Krzywik-Groß / Exter / Demirtel | Eis und Dampf | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Steampunk

Krzywik-Groß / Exter / Demirtel Eis und Dampf

Eine Steampunk Anthologie
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86762-201-1
Verlag: Uhrwerk-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Steampunk Anthologie

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Steampunk

ISBN: 978-3-86762-201-1
Verlag: Uhrwerk-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im 9. Jh. n. Chr. ereignete sich in Island eine Serie von Vulkanausbrüchen, die eine Kaltperiode nach sich zog, die Entdeckung Amerikas verhinderte, durch Stürme auf dem Meer die Navigation mit Schiffen erschwerte und Nordeuropa mit Eis überzog. Europa versank in Territorial- und Religionskriegen.
Dampfkraft, Æronautik und Elektrizität läuteten eine Periode des wissenschaftlichen Fortschritts ein. Enormer Rohstoffbedarf auf der einen und erschwerte landwirtschaftliche Bedingungen auf der anderen Seite zementierten die Monarchie, die Konflikte der Adelshäuser und die Armut der Arbeiterklasse.
Eis und Dampf erzählt dreizehn Geschichten von zwölf namhaften Phantastik-Autoren, die die Welt des 2013 mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichneten Romans Die zerbrochene Puppe von Judith und Christian Vogt auf der Suche nach neuen Geschichten bereisten.
Dreizehn bisher unveröffentlichte Geschichten von Judith Vogts Der Puppenmacher, die auf den Spuren der beliebten friesischen Luftpiratin Tomke aus Die zerbrochenen Puppe wandelt und den Hintergrund der namensgebenden Puppe beleuchtet, über den unheimlichen Bericht der Entstehung der ersten Shellys bis hin zu Stefan Holzhauers Geschichte Das Ægyptische Axiom: Hochspannung ist garantiert.
Mit Beiträgen von Eevie Demirtel, Torsten Exter, Stefan Holzhauer, Ann-Kathrin Karschnick, Mike Krzywik-Gross, Christian Lange, Henning Mützlitz, Marcus Rauchfuß, Stefan Schweikert, Christian Vogt, Judith Vogt und André Wiesler.

Krzywik-Groß / Exter / Demirtel Eis und Dampf jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Kapitel 2 Ich googelte Celia Shaw in dieser Nacht. Mein Rechner war nicht einmal zwei Jahre alt, Martin hatte ihn gekauft, um von Zeit zu Zeit zu Hause arbeiten zu können. Ich hatte gelernt, ihn zu benutzen – immerhin gut genug, um Mails empfangen und versenden zu können und nach Informationen zu suchen. Die Spiele langweilten mich, und mein Geld wurde von meinem Steuerberater „gehandhabt“. Deshalb fuhr ich dieses Ding nur ein paar Mal in der Woche hoch. Celia sollte fünfundzwanzig sein – eine Information, die ich nicht für bare Münze nahm. Sie war in Wilmington in North Carolina geboren worden, wo ihre Mutter an einem Film gearbeitet hatte. Ich hatte nicht gewusst, dass es in Wilmington Filmstudios gab, aber dem Artikel nach war es eine regelrechte Filmfabrik. Nun, zurück zu Celia. Ihre Mutter, Linda Shaw, eine unbedeutende Schauspielerin mittleren Alters, war räumlich so lang von ihrem Ehemann getrennt gewesen, dass die Herkunft des Babys in Frage stand. Linda hatte den Säugling bei einer Tante und einem Onkel hinterlassen und war geflohen. Einige Jahre später war sie tot in Kalifornien wieder aufgetaucht. Sie hatte sich in einem Motel umgebracht – eine Kombination aus Barbiturat und Rasierklinge. Welch dramatischer Anfang. Obwohl mein Vater uns verlassen hatte, als ich ein Teenager war, war meine Mutter ein Fels in der Brandung gewesen. Ich hatte nie Tanten und Onkel gehabt, da meine Eltern beide Einzelkinder waren (was unter Umständen zu ihren Problemen beigetragen haben könnte), aber meine Mutter hatte ein ganzes Netzwerk von Freunden, Familienverbindungen und Arbeitskollegen gehabt, an die sie sich hatte wenden können. Ich hatte Mitleid mit Celia Shaw, obwohl ich mich eher darauf eingestellt hatte, sie nicht zu mögen. Beim Weiterscrollen erblickte ich Fotos von Celia in zahlreichen Filmen, die ich nie gesehen hatte. Ich stoppte, um ein Kleid näher zu mustern, das sie bei den Emmy Awards getragen hatte. Hmmm. Ich war stärker konservativ elegant, als mir bewusst gewesen war. Ich starrte das Bild an. Hatte sie diese Stelle festkleben müssen? Wie hatte sie geplant, damit umzugehen, dass ihr womöglich ihre Tasche entfiel? Natürlich hätte sie irgendjemand liebend gern für sie aufgehoben; Celia würde nie auch nur einen Finger krümmen müssen, jedenfalls nicht für die nächsten zehn Jahre. Trotzdem, was, wenn sie ihre Haltung vergaß und ein wenig zusammensackte … Nun gut, sie hatte Mut, das musste man ihr lassen. Laut ihrer Biografie hatte Celia Nebenrollen in fünf unbedeutenderen Filmen und zwei bekannten Fernsehserien bekommen. „Skurriler Tod“, ein zweiteiliger Fernsehfilm, würde ihre erste Hauptrolle sein. Chip Brodnax übernahm die Rolle Robins. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern, woher. Ich sah nicht viel fern, aber ich war sicher, dass ich ihn schon irgendwo vorher gesehen hatte. Auf der Website gab es das gleiche Bild Celia Shaws, das auch in der Zeitschrift gewesen war – es zeigte sie mit Robin auf einer Party. Dann gab es noch eine Aufnahme, in der sie ihren Emmy hielt. Sie war sehr attraktiv, daran gab es keine Zweifel. Auch wenn ihr angegebenes Alter von fünfundzwanzig alles andere als die Wahrheit war, war ich mir sicher, dass Celia Shaw einige Jahre jünger als ich war. Als ich den Rechner abschaltete und nach oben ging, um ein Bad zu nehmen, fragte ich mich, wieso ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte, diese Informationen herauszufinden. Ich erklärte es mir dadurch, dass sie mich im Film spielen würde – oder jedenfalls jemanden, der so nah an mich herankam, wie der Film es zuließ, da ich die Erlaubnis verweigert hatte, der Rolle meinen Namen zu geben. Es war doch nicht verwunderlich, dass ich mich für die Frau interessierte, die mich verkörpern sollte, oder? An diesem Mittwoch nahm ich am Abendgebet teil. Das war leider keineswegs normal für mich – St. Stephens bekam mich sonntagsmorgens zu Gesicht, und das war’s. Ich hatte mich geschickt vor dem Frauenkreis, dem Ältestenkreis und dem jährlichen Weihnachtsbasar-Komitee gedrückt. (Ich bekam langsam ein schlechtes Gewissen, als ob ich jedes Jahr meine Weihnachtsgrüße mit UNICEF-Karten bestreiten würde, ohne je etwas zu spenden.) An diesem milden Abend setzte ich mich in eine leere Bank im hinteren Teil der kleinen Kirche und ließ, während ich am Gebetsritual teilnahm, das mir so viel bedeutete, all meine Sorgen los. Als ich Pfarrer Aubrey Scotts Hand schütteln und durch die Tür gehen wollte, sagte er: „Kannst du kurz warten? Ich würde gerne mit dir sprechen.“ „Klar“, sagte ich. Ich hatte Aubrey schon immer gemocht und war sogar einige Monate lang mit ihm ausgegangen. Dann hatte ich Martin getroffen und er Emily, und wir waren im Guten auseinandergegangen. Die Wärme einer angenehmen Freundschaft verblieb. Ich kramte in meinem Kopf nach drängenden brisanten Themen der Kirchgengemeinde, die er mit mir besprechen musste, aber mir fiel keines ein. Mit einer leichten Erwartungshaltung ließ ich mich auf einer Bank im stillen Innenhof der Kirche nieder, während die anderen Kirchgänger in ihre Autos stiegen und die Scheinwerfer in der zunehmenden Abenddämmerung einschalteten. Bald würde die Uhr umgestellt werden, und wir würden im Stockfinsteren nach Hause fahren. Durch die erleuchteten Fenster sah ich Aubreys Frau Emily – blond und spießig – in der Kirche herumlaufen. Sie richtete Kniebänke auf, hob Programme auf, die auf den Kirchenbänken lagen, und schaltete die Lichter aus. Elizabeth, Emilys Tochter mit ihrem verstorbenen ersten Mann, war nicht in der Kirche gewesen, wahrscheinlich hatte sie ihre Hausaufgaben als Ausrede benutzt. Sie war zehn Jahre alt und etwas schwierig. Aubrey hatte es aber nie bereut, sie zu adoptiert zu haben; er war in sie vernarrt. Seines Talars ledig kam Aubrey zurück, um sich im Halbdunkel neben mich zu setzen. Er war grauhaariger als damals bei seiner Übernahme von St. Stephens. War Aubrey neununddreißig oder eher zweiundvierzig? Ich erwischte mich stirnrunzelnd: Ich dachte in letzter Zeit viel zu oft über das Alter nach. „Ich muss dich etwas fragen“, sagte Aubrey ruhig. „Schieß los“, antwortete ich. Aus der offenen Kirchentür kam ein Knall, als Emily die vierte Kniebank von hinten auf der linken Seite aufrichtete, die etwas lärmiger war als die anderen. „Würde es dich verletzen, wenn die Filmleute ein paar Szenen in der Kirche drehen würden?“, fragte er. Was immer ich erwartet hatte, es war sicher nicht diese Frage gewesen. Ich war froh um die Dunkelheit, denn ich hatte keine Ahnung, wie mein Gesichtsausdruck aussah. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Der Ältestenkreis hat sich gestern mit dem Vertreter der Filmgesellschaft getroffen. Die Sache ist die“, er machte eine kurze Pause, um mir die Chance auf eine Reaktion zu geben, „sie bieten uns zum Ausgleich genug, um St. Stephens zu einem neuen Dach zu verhelfen – dem Gemeindehaus und der Kirche. Aber wenn du auch nur den kleinsten Einwand hast, verzichten wir auf das Geld. Das ist es nicht wert. Du bist eine von uns, da sind wir uns alle einig.“ Unzählige Antworten kamen mir in den Sinn, sodass ich die Lippen zusammenkniff, um die Wörter einzusperren. Es gab nur eine denkbare Antwort. „Klar“, sagte ich. „Ein neues Dach kannst du dir nicht entgehen lassen.“ Ich wusste, dass meine Stimme viel eisiger war, als ich beabsichtigt hatte, und dass meine Worte nicht gerade enthusiastisch oder wenigstens höflich klangen, aber ich hatte mein Bestes gegeben. „Es klingt nicht so, als sei es dir recht“, stellte Aubrey nach kurzem Zögern fest. „Du hörst dich an, als wolltest du, dass ich mit Gift spielen gehe.“ Ich schmunzelte ein wenig, sehr wenig, aber das konnte er nicht sehen. „St. Stephens ist großartig. Es wundert mich nicht, dass sie hier drehen wollen. Wird auch nichts verändert?“ „Er versprach es mir jedenfalls. Er sagte, es würde alles genauso oder besser aussehen. Sie werden das Schild an der Ecke für uns streichen.“ „Dann solltest du das Angebot annehmen.“ Es kam mir in den Sinn, dass ich das neue Kirchendach bezahlen und die Filmgesellschaft sich dann verpfeifen könnte. Doch das würde noch mehr Aufmerksamkeit auf mich lenken, was genau das war, was ich vermeiden wollte. Ich tauschte zur Sicherheit noch ein oder zwei Bemerkungen mit Aubrey aus, damit er nicht dachte, ich verließe die Kirche wütend. Er hatte mir die Wahl gelassen, und ich hatte gewählt, also konnte ich das Ergebnis meiner Entscheidung nicht an ihm auslassen. Als Emily die Kirche zuschloss, war ich schon auf dem Weg zu meinem Auto. Madeleine wartete an der Küchentür auf mich, als ich heimkam. Madeleine – golden, dick und zunehmend langsam – war der lebendige Teil der Erbschaft, die mir eine alte Freundin hinterlassen hatte. Jane hatte mir das Tier und einen Topf voll Geld vererbt. Raten Sie mal, was ich davon lieber mochte. Madeleine war bei jedem Veterinär in der Umgebung Lawrencetons bekannt und gefürchtet. Außer ein paar Alterserscheinungen war das Tier glücklicherweise immer gesund gewesen – die jährliche Routineuntersuchung war für alle Anwesenden ein traumatisches Erlebnis. Obwohl ich – dank einer Mutter, die meinte, Tierhaare im Haus zu haben, sei vergleichbar damit, Läuse zu haben – ohne Haustiere aufgewachsen war, koexistierten Madeleine und ich nun schon seit einigen Jahren in angemessener Harmonie. Ich fütterte sie, bürstete sie im Frühling und im...


Christian Vogt wurde 1979 in der wilden Eifel geboren und verdient seine Brötchen als promovierter Physiker in Aachen mit Neutrinos und Erdwärme. Er schreibt mit seiner Frau Judith phantastische und historische Geschichten für diverse Verlage. Ihr erster gemeinsamer Roman war "Die zerbrochene Puppe", in dessen Welt diese Anthologie angesiedelt ist. Beide Autoren freuen sich, dass ihre Erzählung nun mit "Eis und Dampf" fortgesetzt wird.
Ansonsten lässt Christian kein Nerd-Hobby aus, wenn es ihm über den Weg läuft (Rollenspiel, Schwertfechten, Schmieden, Geschichte, Serien) und infiziert seine Frau und seine drei Kinder damit.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.