Landolt / Hensel | Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 479 Seiten

Landolt / Hensel Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen


2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2012
ISBN: 978-3-8409-2332-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

E-Book, Deutsch, 479 Seiten

ISBN: 978-3-8409-2332-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
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Kinder und Jugendliche können auf vielfältige Art und Weise psychisch traumatisiert werden. Körperliche und sexuelle Gewalt, Vernachlässigung, Unfälle, Naturkatastrophen und lebensbedrohliche Krankheiten gehören zu den häufigsten Ursachen. Ein bedeutender Teil der traumatisierten Kinder entwickelt psychische Störungen und Auffälligkeiten, welche einer spezifischen psychotherapeutischen Behandlung bedürfen. Wie aber kann solchen Kindern und Jugendlichen wirksam geholfen werden? Im vorliegenden Buch werden in einer umfassenden Übersicht die aktuellen Methoden der Traumatherapie im Kindes- und Jugendalter detailliert vorgestellt. Namhafte und erfahrene Vertreter der verschiedenen Therapieverfahren präsentieren die theoretischen Grundlagen, das therapeutische Vorgehen sowie den Stand der wissenschaftlichen Evidenz der einzelnen Methoden und illustrieren den Therapieansatz anhand von Fallbeispielen. Dargestellt werden sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungsansätze, wie beispielsweise die traumafokussierte kognitiv-behaviorale Therapie, EMDR, die Narrative Expositionstherapie für Kinder, die traumazentrierte Spieltherapie, die psychodynamisch imaginative Traumatherapie für Kinder. Die Neuauflage berücksichtigt aktuelle Themen wie die Konzeptualisierung und Behandlung komplexer Traumafolgestörungen im Kindesalter sowie Trauma und Bindung. Daneben wird die systemische Traumatherapie vorgestellt sowie die Anwendung der Traumatherapie im Kontext der Pädiatrie und der stationären Jugendhilfe beschrieben. Das Buch kann nicht nur von Psychotherapeuten mit Gewinn gelesen werden, sondern gibt auch allen anderen Fachpersonen, die mit traumatisierten Kindern arbeiten, wichtige Informationen zur Behandlung von Traumafolgestörungen.

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Weitere Infos & Material


1;Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen;1
1.1;Vorwort zur 2., aktualisierten und erweiterten Neuauflage;7
1.2;Vorwort zur 1. Auflage;8
1.3;Inhaltsverzeichnis;9
1.4;Teil A: Grundlagen;15
1.4.1;1 Grundlagen der Traumatherapie;17
1.4.2;2 Traumaspezifische Psychodiagnostik;36
1.4.3;3 Komplexe Traumafolgestörungen: Ist es sinnvoll, eine neue Diagnose „Entwicklungsbezogene Traumafolgestörung“ einzuführen?;48
1.4.4;4 Trauma und Bindung;61
1.5;Teil B: Verfahren;77
1.5.1;5 Trauma-fokussierte kognitiv-behaviorale Therapie;79
1.5.2;6 EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing);97
1.5.3;7 KIDNET – Narrative Expositionstherapie (NET) für Kinder;122
1.5.4;8 Traumabezogene Spieltherapie;152
1.5.5;9 Psychodynamisch basierte Traumatherapie mit Kindern;177
1.5.6;10 Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT);195
1.5.7;11 Die Mehrdimensionale Psychodynamische Traumatherapie in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen;225
1.5.8;12 Hypnotherapeutische Methoden der Traumatherapie im Kindesalter;245
1.5.9;13 Systemische Traumatherapie;263
1.5.10;14 Gruppenpsychotherapie mit (kriegs-)traumatisierten Kindern und Jugendlichen: Ein entwicklungs- und resilienzorientierter Ansatz;286
1.5.11;15 Pharmakotherapie;317
1.5.12;16 Moderne Methoden der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen Traumafolgestörungen;327
1.6;Teil C: Settings;343
1.6.1;17 Notfallpsychologische Interventionen;345
1.6.2;18 Traumatherapie im ambulanten Setting;371
1.6.3;19 Stationäre Behandlung traumatisierter Kinder und Jugendlicher;387
1.6.4;20 Psychotherapie von Traumafolgestörungen im Kontext der stationären Jugendhilfe;406
1.6.5;21 Traumatherapie im Kontext der Pädiatrie;443
1.7;Teil D: Fazit;457
1.7.1;22 Fazit und Ausblick;459
1.8;Autorenverzeichnis;467
1.9;Sachwortregister;475


Auch auf neuroanatomischer Ebene wurden bei Menschen mit Traumafolgestörungen typische Veränderungen beobachtet. Besonders gut untersucht sind die Amygdala sowie der Hippocampus, welcher eine wichtige Funktion bei komplexen Lernund Gedächtnisprozessen innehat, die bei traumatisierten Individuen oft beeinträchtigt sind. Studien mit modernen bildgebenden Verfahren haben gezeigt, dass Stress zu neuronalem Zelluntergang führen kann, der sich anatomisch in einer hippocampalen Atrophie und neuropsychologisch in verringerten Lernund Gedächtnisleistungen widerspiegeln kann (Carrion, Weems & Reiss, 2007; Carrion et al., 2010). Eine stressbedingte, hippocampale Atrophie könnte so dazu beitragen, dass traumaspezifische Reize nicht im expliziten Gedächtnis (Hippocampus), sondern im impliziten Gedächtnis (Amygdala) fragmentiert als zusammenhangslose Sinneseindrücke olfaktorischer, akustischer, visueller oder kinästhetischer Art gespeichert werden. Es stellt sich allerdings aufgrund von Forschungsbefunden die Frage, ob das Hippocampusvolumen tatsächlich aufgrund einer posttraumatischen Schädigung kleiner wird oder ob bei Individuen mit einer PTBS der Hippocampus vielleicht schon vorbestehend reduziert ist und damit einen Vulnerabilitätsfaktor darstellt (Gilbertson et al., 2002). Dies würde bedeuten, dass Menschen mit vorbestehend kleineren Hippocampi ein höheres Risiko für Traumafolgestörungen haben. Andere Studien zeigen, dass Kinder mit Traumafolgestörungen auch weitere neuroanatomische Auffälligkeiten zeigen, wie beispielsweise einen kleineren Corpus Callosum (Jackowski et al., 2008) oder Veränderungen im Präfrontalcortex (Richert et al., 2006). Dass solche, durch Traumatisierungen verursachten neuroanatomischen Veränderungen von hoher klinischer Langzeitrelevanz sind, konnte eine englische Forschergruppe jüngst nachweisen, indem sie zeigte, dass bei ehemaligen, in den ersten Monaten stark deprivierten und später nach England adoptierten Waisenkindern aus Rumänien im jungen Erwachsenenalter die rechte Amygdala signifikant vergrößert war (Metha et al., 2009). Es ist aufgrund dieser Studie zu befürchten, dass insbesondere frühe massive Erfahrungen von emotionaler und körperlicher Deprivation zu wahrscheinlich teilweise irreversibler Schädigungen des ZNS führen.

Basierend auf solchen neurobiologischen Befunden entstanden in der Psychotraumatologie in den letzten Jahren eine Reihe von pathogenetischen Modellen. Von diesen gewinnt das Modell der gestörten Informationswahrnehmung zunehmend an Akzeptanz (Berking et al., 2006; Flatten et al., 2003). Es wird dabei davon ausgegangen, dass Informationen ohne Bedrohungseinschätzung zentralnervös über die Kette Thalamus-Amygdala-Hippocampus-medialer präfrontaler Cortex ins explizite Gedächtnis und damit in einen Kontext von Ort, Zeit und Faktizität des Ereignisses eingeordnet werden. Die Einbettung in den Raum-Zeit-Kontext ermöglicht einerseits die Regulation von Stress und intensiven Gefühlen und bietet zudem die Möglichkeit einer narrativen Symbolisierung (Schauer et al., 2005). Werden Wahrnehmungen allerdings als (lebens)bedrohlich eingeschätzt und steht in der Situation keine adäquate Reaktionsweise zur Stressregulation zur Verfügung, wird die Informationskette zum präfrontalen Cortex unterbrochen und es kann keine Einordnung der Ereignisse stattfinden. Die Fähigkeit zur Emotionsregulation ist gestört. In der Folge bewirken Auslösereize (sog. Trigger), die den Betroffenen wieder an das traumatische Ereignisse erinnern, unkontrollierbare intrusive Gefühle, Bilder und Körperempfindungen und aktivieren ein Vermeidungsverhalten.

Leider gibt es zum jetztigen Zeitpunkt nur wenige Studien zur Traumabiologie im Kindesalter. Dies ist umso bedauernswerter, als davon ausgegangen werden muss, dass der sich entwickelnde kindliche Organismus und vor allem das kindliche Gehirn besonders vulnerabel auf chronische Stressoren sind und mit andauernden, teilweise sogar irreversiblen, neurobiologischen Abnormalitäten reagieren (Bremner, 2003; Metha et al., 2009; Pine, 2003; Yang et al., 2004). Schore (2001) gibt zu bedenken, dass wahrscheinlich die ersten drei Lebensjahre eine besonders kritische Entwicklungsperiode darstellen. In diesem Alter erfolgen die rasante Synapsenbildung und die erfahrungsabhägige Reifung wichtiger kortikaler Strukturen. Eine chronische Traumatisierung im frühen Alter beeinträchtigt für die kindliche Entwicklung fundamentale Organisationsprozesse wie Bindungsaufbau (Cicchetti & Beeghly, 1987), Affektregulation, Impulskontrolle und Aufbau eines integrierten Selbstempfindens.

1.2.3 Die Spannbreite von Traumafolgestörungen

Welche psychischen Phänomene als Folge einer traumatisierenden Erfahrung angesehen werden, hängt in hohem Maße von der theoretischen Orientierung des Betrachters ab. Während Ihle et al. (2005, S. 111) auf Grundlage eines Vulnerabilitäts(Diathese)-StressModells davon ausgehen, „dass nicht mehr als 10 % der Varianz von Indikatoren der psychischen Gesundheit durch die Kumulation von kritischen Lebensereignissen erklärt werden kann“, wird vonseiten traumaorientierter Forscher (Pappagallo et al., 2004) die hohe Komorbidität der PTBS mit anderen Störungen betont. So fanden beispielsweise Goenjian et al. (1995) nach einem Erdbeben eine Korrelation von r = .55 zwischen PTBS und depressiven Symptomen. Van der Kolk (2005) zitiert eine Untersuchung bei 204 sexuell und körperlich missbrauchten Kindern von Ackermann et al. (1998), nach der die PTBS (35 %) nur die vierthäufigste Diagnose nach Trennungsängstlichkeit (59 %), oppositionellem Verhalten (36 %) und Phobien (36 %) war. Kliniker weisen zudem immer wieder auf einen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Traumatisierung und einer ADHS-Symptomatik hin. Nach heutigem Forschungsstand weisen folgende Störungen eine hohe Komorbidität mit PTBS bei Kindern und Jugendlichen auf, was auch durch epidemiologische Studien bestätigt wird (Essau et al., 1999; Perkonigg et al., 2000):
• Depressive Störungen,
• Angststörungen,
• Störungen des Sozialverhaltens,
• Substanzabhängigkeit,
• Somatoforme Störungen.

Psychotraumatologische Konzepte und Erfahrungen legen allerdings nahe, dass es sich bei den bestehenden Komorbiditäten nicht um das funktionale Nebeneinander unabhängiger Krankheitsentitäten handelt. Behandlungsstudien zeigen, dass traumazentrierte Psychotherapie (für EMDR siehe Hensel, 2006) bei Kindern die Angstund Depressionssymptomatik signifikant verbessert, obwohl lediglich das zugrunde liegende traumatische Ereignis behandelt wurde. Neuere Konzepte, etwa von Maercker et al. (2007), betonen deshalb auch die Notwendigkeit einer diagnoseübergreifenden stressorbasierten Sichtweise, in der beispielsweise die prinzipielle Unterscheidung zwischen Anpassungsstörungen (ICD-10 F43.2x) und der posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) aufgehoben wird zugunsten einer einheitlichen Kategorisierung als Stressreaktionssyndrom („stress response syndrome“). In Kapitel 2 dieses Buches wird die heute gängige Klassifikation von Traumafolgestörungen näher dargestellt.

1.2.4 Altersspezifische Aspekte

Kinder nehmen mögliche Stressoren entsprechend ihres (kognitiven) Entwicklungsalters wahr und reagieren auf (traumatischen) Stress unterschiedlich. So mag ein dreijähriges Kind eine erzwungene Trennung von der Mutter als extremen Stress erleben, während es von einem Autounfall, bei dem keine wichtige Bezugsperson verletzt wurde, durchaus weniger beeindruckt sein kann. Studien zur Bedeutung des Alters für die Entwicklung posttraumatischer Belastungsstörungen ergeben keine konsistenten Befunde, wofür es zwei unterschiedliche entwicklungspsychopathologische Erklärungshypothesen gibt. Pynoos (1994) argumentiert, dass eine Traumatisierung im jüngeren Alter schwerwiegendere Auswirkungen auf die Entwicklung hat, weil das kleine Kind in dieser Entwicklungsphase besonders sensibel ist, auch in neurobiologischer Hinsicht. Jüngere Kinder würden demnach ein höheres Risiko für Traumafolgestörungen aufweisen. Bailly (1999) dagegen betont, dass der Stand der kognitiven und sprachlichen Entwicklung entscheidend für die Ausbildung von Traumafolgesymptomen ist. Das sehr junge Alter könne in diesem Zusammenhang protektiv wirken, da ein Teil potenziell traumatischer Ereignisse noch nicht als solche interpretiert werden. Aus heutiger Sicht ist es wahrscheinlich, dass der Einfluss des Alters auf die Ausbildung posttraumatischer Symptome von der Art des Traumas abhängig ist und deshalb nicht allgemein beschrieben werden kann.

Es ist heute unbestritten, dass Kinder schon vom ersten Lebensjahr an psychische Störungen infolge von stresshaften Erfahrungen entwickeln können. Diese Störungen sind jedoch in den aktuellen Diagnosesystemen aufgrund einer mangelnden Berücksichtigung des Entwicklungsaspekts nur ungenügend abgebildet. Für Vorschulkinder haben insbesondere Scheeringa und Kollegen (Scheeringa et al., 1995, 2003, 2005) zeigen können, dass die eigentlich auf Erwachsene zugeschnittenen Diagnosekriterien des DSM-IV-TR zu wenig sensitiv für diese Altersgruppe sind und haben aus diesem Grund Alternativkriterien entwickelt. Diese Kriterien sind ebenso wie ein altersspezifisches Erfassungsinstrument in der Zwischenzeit in deutscher Sprache erschienen (Graf et al., 2008). Auch diese Alternativkriterien haben in Ihrer Anwendbarkeit jedoch Grenzen, insbesondere bei sehr jungen und komplex interpersonell traumatisierten Kindern.

1.3 Traumazentrierte Psychotherapie

1.3.1 Rahmenbedingungen und Ziele

Ausgehend vom neurobiologischen Verständnis traumainduzierter psychischer Störungen muss Traumatherapie die zentralen kindlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, Trost und Kontrolle befriedigen und selbstwerterhöhende und handlungsaktivierende …


Thomas Hensel, Dr. phil., hat nach wenigen Semestern Unternehmensführung an der 'WHU - Otto Beisheim School of Management' bei Jesuiten sein Bakkalaureat in Philosophie gemacht. Nach einem Magister Artium in Philosophie wurde er in Kunstgeschichte promoviert. Derzeit ist er Studienrat im Hochschuldienst am Fachbereich Medienwissenschaft der Universität Siegen.



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