Lang | Das Blühen der Finsternis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Lang Das Blühen der Finsternis


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-946381-90-7
Verlag: Shadodex - Verlag der Schatten
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-946381-90-7
Verlag: Shadodex - Verlag der Schatten
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Camping, Bier und Rock ’n’ Roll – dafür steht das Monster-FM, ein legendäres Musikfestival. Bugneat, Brenda und Chad
genießen das Event in vollen Zügen. Doch als der Auftritt der Band Stretched näher rückt, werden sie Zeugen unheimlicher Vorkommnisse.

Der junge Rockstar Mickey Hutton, Gitarrist der Band Stretched, ist ein Ausnahmetalent. Die Ausdruckskraft seiner Musik gleicht einem gespenstischen Bann, der das Publikum in Ekstase versetzt. Sein Geheimnis ist ein Buch, aus dem Dämonen sprechen. Das ›Collum Hermes Trismegistos‹ entführt ihn auf eine Seelenreise, deren Ausgang im Ungewissen liegt. Was wird der Preis sein für das ultimative Rockkonzert, welches Mickeys Namen unsterblich machen soll?

Indessen gelangt der Dämonologe Doktor Price zu einer frappierenden Erkenntnis: Das sagenumwobene ›Collum Hermes Trismegistos‹, die verheerendste aller dämonischen Schriften, existiert tatsächlich. Er begibt sich auf die Jagd nach dem Buch. Doch er ist nicht der Einzige ...

Und Sie? Ja, Sie.
In diesem Moment halten Sie Mickey Huttons geheimes Buch in Ihren Händen. Sie können mit ihm lesen im ›Collum Hermes Trismegistos‹. Sind Sie bereit?

Lang Das Blühen der Finsternis jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kapitel 1


Hope – das war ein verschlafenes Nest, halb verloren im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Viele kleine Häuser mit Veranden, rechteckigen Gärten mit weißen Zaunpfählen, das Spiegelbild der abendlichen Glut in den Fenstern, wenn die Sonne hinter dem Tal verschwand. Hier kam der Strom noch aus Hochleitungen, die sich träge über die schnurgeraden Straßen zogen, von den baumgrünen Wohngegenden bis hinüber zum alten Industrieviertel mit seinen verlassenen Fabrikhallen, bröckeligem Asphalt und dem dreckigen Güterbahnhof. Der Verfall des Stahlpreises hatte das Gesicht der Stadt gezeichnet. Die alten Metallbetriebe, die das arthritische Skelett der Stadt waren, hingen am Tropf der staatlichen Subventionen. Die neuen Firmen residierten außerhalb entlang des Highways. Man konnte nicht behaupten, dass Hope so etwas wie ein Aushängeschild hatte. Es gab keine große Sportmannschaft, keine bekannten Persönlichkeiten, über die man auf Wikipedia hätte lesen können, und die Architektur war im sachlichen Stil der Siebzigerjahre stecken geblieben. Der Bahnhof mit gerade mal einem Kiosk-Container und tief zernarbten Holzbänken aus den Tagen der Prohibition galt sogar als der schäbigste in Mellow County. Die ganze Anlage wirkte ebenso provinziell wie die Streitigkeiten des Stadtrates über eine Erneuerung. Eine Station weiter, drüben in Eddisen, hatten sie ein brandneues Gebäude, das vor Glas und Stahl nur so blitzte. Dafür hatte Hope einen neuen Park – wenngleich niemand etwas damit anzufangen wusste. Die Leute waren nun mal vorstädtisch geprägt. Die meisten hatten ihr eigenes kleines Grün vor dem Haus, und so etwas will gehegt und gepflegt werden – nicht zuletzt aus rein repräsentativen Gründen. Aber vielleicht auch, um der Welt mit bescheidener Harmonie ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Und so schien es oft, als läge das Leben in Hope unbeweglich da; als schwebte die Zeit über der Stadt wie eine Wolke, die alles mit einem feinen Anachronismus berieselte.

In der Innenstadt gab es wenig Verkehr. Nicht einmal zu den Stoßzeiten, denn die meisten Fahrzeuge flossen vom Highway direkt in die einzelnen Stadtteile hinein. Die Autos, die man sah, fand man fein säuberlich geparkt am Straßenrand. Es gab keine nervösen Taxifahrer, kein schrilles Gehupe, keine fliegenden Schimpfwörter, keine zuckenden Neonlichter, Spielhallen, Diskotheken, keine Unruhe, die sich in den Nischen einer Skyline tummelt – nein, nicht in Hope. Pulsierende Urbanität war an diesem Ort nicht mehr als ein fernes Schauermärchen. In Hope hatte jegliche Urbanität die freundliche Mürbe von Pastelltönen angenommen.

Wer hätte ahnen sollen, dass ausgerechnet dieses Städtchen zum Austragungsort eines der größten Festivals zeitgenössischer Rockmusik werden sollte, wenn nicht einmal Ken Garwith es geahnt hatte. Denn vor dem Monster-FM hatte es nur Ken und dessen Gespür gegeben – was bis Mitte der Achtzigerjahre so gut wie gar nichts bedeutete. Damals hatte Garwith als Dienstbote beim lokalen Radiosender Hope Melody angeheuert. Hauptberuflich, so nannte Ken es jedenfalls der Tage, war er Roadie. Er arbeitete für Bands aus ganz Mellow, die meisten davon waren mittelklassige Rock- oder Punkbands, die solide Shows in Bars und Striplokalen abliefern konnten und hinterher sämtliche Schnapsbestände trockenlegten. Ken war immer der Mann für alles gewesen – von Schraubereien am Schlagzeug, dem Besaiten der Gitarren bis hin zum Bestatten von Whiskeyleichen. Sein Repertoire umfasste die gesamte Palette an kleinen Problemen, die im Leben einer Band so auftraten. Trotzdem fehlte ihnen allen etwas – genauer gesagt das gewisse Etwas: der feine Unterschied, ob das, was man tat, Kunst war oder nur das Abbild einer gewissen Geschicklichkeit, die man mehr oder minder zufällig an einem Instrument auslebte. Und Ken konnte das fühlen – von der ersten Sekunde an, von der er sie hörte. Aber bis dahin war es ihm recht egal. Er war ein glühender, wenngleich untalentierter Hobbymusiker, und von jedem dieser Typen konnte er sich den einen oder anderen Kniff abschauen. Vor allem von einem, dem einzigen wahren Künstler, für den er je die Saiten aufgespannt hatte: Joey Sola.

Anfangs war dieser Joey ein ruhiger, aber auch total verlotterter Kerl gewesen. Einer, von dem die Leute sagen, er könne nur Künstler oder Säufer werden. Joey hatte irgendwie beides hinbekommen. In seinen guten Jahren, Anfang der Achtzigerjahre, hatte er für einige talentierte Bands im Studio gearbeitet. Darunter Vertreter wie The Fresh Titans oder die Jungs von The Olliest aus Templeton, die, neben einer Tournee in Übersee, sogar einen Song in den Top 200 vorzuweisen hatten. Ken hatte den Gitarristen, den es damals von L.A. nach Mellow verschlagen hatte, für gerade noch zwei Jahre gekannt. Denn länger als bis zum Alter von siebenundzwanzig hatte Joey nicht durchgehalten – Todesursache unbestimmt, wie aus dem Nichts. Manche jedoch, die wenigen, die er bis zum Ende an sich heranließ, hatten seinen Tod auf eine unterschwellige Weise kommen gesehen; vielleicht so, wie man manchmal ein nahendes Unwetter in der Luft fühlt. Letzten Endes konnte niemand genau sagen, was die Veränderungen in Sola auslöste, oder ob es gar so etwas wie eine kausale Entwicklung hin zu seinem Tod gab.

Eines war für Ken jedoch klar: Joey war ein wahrer Künstler gewesen. Wenn er spielte, spielte er nicht einfach nur Gitarre. Er spielte die Gitarre mit sich selbst. Seine Zerrissenheit zwischen Sehnsüchten und Realität, sein Schmerz aus einer Kindheit zwischen Gewalt und Drogen – all dies hatte er nie in Worte fassen, jedoch aus seiner Fender holen können. Er vertonte Emotionen. Er konnte sie zuspitzen zu einem Bündel an berauschenden Gefühlen, konnte beim Hörer bis auf den Grund der Seele stoßen wie eine Fingerspitze, die in eine stille Wasseroberfläche tupft. Es war seine Magie, verborgene Gefühle, die in uns allen schlummern, anzurühren, sie mit den seinen schwingen zu lassen. Kein Schmerz war einsam vor der Musik von Joey Sola. Auch der geheimste nicht.

»Du musst eine Vision haben für jeden Ton«, hatte er einmal zu Ken gesagt.

Sie waren zusammengesessen, beide mit ihren Instrumenten.

»Hier, schau her!« Joey glitt mit dem Finger die Saite hinauf, um einen Ton zu greifen. Der Verstärker gab ihn als ein erstauntes Summen wieder.

Allein dieser einfache Griff hörte sich bei ihm schon an wie richtige Musik, fand Ken. »Ja, das ist stark«, sagte er.

Joey lachte sein schnoddriges, etwas dümmlich wirkendes Lachen. »Was ich meine, Kenny: Es reicht nicht, einfach so in einen Ton hineinzurutschen.«

Er wiederholte den Griff. Diesmal begannen seine Finger beim Greifen des Tons eine Schwingung aus dem Handgelenk auszuführen, und er zog die Schultern hoch, als der Sound aus dem Verstärker in einer intensiven, flehenden Färbung wimmerte. Ken hatte automatisch die Schultern mit hochgezogen.

Joey sagte: »Jeder Ton, den du spielst, ist dein Ton – er ist ein Teil von dir, du gibst ihn hinaus in die Welt. Und du kannst nicht unendlich viel geben. Also gib dein Bestes.«

Dann hob er die Gitarre an, verband drei schnelle Töne zu einem Jauler, ließ die Phrase die Tonleiter förmlich hinabpurzeln, bis er sie in einem immer schnelleren Abwärtsfall austrudeln ließ.

Ken sah ihn staunend an. Ihm fiel nichts darauf ein, er war überwältigt.

»Deine Greifhand, Mann«, sagte Joey. »Gib Leben in die Saiten! Lass sie schnaufen, lass sie keuchen, lass sie taumeln. Das ist die Einstellung, die du brauchst. Ansonsten machst du Schulchor, keinen Rock ’n’ Roll.«

Solche Dinge sagte er oft: Ansonsten machst du Schulchor. Oder auch: Ich mach dich Krankenhaus. … Das war Joey! Er war langsam, lachte bisweilen dümmlich und hatte eine kindliche Ausdrucksweise. Dafür war er ehrlich. Meistens betrunken oder stoned, aber ehrlich. Joey war okay, fand Ken. Er erzählte gern, dass er ihn kannte.

Was das Zwischenmenschliche betraf, veränderte Joey sich nicht. Seine Kontakte wurden nicht schlecht, sie wurden nur dünner, bruchstückhafter. Manchmal hörte man wochenlang nichts von ihm, bis er in irgendeinem Club auf der Bühne auftauchte.

Offensichtlich wurde die Veränderung bei seiner Musik. Natürlich spielte er die gleichen Songs, aber mit der Zeit bekamen sie ein dunkles, psychedelisches Flair. Seine Soli wurden zu Arien. Seine Intensität war nicht zu sagen unglaublich, doch zugleich überspannt von wachsender persönlicher Verzweiflung. Die Clubs wurden immer kleiner, die Gagen zerknüllte Bündel, die aus Hosentaschen gezogen wurden.

An einem Sonntagmorgen endete Joey Sola in seiner Badewanne.

Einmal, als Ken für ihn arbeitete, spielten sie mit einer Band in Blue Berry. Ken hatte mächtig zu tun gehabt, denn in dem hiesigen Club gab es eine kleine Bühne, die aufgebaut werden musste. Anderthalb Stunden hatte er Muttern festgezogen und Kabel verlegt. Zu Beginn der Show – er war gerade noch fertig geworden – saß er verschwitzt am Bartresen bei einem Light-Bier. Nach der zweiten oder dritten Nummer trat ein Typ neben ihn.

»Dieser Sola hat’s drauf. Daran gibt’s keinen Zweifel.«

Ken stimmte zu, drehte sich aber nicht zu dem Mann um, der weitersprach.

»Hab ihn schon letztes Jahr hier gesehen. Hatte das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Feiner Kerl. Kann saufen, als hätte er Kiemen im Hals.«

Ken wandte sich um. »Das kann man wohl sagen, das kann er.« Er sah, dass der andere etwa Anfang zwanzig war, gerade in seinem Alter.

»Stell dir vor«, sagte der andere, »wir hatten mal Frank...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.