eingeführten Baugesetzbuchs neue Gewerbe- und Industrieflächen nach dem Prinzip der Funktionstrennung, d. h. mit Abstand zu Wohnnutzungen, entstanden. Neben Produktion sind auf diesen Flächen zu erheblichen Anteilen allerdings auch Großhandel, Lager, Speditionen, KFZ-Betriebe und Dienstleistungen angesiedelt worden, zum Teil wurden auch Flächen für den Einzelhandel geschaffen bzw. von Eigentümer:innen oder Projektentwickler:innen durchgesetzt. Auf diese Weise wurden die eigentlich für »störende« Gewerbe- und Industriebetriebe vorgesehenen Flächen vielfach von Nutzungen belegt, die kaum »stören« – oft ist es hier allein der Lieferverkehr mit LKW –, die aber einen hohen Flächenbedarf aufweisen und für die Eigentümer:innen gute Renditen versprechen. Dies führt dazu, dass, zumindest in Städten mit einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung, Flächen für Urbane Produktion knapp sind. Im Hinblick auf den Vorrang der Innenentwicklung gilt hier umso mehr, den Wandel im Bestand zu gestalten. Urbane Produktion ist sicher mehr als nur ein Modewort oder -trend, das oder der schnell von anderen abgelöst wird. Angesprochen ist die dringende Transformation der urbanen Produktionsstrukturen sowohl im Hinblick auf die städtebauliche Integration, die Nachhaltigkeit als auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der Städte. Dabei stehen Wirtschaft und Kommunen im Zuge einer...


Prof. Dr. Thomas Krüger lehrt Projektentwicklung und Projektmanagement an der HafenCity Universität Hamburg. Dr. Monika Piegeler und Prof. Dr. Guido Spars lehren Ökonomie des Planens und Bauens an der Universität Wuppertal.


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