E-Book, Deutsch, Band 2064, 64 Seiten
Reihe: Der Bergdoktor
Kufsteiner Der Bergdoktor 2064
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-1055-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Geheimes Glück
E-Book, Deutsch, Band 2064, 64 Seiten
Reihe: Der Bergdoktor
ISBN: 978-3-7517-1055-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Gendarm Ludwig Sirch fühlt sich hundeelend. Fieber, Schüttelfrost und Unwohlsein plagen ihn. Aber er denkt nicht daran, zum Bergdoktor zu gehen und sich krank zu melden. Nicht gerade jetzt, wo die warmen Temperaturen den Gletscher tauen lässt und die Überreste eines Mannes freilegen.
Ignaz galt seit Jahren als vermisst. Und die Spuren deuten auf ein Verbrechen hin!
Ein Mord in seinem Tal? Ludwig Sirch ist entsetzt und setzt alles daran, die Untat aufzuklären.
Dann kehrt auch noch Leni, die einzige Tochter des Toten, heim, um ihren Vater zu beerdigen. Niemand ahnt, wie schwer ihr dieser Gang fällt ...
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Geheimes Glück
Dr. Burger und eine perfekte Überraschung auf dem Steinbrunner-Hof
Von Andreas Kufsteiner
Gendarm Ludwig Sirch fühlt sich hundeelend. Fieber, Schüttelfrost und Unwohlsein plagen ihn. Aber er denkt nicht daran, zum Bergdoktor zu gehen und sich krank zu melden. Nicht gerade jetzt, wo die warmen Temperaturen den Gletscher tauen lässt und die Leiche eines Mannes freilegen.
Ignaz galt seit Jahren als vermisst. Und die Spuren deuten auf ein Verbrechen hin!
Ein Mord in seinem Tal? Ludwig Sirch ist entsetzt und setzt alles daran, die Untat aufzuklären.
Dann kehrt auch noch Leni, die einzige Tochter des Toten, heim, um ihren Vater zu beerdigen. Niemand ahnt, wie schwer ihr dieser Gang fällt ...
»Die Berge werden auch immer steiler.« Schnaufend blieb Pankraz Burger stehen. Er stemmte die Daumen unter die Riemen seines Rucksacks und blickte mit gerunzelter Stirn den Pfad empor, der sich vor ihnen bergauf schlängelte.
»Wollen wir eine Rast machen?« Martin Burger blieb stehen und drehte sich um.
»Geh – und hier festfrieren?« Sein Vater schüttelte energisch das ergraute Haupt. »Bringen wir es hinter uns. Weit kann's ja nimmer sein, oder?«
»Etwa eine Stunde noch.«
»Eine Stunde.« Der Senior presste die Kiefer so fest aufeinander, dass es knirschte. »Die schaff' ich. Eine Stunde und fünf Minuten könnten ein Problem werden, aber eine Stunde ...« Er setzte sich wieder in Bewegung und grummelte leise vor sich hin. »Ich könnte schwören, dass der verflixte Aufstieg früher net so lang war.«
»Wollen wir lieber umkehren?«
»Und das ganze Knie-Schlottern war für die Katz? Kommt net infrage. Jetzt sind wir schon so weit gekommen ...« Pankraz beugte sich ein wenig vor und marschierte verbissen weiter.
Martin Burger gesellte sich zu ihm. Der Pfad, der vom Feldkopf weg in Richtung Gletscher führte, war so schmal, dass sie hintereinander laufen mussten. In weiten Kurven wand er sich den Berg hinauf. Hier heroben befanden sie sich über der Baumgrenze. Lediglich ein paar Latschenkiefern klammerten sich an den felsigen Untergrund und neigten sich im Wind, der über den Gipfelkamm heranfegte.
So weit oben war die Luft auch an einem wunderbaren Sommertag wie diesem kühl – und so klar, dass man weit über das ganze Zillertal hinwegschauen konnte. Die schroffen Gipfel zeichneten sich deutlich vor dem Blau des Himmels ab. Ein Rotmilan zog in großer Höhe seine Kreise. Gut erkennbar am gegabelten Schwanz und dem rötlich gefärbten Bauch.
Vor den beiden Wanderern stieg der Berg immer weiter an. Schnee sprenkelte den Hang, und je höher sie kamen, umso mehr wurde es.
»Hier oben ist es schön, hat es geheißen«, murmelte Pankraz, »eine traumhafte Aussicht, hat es geheißen.«
»Ist der Ausblick net idyllisch?«
»Doch, aber es ist halt Schnee. Den hab ich schon im Winter. Jetzt im Sommer ist mir das Grün lieber. Im Tal vergeht man fast vor lauter Hitze, aber hier heroben könnte man gut seine Steppjacke gebrauchen.« Der Siebenundsiebzigjährige schlang Armen um sich, um sich aufzuwärmen.
»Warte, ich hab meine Jacke im Rucksack. Die kannst du haben.«
»Da pass ich net rein«, brummte sein Vater. »Lass uns weitergehen, dann wird mir schon warm. Schön ist die Aussicht ja schon irgendwie. Außerdem waren wir viel zu lange nimmer unterwegs.«
»Das finde ich auch«, stimmte Martin Burger zu. »Die Arbeit in der Praxis wird net weniger.«
»Vor allem der Papierkram net, möchte ich annehmen.«
»Da sagst du was.« Martin Burger hatte die Landarztpraxis von seinem Vater übernommen. Genau wie dessen Liebe zu den Zillertaler Bergen.
Früher waren sie regelmäßig zusammen in die Berge gestiegen. Seitdem er verheiratet und selber Vater war, kamen sie nicht mehr so oft dazu, aber an diesem Tag war seine Frau mit den Kindern zum Schuhkauf nach Mayrhofen gefahren, die Sprechstunde war geschafft, und so wollten sie die Zeit nutzen und zum Gletscher an der Rosskopfscharte wandern. Weiter östlich ragte die Ahornspitze in den Himmel. Näher lagen Hexenstein und Feldkopf.
Martins Herz wurde weit, als er den Blick über das imposante Panorama schweifen ließ. Er liebte die Berge und konnte sich nicht mehr vorstellen, irgendwo anders zu leben.
Nach seinem Studium hatte er etliche Jahre in München gearbeitet und Erfahrungen in der Chirurgie gesammelt. Diese Zeit mochte er nicht missen, half ihm sein Wissen doch, seine Patienten bestmöglich zu versorgen.
Allerdings war er froh über seine Entscheidung, nach St. Christoph zurückzukehren. Er liebte seine Arbeit als Landarzt und tat, was er konnte, für die Menschen in seinem Dorf. Dafür nannten sie ihn dankbar »Bergdoktor«.
Sein Vater stapfte keuchend vorneweg. Bei ihrem Aufbruch im Dorf hatte das Thermometer gut und gern sechsunddreißig Grad angezeigt. Hier heroben konnte es kaum über vier, fünf Grad hinauskommen. Im kalten Wind fühlte es sich sogar noch kälter an.
»Zu schade, dass noch kein Lift hier heraufführt«, schnappte Pankraz Burger.
»Dann wäre der Weg keine Herausforderung mehr. Wo bliebe denn da der Spaß?«
»Richtig. Das ... Gekraxel ist ... unheimlich gspaßig ...«
»Mei, Vaterl, du schnaufst wie die Dampflokomotive der Zillertalbahn. Wollen wir net doch lieber umkehren?«
»Kommt überhaupt net ... infrage. Wenn schon net für meine Puste, sollte der Anstieg immerhin für mein Gewicht gut sein. Wenn ich heute net abnehme, weiß ich auch net. Da kann die Zenzi mir heute Abend mal net vorhalten, ich würde nix für mein Gewicht tun.«
»Hat sie dich wieder beim Naschen erwischt?«
»Und mir mit dem Nudelholz gedroht, wenn ich noch mal heimlich in der Nacht ihre Zimtschnecken verputze. Was soll ich denn machen, wenn ich net schlafen kann?«
»Einen Spaziergang?«
»Das wäre die zweite Option gewesen.« Pankraz schmunzelte. Es war kein Geheimnis, dass die Wirtschafterin im Doktorhaus eine spitze Zunge hatte, aber eben auch ein riesengroßes Herz. Sie sagte, was sie dachte, und tat alles für die Familie, zu der sie schon längst gehörte wie eine liebe Großmutter.
Sie wanderten weiter.
»Früher war der Gletscher an der Rosskopfscharte noch wesentlich größer«, erzählte Pankraz nachdenklich. »Da wären wir längst da. Ein alter Schmugglerpfad führte über den Gletscher. Hat damals so manchen Schmuggler das Leben gekostet, sein Glück dort zu versuchen.«
»Woher weißt du denn das? Haben wir etwa einen Schmuggler unter unseren Vorfahren?«
»Gut möglich. In alten Zeiten haben viele den mageren Ertrag ihrer Höfe ein bisserl aufgebessert. Das ist aber schon viele hundert Jahre her. Hab es für meine Chronik des Zillertals recherchiert.«
»Erzähl es mir, wenn du mehr herausfindest, ja? Falls einer unserer Urahnen ein Schmuggler war, würde mich das interessieren.«
»Mich auch. Bis jetzt hab ich darüber noch nix gefunden, aber ... Oh! Da! Schau, Martin!« Pankraz riss den rechten Arm nach oben und deutete voraus.
Tatsächlich zeichneten sich vor ihnen die Umrisse eines Steinbocks zwischen den Felsen ab. Er stand ganz still und schien unsicher zu sein, ob er in ihnen eine Gefahr sehen sollte oder nicht.
Ein paar Herzschläge lang rührte sich niemand von ihnen.
Dann sprang der Steinbock mit langen Sätzen davon und verschwand hinter der Kuppe.
»Also, ich könnte jetzt eine Brotzeit vertragen«, murmelte Pankraz.
»Zum Sitzen ist es ein bisserl ungemütlich. Der Wind ist recht kalt, aber ein Stück weiter oben kommt ein Felsvorsprung. Unter dem lässt es sich bestimmt aushalten.«
»Naa, bringen wir erst den Weg zum Gletscher hinter uns. Wenn ich mich einmal niederlasse, komme ich nimmer hoch. Und wenn doch, mag ich bestimmt net weiter bergauf kraxeln.«
»Also gut, dann nutzen wir unseren Schwung und gehen weiter.«
»Schwung ist gut«, brummte der Senior und stapfte weiter.
Eine Weile liefen sie schweigend, lauschten auf die Stille ringsum.
Bald breiteten sich Eis und Schnee in einer weiten Fläche vor ihnen aus.
Der Rossscharten-Gletscher!
Das Weiß glitzerte in der Sonne, als wäre es mit winzigen Diamanten übersät.
»Schön«, keuchte Pankraz. »Sehr schön sogar.« Er buckelte seinen Rucksack ab und holte einen Fotoapparat heraus. Den richtete er auf das Eis.
Martins Blick folgte ihm über die Schneefläche hinweg, als er plötzlich erstarrte. Da ragte etwas aus dem Weiß, das da nicht hingehörte.
Er furchte die Stirn und sah genauer hin, konnte aber keine Details erkennen. Also hob er das Fernglas an die Augen, das er an einem Riemen um seinen Hals trug.
Im nächsten Moment tat sein Herz einen schmerzhaften Satz.
»Um Himmels willen, Vater!«
»Was ist denn, Martin?«
»Da vorn!« Martin nahm das...




