E-Book, Deutsch, Band 3, 335 Seiten
Reihe: Marcellus-Trilogie
Kuhn Marcellus - Blutgericht
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-945025-27-7
Verlag: Ammianus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Band 3
E-Book, Deutsch, Band 3, 335 Seiten
Reihe: Marcellus-Trilogie
ISBN: 978-3-945025-27-7
Verlag: Ammianus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mit dem Sieg über die Alamannen und Westgoten ist der Kampf um die Vorherrschaft im Nordwesten Europas entschieden. Jetzt bietet sich für Chlodwig die Gelegenheit, mit seinen Feinden abzurechnen. Und auch Marcellus steht am Scheideweg, um endlich Rache an alten Feinden zu nehmen oder ihnen zu vergeben. Unerreichte historische Authentizität trifft auf eine packende Geschichte um Treue und Rache: Realgeschichte pur! Mit "Blutgericht" ist die Trilogie um Marcellus abgeschlossen.
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Prolog Als die drei Männer in den Mönchskutten zu ihm herumfuhren, wusste Hunerich, dass es um sein Leben ging. Warum nur, schoss es ihm durch den Kopf, hatte er tiefer in die Nische zurückweichen wollen, anstatt ruhig an seinem Standort zu verharren? Und wie konnte er dabei den wackligen Schemel übersehen, auf dem dieses verfluchte Öllämpchen stand? Dem zunächst stehenden Mann war die Kapuze vom Kopf geglitten, so dass das in Büscheln abstehende Haupthaar und der fingerbreite Bartwuchs auf Wangen und Kinn zu sehen waren. Ohne Zweifel war es Chararich, den zu überwachen ihm aufgetragen worden war. Während der ehemalige König von Bononia hastig versuchte, sein Haupt wieder zu bedecken, stieß sein Nachbar einen erstickten Schrei aus. Der dritte Mönch hatte als erster die Fassung zurückgewonnen. Die dunklen Augen des untersetzten Mannes blitzten vor Mordlust, als er seinen Dolch unter der Kutte hervorschnellen ließ. Nur um Haaresbreite verfehlte die Waffe Hunerichs Kopf und bohrte sich in die Wandvertäfelung, wo sie zitternd stecken blieb. `Raus, nichts wie raus.´ Endlich hatte Hunerich sich gefangen. Mit einem Satz erreichte er die Schwelle und stürzte aus dem Raum. Von außen schlug er die Türe zu und wuchtete den an der Wand lehnenden Sperrbalken in die eisernen Wandhalterungen. Keinen Augenblick zu früh, denn er vernahm deutlich das Poltern von Fäusten auf den festgefügten Eichenbohlen. Hunerich raffte die härene Kutte bis zu den Knien, so dass die darunter versteckten Hosen zum Vorschein kamen und hastete durch den Zellengang dem Ausgang entgegen. Auch diesen verriegelte er und querte das Refektorium, wo ein einzelner Mönch die Hinterlassenschaften der Abendvesper beseitigte. Dem verdutzten Mann glitt ein Stapel irdener Teller aus den Händen, als der Flüchtende gegen seinen Ellenbogen stieß. Ein Teil des kostbaren Geschirrs zerschellte dabei mit einem Krachen auf den Granitplatten des Bodenbelages. In der Zwischenzeit hatte Hunerich den Hof erreicht. Kurz überlegte er, ob er in den Stall eilen und eines der Pferde satteln sollte. Sofort verwarf er den Gedanken, weil er dadurch zu viel Zeit verlieren würde. Stattdessen eilte er zur Pforte und versuchte, den Riegel zu öffnen. »Bruder Hunerich, was machst du da?«, wurde er von der Seite angerufen. »Ich muss hinaus. Man hat mich zu einem Kranken gerufen«, entgegnete Hunerich und machte sich weiter an der Türsicherung zu schaffen. »Der Abt hat es verboten«, ließ der zum Pfortendienst eingeteilte Mönch nicht locker. »Keiner darf das Kloster in der Dunkelheit verlassen.« Dabei trat er näher heran, um Hunerich zurückzuhalten. »Dummkopf!«, schrie der den Wächter an und schlug mit der Faust zu. Er hatte gut getroffen, denn der Mönch brach mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zusammen. Ohne sich um den ohnmächtigen Mitbruder zu kümmern, schlüpfte Hunerich hinaus und begann, wie noch nie in seinem Leben zu rennen. In weiten Sprüngen jagte er den Weg herab bis zur nahen Straße, verharrte kurz und lief ohne sich umzusehen in Richtung Norden. `Wenn sie mich verfolgen`, jagte es ihm durch den Kopf, `muss ich den Wald erreichen. Dort kann ich mich verstecken. Auf dem freien Feld in Richtung Parisia werden sie mich einholen. Und dann wird der mit dem finsteren Blick nachholen wollen, was ihm eben misslungen ist`. Dem Himmel sei Dank spendete der trübe Mond genug Licht, um das Kiesband der Straße und die nähere Umgebung zu erkennen. Er verhielt für einen Augenblick, als er die Schemen des nahen Waldes erkannte und schaute sich um. Dann begann er wieder zu laufen, bis Büsche und Bäume den Straßenrand in immer dichter werdendem Bewuchs säumten. Jetzt blieb er stehen, schaute sich noch einmal um und setzte mit einem Sprung über den Straßengraben. Wenige Augenblicke später war Hunerich nicht mehr zu sehen, da er sich in den Schutz der breit ausladenden Zweige einer Jungtanne gerollt hatte. Er keuchte, würgte und spuckte, bis sich der pochende Puls endlich beruhigt hatte. Dann lauschte er in Richtung der Straße, ob die Schritte der Verfolger schon nahten. Bis auf die Geräusche der Nacht blieb es jedoch ruhig. Er begann, seine Gedanken zu ordnen, die ihm in wirrer Folge durch den Kopf schossen. »Wer war das?«, fragte Farro, während er sich abmühte, seine Waffe aus der Wandvertäfelung zu ziehen. Erst als er das Heft mit aller Kraft nach oben und nach unten stieß, gab das Eichenholz die Klinge mit einem knirschenden Laut frei. Farro steckte die Waffe weg und drehte sich zu den beiden Mönchen um, die immer noch schreckensstarr in der Mitte des Raumes verhielten. »Wer war das?«, wiederholte er seine Frage. »Ich glaube, es war der, den sie Hunerich nennen«, stammelte Allowin und starrte auf seinen Vater Chararich, der sich mit der Rechten die Kapuze vom Kopf schob. »Der Kerl ist noch nicht lange hier, vielleicht einen Monat, und schleicht die ganze Zeit um uns herum.« »Ein Spitzel des Merowingers«, mutmaßte Farro tonlos. Dann fixierte er Chararich mit seinen Augen. Der wich dem Blick aus und zuckte nichtssagend mit den Schultern. »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.« »Wenn Chlodwig erfährt, dass du dir Haar und Bart wachsen lässt, wird er handeln. Er hat dich nicht umsonst scheren lassen. Ohne deine wallende Haarpracht hast du aufgehört, ein König zu sein. So wollen es die Gebräuche der Altvorderen. Kommt mit mir zu Ragnachar. Hier seit ihr eures Lebens nicht mehr sicher.« »Was sollen wir dort?«, antwortete Chararich verbittert. »Chlodwig wird meine Auslieferung verlangen.« Er fuhr sich mit der Rechten durch das sprießende Haupthaar und setzte eine entschlossene Miene auf. »Nein, Farro, wir bleiben hier. Der Merowinger wird nicht ewig leben. Er soll krank sein und er hat viele Feinde. Außerdem kann ihm jederzeit etwas im Gotenkrieg zustoßen. Wenn er stirbt oder gefangen wird, werde ich zu meinem Volk zurückkehren. Vielleicht sollte Ragnachar darüber nachdenken, ihm ein Unglück widerfahren zu lassen. Mir sind leider die Hände gebunden.« Farro lächelte und schüttelte geringschätzig den Kopf. »Du hast Angst um deine Schätze, wenn du dich in den Schutz Ragnachars begibst. Und du glaubst, beim Ableben des Merowingers zu kurz zu kommen. Deine Gier nach Gold hat dir schon oft genug den Hals gebrochen. Und, was Ragnachar denkt, geht dich nichts an.« »Das war einmal anders«, entgegnete Chararich scharf. Ihm missfiel der überhebliche Unterton in Farros Stimme. »Damals warst du auch noch König, Gleicher unter Gleichen. Heute bist du nichts als ein erbärmlicher Wurm, weggesperrt hinter Klostermauern. Und…« Farro betrachtete eingehend seine Fingerspitzen, ehe er fortfuhr. »Lass dir Bart und Haare scheren. Wenn Chlodwig dich so sieht, lässt er dir den Kopf vor die Füße legen.« »Vater«, ergriff Allowin erstmalig das Wort. »Wir sollten mit Farro gehen. Hunerich hat dich ohne Kapuze gesehen.« »Nur kurz«, entgegnete Chararich. »Und es war fast dunkel. Das wird Chlodwig und vor allem Chlothilde nicht reichen. Remigius auch nicht. Schere mir in Gottes Namen wieder das Haupt und es wird uns nichts geschehen. Dem Herrn im Himmel sei Dank, dass dein Dolch ihn verfehlt hat. Wie hättest du das dem Abt erklärt?« »Gar nicht«, erwiderte Farro. »Ich hätte das getan, was ich auch jetzt mache. Ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich zu König Ragnachar zurückkehre.« Farro gürtete sich und schlang den Mantel dichter um seinen Oberkörper. »Betet zu Gott oder den Göttern unserer Väter. Vielleicht hat Hunerich wirklich nichts gesehen. Ihr hört von mir.« In diesem Augenblick wurde von außen der Balken aus der Verankerung gezogen und die Türe öffnete sich. Schnell, ehe der erste Mönch die Schwelle überschritten hatte, zog sich Chararich die Kapuze über den Kopf und wich aus dem Licht der blakenden Öllampe in den Schatten der Zimmerecke zurück. Als der Mönch den Sperrbalken aus der Verankerung gewuchtet hatte und über die Schwelle treten wollte, wurde er rüde zur Seite gestoßen. Im Straucheln erkannte er den Mann, der behände über ihn hinweg setzte und in weiten Sprüngen zum Ausgang hetzte. Es war der dunkle Besucher, der am frühen Abend um Einlass begehrt hatte. Der Blick, den der Fremde ihm aus brennenden Augen zuwarf, ließ dem Mönch das Blut in den Adern gefrieren. Er wich an die Wand zurück und schlug das Zeichen des Kreuzes. Wie ein Schatten eilte Farro zum Stall, wo er seinen Rappen gelassen hatte. Ohne den Stallburschen auch nur eines Blickes zu würdigen, sattelte er sein Reittier, schwang sich in den Sattel und trabte durch den Hof auf die von Fackeln erleuchtete Pforte zu. Dort stieß er dem Pferd die Hacken in die Seiten, so dass es sich aufbäumte und wiehernd mit den Vorderhufen ausschlug. Die den Ausgang verstellende Menge kreischte und brachte sich mit hastigen Sprüngen in Sicherheit, während er zum Tor hinaussprengte. Flüche gellten ihm nach, als er die Straße erreichte und sein Pferd nach Norden in Richtung Cameracum lenkte. `Das war knapp`. Hunerich wischte sich den Schweiß ab, der ihm beim Gedanken an den Dolchwurf auf die Stirn getreten war. `Warum nur hatte er sich...