Kufsteiner | Der Bergdoktor - Folge 1794 | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1794, 64 Seiten

Reihe: Der Bergdoktor

Kufsteiner Der Bergdoktor - Folge 1794

Ausritt durch den Winterwald
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-2231-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ausritt durch den Winterwald

E-Book, Deutsch, Band 1794, 64 Seiten

Reihe: Der Bergdoktor

ISBN: 978-3-7325-2231-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Dichter Nebel hüllt Romy ein. Sie blinzelt, sieht jedoch nichts als weiße Schlieren. Jemand raunt an ihrem Ohr: 'Halt durch, Romy! Hörst du mich? Ich bin es - Dr. Burger. Du musst durchhalten!'

Sie will etwas erwidern, aber nur ein Stöhnen kommt über ihre Lippen. Ihr Körper fühlt sich an wie eine einzige große Wunde. Warum liegt sie verletzt hier draußen im Schnee? Und warum färbt sich der Schnee rot? Sie kann sich nicht rühren, ohne unsägliche Schmerzen zu empfinden.

Da erinnert sie sich plötzlich wieder, dass Clemens sie zu einem romantischen Ausritt durch den Winterwald überredet hat. Und sie hat in ihrer Verliebtheit alle Warnungen ihres Vaters ignoriert und ist dem Mann, der schon einmal wegen seiner rasenden Eifersucht mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, in die Einsamkeit des tief verschneiten Waldes gefolgt ...

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»Da ist ein Anruf für dich, Clemens. Jemand möchte dich persönlich sprechen. Es hört sich dringend an.«

Clemens Stadler lockerte seine verspannten Schultern. Gedanklich war er noch im Unterricht. Der Hochzeitskurs war der erste Erfolg seiner neu eröffneten Tanzschule. Bei seiner Partnerin und ihm lernten die Brautpaare die wichtigsten Tanzschritte für den schönsten Tag in ihrem Leben.

Vor einem halben Jahr hatte die Scheune am Rand von St. Christoph noch leer gestanden. Früher waren hier landwirtschaftliche Geräte untergebracht gewesen, aber dann hatte der Besitzer eine größere Scheune gebaut und das Gebäude dem Verfall preisgegeben.

Es wäre inzwischen sicherlich eingestürzt, hätte Clemens sein Potential nicht erkannt und zugegriffen. Er hatte die Scheune gemietet und renoviert, um hier seine Tanzschule zu eröffnen.

Die meisten Arbeiten hatte er selbst erledigt, um Geld zu sparen: Er hatte gemalert, Parkett verlegt und deckenhohe Spiegel an den Wänden angebracht. Nur das Dach hatte er von einem Fachmann neu decken lassen, weil er nicht riskieren wollte, dass es im Winter unter der Schneelast zusammenbrach.

Inzwischen war die Tanzscheune nicht wiederzuerkennen: Zwei große Räume boten ausreichend Platz für den Unterricht. Clemens plante gemeinsam mit seiner Partnerin Romy Tanzkurse für Kinder, therapeutisches Tanzen und vieles mehr. Mit der Zeit würde die Tanzschule hoffentlich wachsen und sich etablieren. Entgegen den Vorhersagen der Zweifler, die glaubten, dass eine Tanzschule hier in den Bergen von vornherein zum Scheitern verurteilt war …

»Das Telefon, Clemens«, erinnerte Romy ihn. Lächelnd reichte sie ihm den Hörer, und sein Herz flog ihr zu wie ein Vogel ins Licht.

Mit ihren langen, dunklen Haaren und der grazilen Gestalt war Romy bildhübsch. Sie bewegte sich mit einer natürlichen Anmut, die die Tänzerin verriet.

Nach einer Ballettausbildung hatte sie jahrelang auf der Bühne gestanden, ehe sie beschlossen hatte, selbst Lehrerin zu werden und Tanz zu unterrichten. Clemens war ihr während eines Workshops begegnet und hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Ihre warmherzige Art und ihr offenes Lächeln hatten ihn bezaubert – und taten es noch. Manchmal konnte er kaum fassen, wie viel Glück er hatte, weil sie seine Gefühle erwiderte.

Sie hatten die Tanzschule gemeinsam gegründet und arbeiteten hart, um sich etwas aufzubauen. Romy wollte Ballettstunden für Kinder aus dem Dorf und der näheren Umgebung geben. Die ersten Anfragen lagen ihnen bereits vor. Clemens hoffte, dass die Stunden neben den Standardkursen ihr zweites Standbein werden würden.

Während er nun den Telefonhörer nahm, schweifte sein Blick aus dem Fenster. Draußen sank die Sonne bereits den Bergen im Westen entgegen.

Die verschneiten Hänge rings um das Dorf glitzerten, als wären sie mit winzigen Diamanten bestäubt. Der Winter hatte sein weißes Tuch über das Zillertal gebreitet und ließ es so friedlich wirken, dass Clemens die Brust weit wurde. Hier in den Bergen schien die Zeit langsamer zu vergehen als unten im Tal. Das war einer der Gründe, weshalb er so gern hier lebte. Der andere hieß Romy.

Die Tanzscheune stand am Rand ihres Heimatdorfes. Gleich dahinter begann der Wald. In der Dämmerung wagte sich manchmal das Wild hervor und kam bis an die Scheune heran. Clemens beobachtete die Rehe mit ihren Kitzen gern. Er hätte sich keinen schöneren Standort für seine Schule vorstellen können.

Plötzlich fiel ihm der Hörer in seiner Hand wieder ein. Er presste ihn ans Ohr und meldete sich.

»Stadler hier.«

»Griaß di, Clemens, hier ist die Elisabeth«, sagte eine rauchige Frauenstimme am anderen Ende der Verbindung.

»Wer?«, hakte er ratlos nach.

»Ich war mit meinem Verlobten in deinem Kurs.«

»Ja, richtig, du bist Lissy«, fiel es ihm ein. Er erinnerte sich vage an eine Bäuerin mit roten Locken, die einmal bei ihm gewesen, aber nach der ersten Unterrichtsstunde nicht wiedergekommen war. »Was kann ich für dich tun?«

»Ich wollte fragen, ob du auch Privatstunden gibst.«

»Privat? Du meinst, nur für deinen Verlobten und dich?«

»Na, nur für mich. Mein Verlobter macht sich nix aus dem Tanzen, deshalb kommt er auch nimmer mit in den Kurs. Ich würd gern allein mit dir üben.«

»Das lässt sich einrichten. Im nächsten Monat beginnt ein neuer Single-Tanzkurs. Soll ich dich dafür vormerken?«

»Das ist net ganz das, was ich mir vorgestellt hab. Ich hatte gehofft, wir wären unter uns.« Die Anruferin senkte die Stimme. »Ein Kurs für mich allein. Das wäre viel intimer, oder?«

Clemens runzelte die Stirn. Anscheinend dachte die Anruferin nicht an Tango oder Rumba, sondern an etwas ganz anderes.

»So etwas bieten wir net an«, erwiderte er ruhig und betonte das wir besonders, um deutlich zu machen, dass er bereits Teil eines Paares war. Romy war seine Partnerin – und das in mehr als einer Hinsicht. Sie arbeiteten gut zusammen, und er liebte sie von ganzem Herzen.

»Schade«, kam es kühl zurück. »Dann wende ich mich an die Tanzschule in Mayrhofen. Der Korbinian soll wesentlich entgegenkommender sein.«

Klick! Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte die Anruferin aufgelegt.

Clemens stellte das Telefon zurück in die Ladestation und runzelte die Stirn. Die Worte der Anruferin beschäftigten ihn.

Korbinian Kofler leitete ebenfalls eine Tanzschule und war seine größte Konkurrenz. In der vergangenen Woche hatte Korbinian die Preise für seine Kurse gesenkt und unterbot Clemens damit nun beträchtlich.

Clemens konnte nur hoffen, dass die Qualität seiner Kurse für sich sprechen würde, denn verschenken konnte er seine Arbeit nicht. Das wollte er auch nicht. Auf einen Preiskampf mit der Konkurrenz würde er sich auf keinen Fall einlassen. Korbinian war ohnehin schon im Vorteil, denn seine Tanzschule lag mitten in einer belebten Einkaufsstraße und nicht so abgelegen …

»Das gibt es net!« Romy hatte derweil den Stapel Briefe durchgeblättert, der an diesem Tag mit der Post gekommen war. Nun schaute sie bestürzt auf ein Schreiben in ihrer Hand nieder. »Das glaub ich jetzt net!«

»Was ist denn los?«

»Diese Nachricht ist von meinem Vater. Stell dir vor: Er hebt die Miete für die Scheune an!«

»Was sagst du da?« Clemens nahm ihr den Brief aus der Hand und überflog die wenigen Zeilen. Tatsächlich! Sie sollten für die Scheune fast ein Drittel mehr bezahlen, als ausgemacht gewesen war. Mit dem Hinweis, dass es noch andere Interessenten für das Objekt gab, endete das Schreiben.

»Was könnten das für andere Interessenten sein?«, grübelte Romy halblaut.

»Vermutlich Korbinian, der sich eine unliebsame Konkurrenz vom Hals schaffen will. Oder dein Vater hat sich das nur ausgedacht, um den Preis hochzutreiben. Aber damit wird er net durchkommen. Wir haben schließlich einen Vertrag mit ihm abgeschlossen.«

»Vorerst aber nur mündlich. Es ist noch nix unterschrieben. Mein Vater hat es immer rausgezögert, den Mietvertrag von seinem Anwalt aufsetzen zu lassen.«

»Jetzt wissen wir auch, warum. Vermutlich wollte er, dass wir mit der Renovierung so weit sind, dass es kein Zurück mehr gibt. Wenn wir unsere Zelte hier abbrechen, waren drei Monate Arbeit umsonst. Dein Vater weiß sicherlich, dass wir uns das net leisten können.«

»Wir können aber auch keine höhere Miete bezahlen. Vorerst jedenfalls net. Solange die Tanzschule noch net voll etabliert ist, kann uns jede Mehrausgabe in den Ruin treiben.«

»Womöglich ist genau das die Absicht deines Vaters. Er hat uns von Anfang an Knüppel zwischen die Beine geworfen«, grollte Clemens. Er spürte, wie Zorn in ihm aufstieg und sich ausbreitete wie ein Waldbrand.

»Das muss ein Irrtum sein«, glaubte Romy. »Mein Vater weiß, was die Tanzschule für uns bedeutet. Er würde uns net absichtlich schaden.«

»Mach die Augen auf, Romy. Das hat er gerade getan!« Clemens deutete auf den Brief.

»Dann werde ich mit ihm reden.«

»Das wird nix nutzen. Wenn es ums Geld geht, kennt dein Vater keine Verwandten. Vermutlich geht dieses Schreiben gegen mich. Er sieht es net gern, dass wir zusammenarbeiten.«

»Und was machen wir jetzt?« Romy biss sich auf die Unterlippe. »Was schlägst du vor?«

Clemens ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen den Impuls an, auf irgendetwas einzuschlagen. Wie ungerecht das war! Die Scheune gehörte Romys Vater. Sie hatten mit ihm eine Mietzahlung vereinbart, aber noch nichts unterschrieben, weil der Bauer den Vertrag immer wieder aufgeschoben hatte. Daran hatten sie sich nicht gestört, sondern sich auf sein Wort verlassen.

Das war ein Fehler gewesen! Offenbar wollte der Bauer nun seinen Vorteil aus ihrer Lage ziehen. Das war nicht recht! Nein! War es nicht!

Ein unbändiger Zorn breitete sich in Clemens aus und drohte jeden vernünftigen Gedanken auszulöschen. Er zitterte vor Empörung.

»Ich werde eine Runde laufen gehen und dabei nachdenken«, presste er hervor.

Romy nickte nur. Sie kannte ihn besser als irgendjemand sonst auf der Welt und wusste, wann er allein musste. Er hatte sich geschworen, seinem Jähzorn niemals wieder nachzugeben. Doch niemand, nicht einmal seine Liebste ahnte, wie schwer ihm das fiel. Und wie nah er oft daran war, auf dem schmalen Grat zwischen Vernunft und blindem Zorn zu straucheln und...



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