E-Book, Deutsch, Band 6, 100 Seiten
Reihe: Jakob Wolff - Hexenmeister
Kummer Jakob Wolff - Raubkunstjäger
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-945230-51-0
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
1945
E-Book, Deutsch, Band 6, 100 Seiten
Reihe: Jakob Wolff - Hexenmeister
ISBN: 978-3-945230-51-0
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"Raubkunstjäger" ist ein neuer Roman aus der Novellen-eBook-Mystery-Serie "Hexenmeister Jakob Wolff", die von Tanja Kummer entwickelt wurde. Dieser Teil spielt im Jahr 1945.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
3.
10. Mai 1945 Als Jakob erwachte, stöhnte er leidvoll, da ihn rasende Kopfschmerzen begrüßten. Er versuchte im Kopf zu addieren, wie viel er getrunken hatte. Doch selbst diese eigentlich einfache Aufgabe war an diesem Morgen unlösbar. Die Kapitulation der Wehrmacht war gestern den ganzen Tag über reichlich gefeiert worden. Niemand hatte die Soldaten diszipliniert. Es hatte Musik gegeben. Tanz. Alkohol. Kartenrunden und einfach nur Erleichterung. Jakob hatte kein Spielverderber sein wollen. Jetzt bereute er es, denn er fühlte sich nach übermäßigem Alkoholkonsum ziemlich oft schlecht und einsam. Und gab es einen Ort, an dem man noch einsamer sein konnte, als an der Front? Er bezweifelte es. Hier war man unter tausenden Gleichgesinnten, die sich alle nur eines wünschten: das Ende des Krieges, die Heimkehr zur Familie. Dabei drängte sich Jakob der Gedanke nach Lilo auf. Lieselotte Wagner. Eine rothaarige Schönheit. Seine Gefährtin in vergangenen Zeiten. Mit ihrer Liebe hatte sie ihn damals vor dem Tod bewahrt und unabsichtlich den Fluch geschaffen, der nun auf ihnen beiden lag. Denn Lilo alterte ebenfalls nicht. Zu Beginn hatten sie gemeinsam darum gekämpft, eine Beschwörung zu finden, welche den Fluch brechen konnte. Derzeit taten sie das auf getrennten Wegen. Ihre Liebe war eine recht komplizierte Sache. Obwohl sie einander liebten, und sich immer wieder das Leben gegenseitig gerettet hatten, so konnten sie doch nicht beieinanderbleiben. Jedenfalls nicht auf Dauer. Für gewöhnlich verloren sie sich dabei zwar aus den Augen, doch das Schicksal führte sie immer wieder zusammen. Im Augenblick aber war er sich nicht sicher, wo Lilo war. Er konnte nur hoffen, dass sie es geschafft hatte, in irgendeinem Land zu sein, wo Krieg, Leid und Hunger ihr nicht gefolgt waren. Glauben konnte er es jedoch nicht. Lilo war stur wie ein Esel und gute Ratschläge prallten an ihr ab. Lilo vermied unangenehme Situationen nicht, sondern suchte sie regelrecht. Und dabei vergaß sie allzu oft ihren Platz als Frau in dieser Welt, die von Männern regiert wurde. Oder ihre Sterblichkeit. Jakob seufzte leise, grinste aber zugleich. Himmel, wie sehr ich sie liebe, dachte er gepeinigt, weil sich sein Körper an die Annehmlichkeiten erinnerte, wenn er mit Lilo beisammen war. Und das war jetzt das Letzte, was er gebrauchen konnte. Darum lenkte er seine Gedanken in eine andere Richtung – weg von ihrem verführerischen Körper. Für gewöhnlich schaffte Lilo es jedes Mal auf’s Neue, immer mit heiler Haut aus brenzligen Situationen herauszukommen. Nicht ohne Kratzer oder blaue Flecken – aber lebend. Und gleich wie sehr er es sich wünschte, jedes Mal ihr Held zu sein, so war er doch dankbar dafür, dass sie es nicht nötig hatte, gerettet zu werden. Falls sie aber zu lange im Deutschen Reich gewesen war, dann fürchtete er das Schlimmste. Die Nazis waren bei ihren Säuberungen nicht gerade zimperlich vorgegangen. Und dann lag ihre Leiche womöglich in einem der zahlreichen Massengräbern. Eine frostige Gänsehaut legte sich über seine Arme und sein Herz setzte vor Entsetzen einen Schlag aus. Ja, sie waren unsterblich. Aber nicht in dem Sinne, wie man das Wort eigentlich benutzte. Der Fluch hielt ihn und Lilo in einer einjährigen Zeitschleife fest. Jedes Jahr im August musste er ein neues Menschenopfer bringen. Tat er es, durfte er leben. Tat er es nicht, dann würde er wohl sterben und bis zum Ende aller Zeit dem Teufel dienen. Und weil der Fluch eine Art von Zeitschleife war, alterten sie nicht. Allerdings, so hatten sie im Laufe der Jahrhunderte bemerkt, konnten sie erkranken oder sich verletzen. Und darum wahrscheinlich trotz des Fluches auch sterben. Sie waren dem Tod mehr als nur einmal knapp von der Schippe gesprungen und ewig würde ihnen das wohl kaum gelingen können. Nicht in diesen Zeiten. Jakob seufzte und brachte seine Gedanken zurück in das Hier. Der Krieg mit den Deutschen mochte zwar vorüber sein, doch nun ergaben sich neue Aufgaben. Das Entwaffnen der Wehrmacht, die Befreiung der Kriegsgefangenen … Er selbst war daran aber nicht mehr beteiligt. Sie hatten ihn tatsächlich als Dolmetscher akzeptiert. Er war jetzt ein Monuments Men. Ein Kunstschutzoffizier. Nun ja, irgendwie jedenfalls, da ihn nichts als seine Sprachkenntnisse qualifizierte. Natürlich hatte er schon viele Kunstschätze gesehen, war zum Teil sogar zugegen gewesen, als sie entstanden waren. Doch dieses Wissen konnte er mit niemanden teilen. Seine Einheit aber war dazu abgestellt, die versteckten Lager zu suchen und ihre Funde zu einem Collection Point zu transportieren. Und wie es der Zufall so wollte, gab es einen in München. Jetzt musste er also nur noch eine Lagerstätte finde und dafür sorgen, dass sie die Kunstgegenstände begleiten konnten. Eigentlich ein relativ simpler Plan, der für ihn persönlich mit der Wiederbeschaffung des Hexenhammers endete. Und ich werde das Buch finden, schwor er sich. »Aufstehen!«, brüllte Dr. Ryan Turk, als er in das Mannschaftszelt trat. »Abmarsch in zwanzig Minuten.« »Verpiss dich«, stöhnte George Wash und zog die Decke über den Kopf. Doch Turk war bereits wieder unterwegs. Er leitete ihre Gruppe, die zusammen mit Jakob derzeit aus fünf Mitgliedern bestand. Jakob sah zum Feldbett von Dr. George Wash. Er und Dr. Ryan Turk hatten in den Staaten gemeinsam Kunst studiert. Anschließend trennten sich ihre beruflichen Wege und George hatte sich auf europäische Kunst spezialisiert und die Lehrtätigkeit an einer Universität an der Ostküste aufgenommen. Ryan hingegen hatte in verschiedenen Museen und als unabhängiger Gutachter gearbeitet. Inzwischen war er Stellvertreter am Metropolitan Museum of Art. Jakob schätzte, dass Ryan und George wohl so Ende vierzig oder Anfang fünfzig waren. Und beide schienen offenbar noch immer befreundet. Körperlich betrachtet waren sie von durchschnittlicher Figur. George hatte dunkle Haare, dunkle Augen und auch einen dunklen Hauttyp. Er war gelegentlich aufbrausend und der Pessimist der Gruppe. Ryan war das absolute Gegenstück: ruhig und zielstrebig. Mit seiner irischen Abstammung, die sich nicht verleugnen ließ, hatte er rotblondes Haar und zahlreiche Sommersprossen in einem blassen Gesicht mit dunkelgrünen Augen auf den Weg bekommen. Dann gab es noch Pierre Dax. Der Mann war bereits wach und schnürte sich die Schuhe. Jakob war nicht ganz klar, wann Pierre zu den Monuments Men hinzugekommen war. Doch offenbar war er die Verbindung zur französischen Regierung. Der schlaksig schlanke Mann war jung, gerade mal Mitte Zwanzig und für den Militärdienst eigentlich untauglich, denn er hatte eine Verkrüppelung am rechten Bein. Seine Haarfarbe war ein Mittelbraun und die Haare waren etwas länger als bei seinen amerikanischen Kollegen, die diese raspelkurz trugen. Und Jakob konnte sehen, wie er sich gelegentlich genervt eine Strähne aus dem Gesicht streichen musste. Schneiden kam für ihn aber dennoch nicht in Frage. Jakob wusste noch über Pierre, dass dieser zuvor als Restaurator für Wandgemälde in Paris gearbeitet hatte. Jakob und er unterhielten sich nicht viel miteinander, da der Franzose ihm nicht zu vertrauen schien. Sie waren sich beide von Anfang an unsympathisch gewesen. Und dann war da noch Keith Grey. Der GI war vor vier Wochen zu ihrem Schutz abgestellt worden. Ein wirklich stiller, aber sehr sportlicher Typ mit adlerscharfen Augen und einem sechsten Sinn für gefährliche Situationen. Jakob mochte ihn. Denn der Mann sagte nicht viel, doch wenn er es tat, dann war es etwas Sinnvolles. Und natürlich hatte er gestern fast nichts getrunken, lag nun wartend auf seinem Feldbett, während sein Gepäck, ordentlich verzurrt, auf den Abmarsch wartete. Keith war von ihnen allen wohl das Sinnbild eines Amerikaners. Genau richtig groß, gute, muskulöse Figur, kantiges Gesicht und strahlende blaue Augen. Zuletzt war da nur noch er selbst: James Schmidt. Er war ziemlich groß, hatte dunkelblondes Haar, ein ovales Gesicht mit einer langen, flachen Nase und hohen Wangenknochen. Er war vieles, aber nicht besonders sportlich. Er trainierte lieber seinen Geist mit Sprachen und Wissen. Er war als Begleitschutz, Dolmetscher und Sanitäter zur Gruppe gekommen, nachdem er im Krankenhaus bei ihnen vorstellig geworden war. Zuerst hatte ihn Dr. George Turk zum Teufel gewünscht, war patzig und unfreundlich gewesen – lag ihr Kumpel doch auf dem OP-Tisch und kämpfte um sein Überleben. Nachdem es sich aber abzeichnete, dass ihr Kumpel wieder gesund werden würde, dies jedoch Monate dauern sollte, hatte Ryan ihn aufgesucht. »Jetzt pack endlich dein Zeug. Oder willst du hier Wurzeln schlagen?«, hatte er einfach gesagt, sich umgedreht und wäre wieder verschwunden gewesen, hätte Jakob nicht schon mit seiner gepackten Ausrüstung da gesessen und auf ihn gewartet. Seitdem waren sie unterwegs und folgten Gerüchten und Vermutungen auf der Suche nach versteckten Kunstschätzen. Jakob schwang sich vom Feldbett und kramte aus seiner privaten Medizintasche eine kleine Flasche. Davon schenkte er je einen Schluck in zwei Becher. Seinen trank er gleich leer. Mit dem anderen trat er zu George an das Feldbett und zog die Decke weg. Wortlos hielt er ihm das Trinkgefäß hin. »Was ist das?«, fragte George verwirrt. »Ich bin nicht krank.« »Ist was gegen den Kater«, sagte Jakob und sah die beiden anderen Männer an. »Noch jemand?« »Non«, zischte Pierre abweisend. Keith antwortete nicht. Stattdessen lag er reglos da und schlief mit offenen Augen, was auch irgendwie ein Nein war. George nahm endlich den Becher und...