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E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Reihe: Penhaligon Verlag
Lambert T.I.M.E Stories - Jagd durch die Zeit
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-25638-8
Verlag: Penhaligon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der offizielle Roman zum preisgekrönten Brettspiel TIME Stories
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Reihe: Penhaligon Verlag
ISBN: 978-3-641-25638-8
Verlag: Penhaligon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Los Angeles 2014: Die ungestüme Tess Heiden, die als Patientin in der Psychiatrie einsitzt, erhält ein verlockendes Angebot. Wenn sie sich von einer im Geheimen operierenden Agentur anheuern lässt, kommt sie frei. Doch Tess ahnt nicht, dass dieses Angebot ein riskantes One-Way-Ticket ist. Denn das Geschäft der T.I.M.E Agency ist es, durch die Zeit zu reisen, und zwar von einer Raumstation im Jahr 2469 aus. Um als Agentin tödliche Missionen überleben zu können, muss Tess die brutalsten Tests bestehen. Doch niemand ist härter, gerissener und stärker als Agentin Heiden. Dann erfährt sie, dass die T.I.M.E Agency ein Geheimnis vor ihr verbirgt, und Tess setzt alles daran, es zu lüften ...
Nach seinem Studium der Filmwissenschaft entwickelte Christophe Lambert mehrere Kurzfilme und arbeitete für das Fernsehen. Außerdem hat er sich in seinem Heimatland Frankreich als Buchautor einen Namen gemacht und über ein Dutzend Romane verfasst, unter anderem im Jugendbuchbereich, aber auch in der Erwachsenenunterhaltung. Die Inspiration für seine Stoffe findet Lambert oft in den visionären Filmen seiner Jugend. Heute lehrt er an einer Pariser Schule im Bereich Audiovisuelle Kommunikation.
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Kapitel 1
23. Januar 2014
Die Limousine verlässt Los Angeles und sein Geschäftsviertel mit den starren Türmen unter einem schmutzigtrüben Himmel. Nach einer knappen Stunde Fahrt biegt der Wagen in einen Feldweg ein, der sich durch einen Canyon schlängelt wie ein trockenes Flussbett. Die Zufahrt zu diesem Schotterweg befindet sich dreihundert Meter südlich der Autobahn, verborgen hinter Gestrüpp. Kein Hinweisschild. Nichts. Man kann unmöglich zufällig darüberstolpern. Wer hier abbiegt, weiß, wohin er will.
Im Auto spricht niemand. Weder der Chauffeur à la »Men in Black«, mit Sonnenbrille auf der Nase und den Händen fest am Lenkrad, noch der Fahrgast auf der Rückbank, graue Schläfen, ein Schlipsträger, dessen Anzug vermutlich ein Vermögen gekostet hat. Man hört nur das leise Brummen der Klimaanlage und das samtige Schnurren des Motors. Der Fahrstil des Chauffeurs ist rund, entspannt fließend. Die Stoßdämpfer mildern die Schlaglöcher mühelos ab.
Die Limousine kommt in Sichtweite einer grünen Oase, einer regelrechten Enklave in der kargen Landschaft. Hinter einem Zaun erhebt sich ein großes, zweistöckiges Gebäude. Der Rasen ist sorgfältig gepflegt. Das Lispeln der automatischen Sprinkleranlage verrät das. Am Absperrgitter hängt ein Schild: »Psychiatrisches Institut Fatelmeyer, Privatgelände«.
Das Institut wirkt fast wie eine mexikanische Hacienda: ockerfarben gestrichene Mauern, umgeben von Bäumen. Es gibt sogar ein paar Palmen. Eine beinahe schon paradiesische Kulisse … wenn man von den Gittern vor den Fenstern absieht.
Der Chauffeur weist sich bei einem Wachmann mit Namensschild aus, dann fährt er langsam weiter und hält vor dem Eingang.
Auf der Eingangstreppe wartet ein Mann. Es ist Maximilien Fatelmeyer, der Leiter des Instituts. Er ist über fünfzig, mit schütterem Haar, und offenbar verzweifelt bemüht, sich mittels Höhensonne und Haartransplantaten flott zu halten. Er kämpft tapfer gegen den Untergang an – doch sein Schiff steht kurz vor dem Kentern. Fatelmeyer wartet, bis der Chauffeur seinem Gast die Tür geöffnet hat, dann kommt er mit einem breiten, fast schon unterwürfigen Lächeln näher.
»Mister Rusk, es ist mir eine Ehre. Und ein Vergnügen.«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, erwidert der Anzugträger.
Sein Gesichtsausdruck, wenn auch nicht offen feindselig, zeigt keine Spur von Liebenswürdigkeit. Händeschütteln. Der Direktor ist aufgeregt. Als private Einrichtung ist sein Institut nicht von staatlichen Zuschüssen abhängig, aber den Besuch einer so wichtigen Persönlichkeit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Victor Rusk ist seit 2009 der Sonderberater des Gesundheitsministeriums. Er hat bereits zwei Regierungsumbildungen überstanden. Man munkelt, er sei nicht aus dem Sattel zu werfen.
»Folgen Sie mir bitte.«
Die beiden Männer durchqueren den Innenhof, den ein Brunnen ziert, und betreten ein Foyer, wo – Temperaturschock – die voll aufgedrehte Klimaanlage mit der Backofenhitze der Wüste kontrastiert.
In der Nähe des Empfangs ist ein Büfett aufgebaut worden.
»Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Danke, aber ich habe nur wenig Zeit. Ich würde die Patientin gern so schnell wie möglich sehen.«
»Sehr gern. Die Zimmer der, sagen wir, ernsteren Fälle befinden sich im zweiten Stock.«
Peinliches Schweigen im Aufzug. Auch jetzt spricht Sonderberater Rusk nicht mehr als nötig – in diesem Fall: nichts.
Gedämpftes Klingeln. Türöffnung. Die beiden treten in einen Flur, der mit dem einladenden Außenbereich nichts mehr gemeinsam hat. Mauern von eisiger Nacktheit, dreckiger Linoleumboden. Es gibt nur ein Fenster, und das am anderen Ende: ein helles Rechteck am Ende des Tunnels, den die beiden nun entlanggehen. Die Türen links und rechts sind aus Metall, in einem Olivgrün gestrichen, das zu einer anderen Zeit vielleicht einmal an ein militärisches Kaki erinnert hat. Fatelmeyer bleibt vor der zweiten Tür stehen.
»Hier ist es.«
Rusk drückt das Auge gegen den Türspion. Durch das Fischaugen-Objektiv kann man das komplette Zimmer sehen, was angesichts des kleinen Raums keine Kunst ist. Ein Waschbecken aus rostfreiem Stahl. Ein Tisch. Ein Stuhl. Ein Schrank mit Vorhängeschloss. In einer der oberen Ecken hängt ein Fernseher, auf dem Zeichentrickfilme laufen. Die junge, rothaarige Frau auf dem fest vernieteten Bett schaltet sich träge durch die Sender. Sie trägt eine Art blauen Pyjama, der rau und hart aussieht und ihr viel zu groß ist.
»Tess Heiden«, teilt der Direktor mit.
Rusk wendet sich ihm zu.
»Ich möchte mit Miss Heiden sprechen. Unter vier Augen, wenn Sie erlauben. Können Sie das ermöglichen?«
»Dieses Versuchsprogramm, das Sie am Telefon erwähnt haben – darum geht es, ja?«
»Genau.«
»Ich wüsste gern ein wenig mehr, wenn das möglich ist.«
»Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, tut mir leid.«
Fatelmeyer wirkt wie ein kleiner Junge, dem man etwas wenig appetitlich Aussehendes zu essen angeboten hat.
»Es ist nämlich so … juristisch gesehen bin ich für diese Patientin verantwortlich.«
»Die Regierung wird Ihnen ein Entlastungsschreiben ausstellen. Das alles hier ist vollkommen legal. Was Ihre jährlichen Steuern angeht, werde ich sehen, was ich tun kann. Einrichtungen wie Ihre stehen unter zu hohem steuerlichem Druck, das ist mir bewusst. Ich halte mein Wort, Mister Fatelmeyer. Wenn Sie mir diesen Gefallen tun, werden Sie es nicht bereuen.«
Das Gesicht des Direktors entspannt sich.
»Sehr schön … Aber passen Sie auf. Sie kann manchmal …« Er sucht nach einem passenden Wort.
»Explosiv sein?«, versucht es Rusk.
Sein Gesprächspartner nickt zustimmend.
»Ja, das meine ich.«
Das Treffen findet in Fatelmeyers Büro statt. Schöne polierte Holzmöbel. Handgeknüpfte Navajo-Teppiche. Regale voll dicker Handbücher und Enzyklopädien und viele Diplome an den Wänden. Licht fällt durch ein großes Fenster von der Seite herein. Ein Ventilator verrührt träge die Luft unter der Decke, aber seine Funktion ist eher dekorativer als praktischer Natur, denn wie der Rest des Instituts ist natürlich auch das Büro klimatisiert.
Rusk setzt sich auf den Stuhl des Direktors. Mit einer Lesebrille auf der Nase wischt er sich nachlässig durch die Seiten auf seinem Tablet. Er trägt einen diskreten Ring mit tiefrot schimmerndem Stein an der rechten Hand, passend zum bordeauxroten Einstecktuch, das aus seiner Jacketttasche ragt. Als sich die Tür öffnet, hebt er den Blick nicht von seinem Display.
»Sie soll sich setzen, dann lassen Sie uns bitte allein.«
Fatelmeyer kommt Rusks Bitte nach. Er schätzt es nicht besonders, auf die Rolle des Lakais reduziert zu werden, aber wenn dafür eine Steuererleichterung herausspringt, kann er – ohne mit der Wimper zu zucken – die eine oder andere Kröte schlucken.
Die Tür schließt sich wieder. Die beiden sind allein.
Rusk liest aus einer Akte vor:
»Tess Heiden, zwanzig Jahre alt, 1993 geboren. Schwierige Kindheit. Die Mutter drogensüchtig. Mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen, genau wie Sie. Vater unbekannt … Im Alter von acht Jahren kamen Sie in eine Pflegefamilie, zu den Heidens, die Sie zwei Jahre später offiziell adoptierten, trotz Ihres, sagen wir … labilen Verhaltens. Ihre Adoptiveltern starben 2010 bei einem Verkehrsunfall …«
Keine Reaktion bei der hartnäckig schweigenden jungen Frau. Rusk fährt fort:
»Fan von Comics, Serien und anderen Albernheiten. Ein ›Geek‹, so sagt man ja wohl, nicht wahr? Von allen Schulen geflogen, die Sie besucht haben … Zweimal abgehauen. Nach dem Tod Ihrer Adoptiveltern waren Sie anderthalb Jahre obdachlos. Konsum weicher Drogen: Marihuana und Alkohol. Taschendiebstahl. Eine Verhaftung wegen …«
»Ist gut, ich kenne mein Leben, danke.«
Sie spricht mit der rauen Stimme einer Raucherin. Rusk legt eine Kunstpause ein und geruht schließlich doch, sie anzusehen. Eine schöne junge Frau, das lässt sich nicht leugnen. Nicht üppig, aber gut proportioniert, wenigstens soweit es das zu große Pyjamaoberteil erkennen lässt. Die roten Haare umrahmen ein Gesicht mit letzten Anflügen kindlicher Pausbäckigkeit. Die Lippen sind voll. Die Nase gerade und schmal. Und dann ist da dieser Blick aus kobaltblauen Augen, der ihn gerade mit der Schärfe eines Lasers scannt.
»Ich fahre fort«, erklärt Rusk kühl. »Sie sind intelligent. Den Vermerken hier nach sogar sehr intelligent. IQ von 150. Fotografisches oder eidetisches Gedächtnis: Sie können sich alles, was Sie sehen oder lesen, in Rekordzeit merken. Stimmt das alles?«
Tess rutscht auf ihrem Stuhl herum.
»Wollen Sie eine Vorführung à la Sherlock Holmes?«
Sie konzentriert sich wie ein Operettenfakir, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen, den Zeigefinger an den Nasenrücken gelegt.
»Angeber-Anzug, kleiner Ring, manikürte Fingernägel, und dann diese Art, am Ende jedes Wortschwalls leicht mit der Stimme nach oben zu gehen … Ich würde sagen, Sie sind eine Schwuchtel. Irre ich mich?«
»Sehr lustig. Vielleicht haben Sie Ihren Humor von Papa geerbt, das werden wir wohl nie erfahren … Anscheinend hat Ihnen Mama dagegen den Großteil ihrer Neurosen vererbt: Gewaltausbrüche, Dysphorie, selbstverletzendes Verhalten, eine Borderline-Persönlichkeit. Ein Selbstmordversuch … wegen dieser...