E-Book, Deutsch, Band 214, 64 Seiten
Reihe: Das Berghotel
Kufsteiner Das Berghotel 214
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7325-9177-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Endstation St. Christoph
E-Book, Deutsch, Band 214, 64 Seiten
Reihe: Das Berghotel
ISBN: 978-3-7325-9177-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mia und Sebastian erfüllen sich einen langgehegten Traum: Mit einem umgebauten Campingbus wollen sie auf große Weltreise gehen. Ihre erste Station führt die beiden ins Berghotel. Hier hat Sebastian immer mit seinen Eltern die Urlaube verbracht, und hier wollen die beiden noch mal entspannen und Energie tanken, bevor es dann losgehen soll.
Während Mia sich im Wellness-Bereich verwöhnen lässt, streift Sebastian durch das Dorf und hängt seinen trüben Gedanken nach. Denn was Mia nicht ahnt: Schon länger ist er nicht mehr vollends überzeugt von der Reise und vor allem nicht von ihrer Beziehung.
Da trifft er eines Nachmittags auf Anita, seine große Jugendliebe. Sebastian ist erneut verzaubert von ihrer Schönheit und ihrer Anmut. Ist das ein Zeichen? Soll er die Reise abblasen? Das Schicksal kommt ihm zuvor, als einige Tage später sein Geldbeutel mit allen wichtigen Karten und Papieren spurlos verschwindet ...
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Endstation St. Christoph
Wenn ein Reisetraum zerplatzt
Von Verena Kufsteiner
Mia und Sebastian erfüllen sich einen langgehegten Traum: Mit einem umgebauten Campingbus wollen sie auf große Weltreise gehen. Ihre erste Station führt die beiden ins Berghotel. Hier hat Sebastian immer mit seinen Eltern die Urlaube verbracht, und hier wollen die beiden noch mal entspannen und Energie tanken, bevor es dann losgehen soll.
Während Mia sich im Wellness-Bereich verwöhnen lässt, streift Sebastian durch das Dorf und hängt seinen trüben Gedanken nach. Denn was Mia nicht ahnt: Schon länger ist er nicht mehr vollends überzeugt von der Reise und vor allem nicht von ihrer Beziehung.
Da trifft er eines Nachmittags auf Anita, seine große Jugendliebe. Sebastian ist erneut verzaubert von ihrer Schönheit und ihrer Anmut. Ist das ein Zeichen? Soll er die Reise abblasen? Das Schicksal kommt ihm zuvor, als einige Tage später sein Geldbeutel mit allen wichtigen Karten und Papieren spurlos verschwindet …
Auf den Almwiesen schmolz der Schnee und dort, wo die weißen Flecken verschwanden, leuchtete frisches Grün. Dazwischen tanzten Farbflecken – das Gelb der Winterlinge, das Weiß und Violett der wilden Krokusse – ganz so, als hätte ein Kind sie mit Fingerfarben dorthin getupft. Durch die geöffnete Seitenscheibe drang frische Frühlingsluft. Sebastian saß auf dem Beifahrersitz und schloss die Augen. Er genoss den Duft nach feuchter Erde und Kräutern. Doch das Glück währte nicht lange!
Der Schrei eines Adlers hallte über den Zillertaler Frühlingshimmel. Gefahr war in Verzug. Schon als Kind hatte Sebastian gelernt, dass Raubvögel kreischten, um ihre Beute aufzuschrecken. Wenn die Murmeltiere und Hasen flüchteten, stießen die Vögel aus großer Höhe hinab. Sebastian fröstelte. Natürlich war er nicht in Gefahr. Trotzdem fühlte er sich wie in einer Falle gefangen.
Seine Freundin, die neben ihm am Steuer saß, ahnte nichts von seinen düsteren Gedanken.
„Sag noch einer, dass die alten Sprichwörter nicht recht haben“, jubelte Mia Pauling und schaltete einen Gang hinunter, damit sich der Bus nicht allzu sehr anstrengen musste. Die einzige Straße, die sich in Serpentinen den Berg hinaufwand, verlangte dem Fahrzeug alles ab. Es rumpelte den steilen Hang hinauf. In den Kurven ächzte es bedrohlich. „Wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel!“
„Ich sehe aber keinen Engel.“ Sebastian starrte immer noch hinaus. Er hatte ganz vergessen, wie abgeschieden das Bergdorf St. Christoph lag. Sicher, er war bestimmt zehn Mal hier gewesen, damals mit den Eltern. Doch seit dem letzten Besuch waren Jahre vergangen, und er erinnerte sich nicht mehr an den beschwerlichen Weg.
Mia schickte ihrem Freund einen Seitenblick.
„Früher hättest du so was nicht gesagt. Da war ich immer dein Engelchen.“
„Seit wann bist du so sentimental?“
Langsam aber sicher verging Mia das Lachen.
„Kannst du mir mal erklären, was mit dir los ist? Immerhin sind wir wegen dir hier. Nur zur Erinnerung: Du warst derjenige, der unsere Reise hier beginnen wollte.“ Eine blonde Strähne hatte sich aus dem Knoten auf ihrem Hinterkopf gelöst. Sie blies sie aus der Stirn. „Vielleicht wolltest du ja deine Jugendliebe wiedersehen. Wie hieß sie doch gleich? Angela? Wer von uns beiden ist also sentimental?“
Sebastian stöhnte theatralisch.
„Anita war ihr Name, und ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr an sie gedacht. Und was meine schlechte Laune angeht: Du weißt doch selbst, wie anstrengend die letzten Wochen waren. Die Wohnung untervermieten, unsere persönlichen Sachen einpacken und unterstellen, den Bus nochmal durchchecken. Ganz zu schweigen von dem bürokratischen Kram. Kein Wunder, dass ich ein bisschen gestresst bin.“ Daran wollte er selbst nur zu gerne glauben. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass das nur ein Teil der Wahrheit war.
Ein Glück, dass in diesem Augenblick St. Christoph in Sicht kam. Eingerahmt von majestätischen Gipfeln, die das Dorf vor der allzu rauen Witterung und der Hektik der Außenwelt beschützten, lag es wie ein Ei in seinem Nest. Sebastian hielt die Luft an, und auch Mia vergaß die Betroffenheit über die harsche Reaktion ihres Freundes für einen Moment.
„Das ist ja wie im Film“, hauchte sie ergriffen.
Sebastian beugte sich vor.
„Das da ist der Feldkopf.“ Viele Male war die Familie damals mit der Kabinenbahn hinaufgefahren, um wandern zu gehen oder den Wetterturm zu besichtigen, wo Meteorologen ihre Beobachtungen und Messungen durchführten. „Den Hexenstein daneben erkennt man an den zwei Gipfeln“, fuhr er fort. „Links davon, das ist das Frauenhorn.“ Erstaunlich, wie schnell die Erinnerung zurückkehrte. Seine Augen begannen zu leuchten. „Hoffentlich haben wir ein Zimmer mit Blick auf den Achenkegel. Dann können wir die Sonnenuntergänge beobachten. Die sind spektakulär, sag ich dir.“
„Ich kann es kaum erwarten.“ Insgeheim atmete Mia auf. Langsam schien sich Sebastians Laune zu bessern.
Und im Grunde genommen hatte er ja recht. Die letzte Zeit war wirklich beschwerlich gewesen. Aber für sie war es ein positiver Stress gewesen. Immerhin ging es um die Erfüllung eines langgehegten Traums. Sie träumten ihn zusammen, seit sie sich an einem Strand in Australien kennengelernt hatten. So weit hatten sie reisen müssen, um festzustellen, dass sie in München nur ein paar Straßen voneinander entfernt wohnten. Seither glaubte Mia wieder an Wunder, auch wenn ihre Beziehung nach fünf gemeinsamen Jahren längst in der rauen Wirklichkeit angekommen war. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Sebastian und sie zusammengehörten wie die Sonne an den Himmel.
Just in diesem Moment fiel ein Sonnenstrahl auf ein gelbes Barockschlössl, das immer wieder zwischen den Bäumen aufgeblitzt war und nun in all seiner Herrlichkeit vor ihnen lag. Mia lachte.
„Ein Glück, dass ich meinen Märchenprinzen schon gefunden habe. Sonst müsste ich glatt mal im Schloss vorbeischauen.“
„Da wärst du ganz schön enttäuscht.“ Nicht das kleinste Lächeln zuckte um Sebastians Mund. „Der Baron von Brauneck ist ein netter Mann, aber einen Traumprinz stelle ich mir anders vor.“ Er erinnerte sich an die alten Geschichten. „Früher haben sie im Dorf erzählt, dass er ein rechter Charmeur ist, sehr zum Leidwesen seiner Frau. Außerdem ist er nicht ganz deine Altersklasse.“
Was war nur los mit Sebastian? Lag es wirklich nur am Stress der vergangenen Wochen, dass er so humorlos war? Mia nahm sich vor, ihn in einer ruhigen Stunde danach zu fragen. Jetzt musste sie sich erst einmal auf das Sporthotel „ Am Sonnenhang“ konzentrieren, das vor ihnen aufgetaucht war. Es lag ein Stückerl über St. Christoph, gegenüber dem Schlössl. Im alpenländischen Stil erbaut, fügte es sich harmonisch ins Landschaftsbild ein. Mia wusste sofort, dass sie sich hier wohlfühlen würde.
„Ein herzliches Grüß Gott“, schallte ihnen kurz darauf eine freundliche Stimme von der Rezeption entgegen. Sie gehörte einer Frau im feschen Dirndl, die sie anlachte. „Herr und Frau Schlüter, nehme ich an.“
Sebastian ging an Mia vorbei und trat an den Tresen. Na bitte, er hatte das Lächeln also doch noch nicht verlernt.
„Herr Schlüter und Frau Ludwig“, korrigierte er die Dame. „Kennen Sie mich denn nicht mehr, Frau Kastler?“
In diesem Moment fiel es Hedi wie Schuppen von den Augen.
„Basti, bist du das? Ich hab doch gleich gewusst, dass mir der Name bekannt vorkommt. Das muss ja eine Ewigkeit her sein, dass ich dich zum letzten Mal gesehen hab. Damals warst noch ein Bub. Und schau dich heute an! Aber sag mir, wie geht’s den Eltern?“
Hedis Freude war ansteckend. Sebastian lächelte.
„Sehr gut. Ich soll schön grüßen. Wenn wir nicht auf große Reise gehen würden, wären sie glatt mitgekommen.“
„So. Wohin soll’s denn gehen?“
„Mia und ich wollen uns ein paar Monate lang Europa anschauen. Dafür haben wir extra einen alten Bus gekauft und umgebaut. Bevor es aber richtig losgeht, lassen wir uns hier nochmal so richtig verwöhnen.“
Hedi konnte es nicht glauben.
„Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Wie alt warst du, als ich dich zum letzten Mal gesehen hab? Vierzehn? Fünfzehn?“ Im nächsten Moment wurden ihre Wangen rot wie zwei sonnengereifte Äpfelchen. „Ach, jetzt hab ich ‚du‘ gesagt.“
„Das macht gar nichts. Ganz im Gegenteil“, versicherte Sebastian. „Sonst fühle ich mich gleich so alt. Und das bin ich ja eigentlich auch. Ganze zehn Jahre ist es her, dass ich zum letzten Mal hier oben war.“
„Du und alt!“ Hedi lachte. „Was müssten da der Andi und ich sagen? Ach was.“ Sie winkte ab. „Ich finde, man ist immer so alt, wie man sich fühlt.“ Sie wandte sich an Mia. „Aber ich bin unhöflich. Ich freue mich, dass der Basti so ein hübsches Madel mitbringt. Hoffentlich weiß er, was für...




