E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Wishkeeper
Laban Wishkeeper, Band 2 - Die Reise nach Silversands
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-473-51263-8
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Wishkeeper
ISBN: 978-3-473-51263-8
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Barbara Laban studierte Sinologie und Japanologie in München, London und Taipei. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin, Therapeutin für chinesische Medizin und Studienleiterin in München und Amsterdam. Ihr Kinderbuchdebüt 'Im Zeichen des Mondfests' wurde 2012 mit dem Goldenen Pick ausgezeichnet. Seitdem schreibt sie auf Deutsch und Englisch Bücher für Kinder und Jugendliche. Barbara Laban lebt seit über fünfzehn Jahren mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in London.
Weitere Infos & Material
1
Lexis ganzer Körper kribbelte so sehr, dass sie nicht still sitzen konnte. Endlich war der Tag gekommen, auf den sie so sehnsüchtig gewartet hatte. Nur dass sie ihren Eltern nichts davon erzählen konnte, machte ihr schwer zu schaffen.
Ihr Vater hatte Frühstück gemacht und ihre Mutter saß bereits am Tisch. Das war ein gutes Zeichen. Wenn Benjamin Davis in London arbeitete und jeden Abend nach Hause kam, ging es seiner Frau etwas besser. Das hatte sich in der letzten Woche herausgestellt.
„Du strahlst vielleicht“, sagte Lexis Vater und schob einen Teller mit frischem Bananenbrot zu ihr hinüber, von dem Lexi hastig probierte, obwohl sie gar keinen Hunger hatte. „Hast du heute vielleicht etwas Besonderes vor?“
Lexi verschluckte sich und begann zu husten. Sie spürte, wie ihr Gesicht dabei feuerrot wurde, und ihr Vater reichte ihr ein Glas mit Wasser.
„Nein“, sagte Lexi so gelassen, wie sie nur konnte, „nichts Besonderes. Ich treffe mich im Park mit Milo und Talon. Wir wollen Fußball spielen.“ Sie aß mehr von dem süßen Bananenbrot, um ihren Eltern das Gefühl zu geben, dass es ein ganz normaler Morgen war.
„Die Jungen, die beide auf die Schule gleich um die Ecke gehen und von denen einer vor ein paar Tagen noch verschwunden war?“, fragte Benjamin Davis mit angestrengtem Lächeln. Auch Lisa Davis sah jetzt verwundert auf.
„Nur weil die beiden auf diese Schule gehen, die wir uns nicht leisten können, müssen sie ja nicht automatisch blöd sein“, rutschte es Lexi heraus.
Die Bemerkung tat ihr sofort leid. Ihr Vater machte sich natürlich Sorgen, weil die Sache mit Talons Verschwinden auch ihre Mutter ziemlich mitgenommen hatte. Wenn Papa wüsste, was sie heute vorhatte, würde er ihr sofort verbieten, in den Park zu gehen. Aber genau genommen würde er Lexi sowieso niemals glauben, was sie zu erzählen hatte.
Ihr Vater setzte sich neben sie und streichelte ihr über die Haare. „So habe ich das nicht gemeint und das weißt du auch. Mama und ich haben uns einfach ziemliche Sorgen gemacht, als Talon verschwunden war“, erklärte er mit angespannter Stimme.
„Es ist in Ordnung.“
Lexi und ihr Vater zuckten beide zusammen, als sie Mamas Stimme hörten. Lisa Davis sprach nämlich nur noch selten. Das war normal für jemanden, der so sehr unter seiner Traurigkeit litt, hatte die nette Hausärztin Lexi neulich erklärt. Doch das hatte Lexi nicht getröstet. Sie vermisste Mamas Stimme.
Der Satz, den ihre Mutter jetzt sagte, klang so leise und zittrig, als müsste sie viel Kraft für ihre Worte aufwenden. „Wenn Lexi heute in den Park will, um ihre Freunde zu treffen, soll sie das ruhig machen.“
Lexi und Benjamin Davis sahen sich einen Augenblick an, halb überrascht, halb glücklich. Dann stand Lexi auf und gab ihrer Mutter einen Kuss. Sie verdrängte schnell ihr schlechtes Gewissen wegen der Geheimnistuerei, ließ den Rest des Bananenbrots liegen und verabschiedete sich, bevor ihr Vater weitere Einwände vorbringen konnte.
Milo, Talon und Lexi wollten sich auf der Wiese vor dem Prinz Albert Memorial im Hyde Park treffen. So hatte es Lexi zumindest mit Milo abgesprochen, den sie in den letzten Tagen immer kurz auf der Fußballwiese neben dem großen Spielplatz getroffen hatte. Leider hatte ihr Vater sie dabei immer begleitet. Er hatte Milo freundlich ein paar Fragen gestellt und der hatte sie höflich beantwortet, aber Lexi wusste, wie ungern Milo über sich selbst redete.
Über seine Eltern, die kaum Zeit für ihn hatten. Über die riesige Schule mit ihren majestätischen Toren und den hohen Eisenzäunen, auf die er ging. Oder über das Haus, in dem er wohnte und das größer war als das Mietshaus, in dem Lexis und fünf weitere Familien lebten.
Lexis Vater war Journalist und spürte mit Sicherheit, dass Lexi und Milo ein gemeinsames Geheimnis hatten. Nur was das genau war, konnte er natürlich nicht mal erahnen.
Die Jungs waren weit und breit nicht zu sehen. Lexi ließ ihren Blick über die Wiese und die Schotterwege des Parks schweifen. Überall tummelten sich Kinder, die Ferien hatten, Touristen, die die Stadt besuchten, und Leute, die gerade eine Frühstückspause machten. Lexi setzte sich auf eine Bank, schloss die Augen, lauschte den Stimmen und dem Vogelgezwitscher und genoss die Sonne, die ihr Gesicht wärmte.
„Popcorn?“, flüsterte auf einmal jemand in ihr Ohr und sie fuhr erschrocken hoch. Ihr Herz machte einen Freudensprung, als sie sah, wer nun neben ihr auf der Bank saß, sie verschmitzt anblickte und sich mit einem Händchen durch seinen wilden lilafarbenen Haarschopf fuhr.
„Hope!“, rief Lexi und nahm den kleinen Crimson, der genauso strahlte wie sie, auf den Arm. „Ich habe dich schrecklich vermisst!“ Die fünf Tage, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, kamen ihr auf einmal wie Monate vor.
Der Crimson umschlang nun mit seinen Ärmchen ihren Hals. „Popcorn?“, fragte er erneut.
Lexi griff in ihren Rucksack und zog lachend eine Tüte hervor. Der Crimson riss sie auf und stopfte sich die weißen Flocken in den Mund. Lexi sah sich nervös um. Für andere Leute, die Hope natürlich nicht sehen konnten, musste es so aussehen, als schwebte die Tüte in der Luft und das Popcorn löste sich spurlos auf.
Lexi dagegen war eine Wishkeeperin und riesig stolz darauf. Sie konnte die Wesen, die aus den unerfüllten Wünschen von kleinen Kindern entstanden waren, genauso sehen, wie sie die Krähen sah, die auf der Wiese vor ihnen auf und ab hüpften, oder den Hund mit den Schlappohren, der den Schotterweg entlangjagte.
Und dann sah sie noch jemanden. „Milo! Talon!“, rief Lexi aufgeregt.
Die Jungs hatten es nicht eilig. Beide schlenderten auf sie zu, Hände in den Hosentaschen. Talon war immer noch so blass wie vor einer Woche. Die Sonne hatte ihm nicht mal Sommersprossen ins Gesicht gezaubert. Milo sah entspannt und lässig aus. Er grinste Lexi freundlich zu und hob die Hand. Er trug ein dunkles T-Shirt und eine helle Hose. Es kam Lexi vor, als würde sie ihn schon ewig kennen, nicht erst seit einer Woche. Einer Woche in der Menschenwelt, fuhr es ihr durch den Kopf. Als Wishkeeper und Wishkeeperin im verborgenen Land Everwish hatten sie natürlich mehr Zeit miteinander verbracht.
Hope ließ das Popcorn fallen und stürzte auf Talon zu. „Talon! Ich bin so aufgeregt!“
Nun waren die Jungs bei der Bank angekommen.
„Hope kann so viele neue Wörter!“, sagte Milo bewundernd und setzte sich neben Lexi.
Talon streichelte den Crimson. „Na ja“, sagte er, „es scheint hier etwas schneller zu gehen als in Everwish, aber eigentlich lernt er nur, was er will.“
...