E-Book, Deutsch, Band 6, 464 Seiten
Reihe: Ein Falck-Hedström-Krimi
Läckberg Meerjungfrau
4. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8437-0100-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 6, 464 Seiten
Reihe: Ein Falck-Hedström-Krimi
ISBN: 978-3-8437-0100-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Camilla Läckberg, Jahrgang 1974, stammt aus Fjällbacka. Sie hat weltweit über 40 Millionen Krimis und Thriller verkauft und ist Schwedens erfolgreichste Autorin. Mit ihrem Unternehmen »Invest In Her« fördert sie Projekte junger Frauen. Camilla Läckberg lebt mit ihrer Familie in Stockholm.
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Dickmops!«
»Musst du gerade sagen.« Bedeutungsvoll zeigte Anna auf Ericas nicht vorhandene Taille.
Genau wie Anna stellte Erica Falck sich seitlich vor den Spiegel. Tatsächlich. Himmel, war sie dick. Sie schien nur noch aus einem riesigen Bauch zu bestehen, an dem anstandshalber eine kleine Erica klebte. Was sie mit sich herumschleppte! Verglichen damit war sie in ihrer ersten Schwangerschaft ein Reh gewesen. Aber diesmal hatte sie schließlich zwei Babys im Bauch.
»Ich beneide dich wirklich nicht«, sagte Anna mit der schonungslosen Ehrlichkeit, zu der nur kleine Schwestern fähig sind.
»Danke schön.« Erica stupste sie mit dem Bauch an. Als Anna zum Gegenangriff überging, verloren beide das Gleichgewicht. Hilflos ruderten sie mit den Armen und ließen sich auf den Boden plumpsen.
»Das Ganze muss ein Scherz sein!« Erica wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. »So kann man doch nicht rumlaufen. Ich bin eine Mischung aus Barbapapa und dem Mann bei Monty Python, der platzt, nachdem er ein Pfefferminzplätzchen gegessen hat.«
»Ich werde dir ewig dankbar sein, dass du Zwillinge bekommst, denn ich fühle mich wie eine Elfe neben dir.«
»Keine Ursache.« Erica wollte wieder aufstehen, aber daraus wurde nichts.
»Warte, ich helfe dir«, bot Anna großzügig an, musste sich jedoch ebenfalls der Schwerkraft beugen und landete auf dem Hintern. In stummem Einverständnis blickten sich die Schwestern an und schrien wie aus einem Munde: »Dan!«
»Was ist denn?«, ertönte es aus dem Erdgeschoss.
»Wir kommen nicht hoch!«, brüllte Anna zurück.
»Was sagst du?«
Gemächlich stieg er die Treppe hinauf und ins Schlafzimmer.
»Was macht ihr denn da?«, grinste er, als er seine Lebensgefährtin und ihre Schwester auf dem Fußboden vor dem großen Spiegel erblickte.
»Wir kommen nicht hoch«, erklärte Erica so würdevoll wie möglich und reichte ihm die Hand.
»Moment, ich hole den Gabelstapler.« Dan machte kehrt.
»Freundchen!« Erica hob drohend den Zeigefinger, während Anna vor Lachen umkippte.
»Vielleicht geht es auch so.« Ächzend griff Dan nach Ericas Hand. »Eins, zwei … drei!«
»Die Töne kannst du dir sparen!«
Mühsam rappelte sich Erica auf.
»Mannomann, bist du dick!«
Erica versetzte ihm einen Hieb. »Das hast du schon hundertmal gesagt, und du bist nicht der Einzige, also verschone mich damit und konzentriere dich lieber auf den Dickmops an deiner Seite.«
»Mit dem größten Vergnügen.« Dan half auch Anna auf und gab ihr einen innigen Kuss.
»Macht das gefälligst zu Hause!« Erica boxte Dan in die Seite.
»Wir sind hier zu Hause.« Dan küsste Anna noch einmal.
»Können wir uns denn nun endlich mal dem eigentlichen Grund meines Kommens widmen?«
Erica öffnete den Kleiderschrank ihrer Schwester.
»Woher weißt du, dass ausgerechnet ich dir helfen könnte?« Anna watschelte hinter Erica her. »Ich habe nichts, was auch nur annähernd geräumig genug für dich ist.«
»Was soll ich denn bloß machen?« Erica schob einen Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite. »Heute Abend ist Christians Buchpremiere, und das Einzige, was mir noch passt, ist Majas Indianerzelt.«
»Irgendwas werden wir schon finden. Die Hose, die du anhast, sieht gut aus, und ich habe eine Bluse, die weit genug sein müsste. Mir war sie jedenfalls zu groß.«
Anna hielt ihr eine bestickte Tunika hin. Erica zog das T-Shirt aus und streifte sich mit Annas Hilfe die lilafarbene Tunika über den Kopf. Als sie ihren Leib hineinzwängte, musste sie zwar an das weihnachtliche Stopfen der Fleischwürste denken, aber es ging. Kritisch begutachtete sie das Ergebnis im Spiegel.
»Du siehst super aus«, sagte Anna. Erica grunzte nur.
Angesichts ihres derzeitigen Umfangs war »super« utopisch, aber sie sah ganz anständig, wenn nicht sogar schick aus.
»Das ist völlig okay.« Sie unternahm einen Versuch, sich selbst aus der Tunika zu winden, war aber auf Annas Hilfe angewiesen.
»Wo findet das Fest eigentlich statt?« Anna strich die Bluse glatt und hängte sie wieder auf einen Kleiderbügel.
»Im Stora Hotel.«
»Wie nett vom Verlag, das Erscheinen eines ersten Buchs zu feiern.« Anna ging in Richtung Treppe.
»Die sind total aus dem Häuschen. Wenn der Vorverkauf so toll anläuft, sind sie großzügig. Unsere Verlegerin hat mir erzählt, dass auch die Kritiken erfreulich sind.«
»Und wie findest du das Buch? Wenn es dir gar nicht gefiele, hättest du es dem Verlag wohl kaum empfohlen, aber wie gut ist es wirklich?«
»Es ist …« Vorsichtig tastete sich Erica dicht hinter ihrer Schwester die Treppenstufen hinunter. »Es ist geheimnisvoll. Dunkel und schön, beunruhigend und stark und … ja, irgendwie geheimnisvoll, ein besseres Wort fällt mir nicht ein.«
»Christian muss überglücklich sein.«
»Ja, doch.« Erica zog das Wort in die Länge und wandte sich gedankenverloren der Kaffeemaschine zu. Sie bewegte sich bei Anna wie zu Hause. »Wahrscheinlich schon, andererseits …« Während sie das Kaffeepulver in den Filter löffelte, musste sie sich aufs Zählen konzentrieren. »Er war unheimlich froh, als er einen Verlag gefunden hatte, aber die Arbeit an dem Buch scheint etwas in ihm aufgewühlt zu haben. So genau kenne ich ihn gar nicht. Keine Ahnung, warum er ausgerechnet mich gefragt hat, aber ich habe ihm natürlich geholfen. Ich schreibe zwar keine hochliterarischen Romane, aber ich habe Erfahrung mit der Überarbeitung meiner eigenen Manuskripte. Am Anfang lief es wunderbar und Christian war für jede Anregung offen. Gegen Ende reagierte er jedoch ziemlich zugeknöpft, wenn ich gewisse Dinge ansprach. Ich kann es nicht genau erklären. Er ist ein bisschen exzentrisch. Vielleicht ist das alles.«
»Dann hat er ja genau den richtigen Beruf ergriffen«, sagte Anna todernst. Erica drehte sich zu ihr um.
»Du findest mich also nicht nur dick, sondern auch exzentrisch?«
»Und zerstreut.« Anna deutete auf die Kaffeemaschine, die Erica gerade eingeschaltet hatte. »Es empfiehlt sich, Wasser einzufüllen.«
Die Maschine zischte, als wollte sie Anna beipflichten. Mit finsterem Blick schaltete Erica sie wieder ab.
Sie machte mechanisch ihren Haushalt. Sie hielt Teller und Besteck unter fließendes Wasser, stellte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine, klaubte die Essensreste aus dem Ausguss, spritzte ein paar Tropfen Spülmittel ins Becken und schrubbte es mit der Handbürste aus. Dann machte sie den Lappen nass, wrang ihn wieder aus und wischte den vollgekrümelten und klebrigen Küchentisch sauber.
»Mama, darf ich zu Sandra?« Die trotzige Miene der fünfzehnjährigen Elin ließ keinen Zweifel daran, dass sie mit einem Nein rechnete.
»Du weißt doch, dass das nicht geht. Heute Abend haben wir Besuch von Oma und Opa.«
»Die kommen in letzter Zeit ständig. Warum muss ich immer dabei sein?« Die Stimme steigerte sich zu diesem quengeligen Ton, den Cia kaum ertragen konnte.
»Weil sie dich und Ludvig sehen wollen. Sonst wären sie enttäuscht, das ist doch klar.«
»Aber es ist so langweilig hier! Außerdem fängt Oma immer an zu heulen, und dann schimpft Opa wieder mit ihr. Ich will zu Sandra. Die anderen kommen auch alle.«
»Jetzt übertreibst du aber.« Cia spülte den Lappen aus und hängte ihn über den Wasserhahn. »Ich glaube nicht, dass alle da sind. Du kannst ein andermal hingehen, wenn wir keinen Besuch haben.«
»Papa hätte es mir bestimmt erlaubt.«
Cia hatte das Gefühl, zu ersticken. Sie konnte nicht mehr. Diese Wut und der Trotz waren nicht auszuhalten. Magnus wäre damit fertig geworden. Er hätte mit der Situation und mit Elin umgehen können. Sie schaffte das nicht. Nicht allein.
»Papa ist aber nicht hier.«
»Wo ist er denn?«, schrie Elin. Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Ist er abgehauen? Wahrscheinlich hatte er dich und dein Gelaber satt, du … blöde Kuh.«
In Cias Kopf wurde es totenstill. Alle Geräusche waren auf einmal verstummt. Sie war nur noch von Nebel umgeben.
»Er ist tot.« Ihre eigene Stimme kam wie von weit her, als spräche eine Fremde.
Elin starrte sie an.
»Er ist tot«, wiederholte Cia. Auf einmal verspürte sie eine seltsame innere Ruhe, als würde sie sich und ihrer Tochter friedlich von oben zuschauen.
»Du lügst.« Elins Brustkorb hob und senkte sich, als wäre sie Dutzende von Kilometern gerannt.
»Ich lüge nicht. Die Polizei glaubt es auch. Und ich weiß, dass es so ist.« Während sie sich selbst die Worte aussprechen hörte, begriff sie, dass es die Wahrheit war. Bis zuletzt hatte sie sich dagegen gewehrt. Hatte sich an das letzte bisschen Hoffnung geklammert. Doch Magnus war tot.
»Woher willst du das wissen? Und wie kommt die Polizei darauf?«
»Er würde uns niemals verlassen.«
Elin bewegte den Kopf hin und her, als könnte sie den Gedanken abschütteln.
Doch Cia sah, dass auch ihre Tochter es wusste. Magnus würde seine Familie nicht im Stich lassen.
Sie ging die wenigen Schritte auf Elin zu und nahm sie in den Arm. Zuerst sperrte sich Elin gegen die Berührung, doch dann gab sie nach und erlaubte sich, wieder ein Kind zu sein. Während das Weinen immer heftiger wurde, strich Cia ihr über den Kopf.
»Pscht«,...