E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Lang Hochzeitsglocken für Schwester Lilly
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7337-4995-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-4995-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lily könnte nicht glücklicher sein: Die Hochzeit mit Dr. Roger Neilson, dem Mann, den sie über alles liebt, steht kurz bevor. Doch seine Stiefmutter zerstört mit ihren bösen Verdächtigungen ihr Glück. Lily sieht nur einen Ausweg ...
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1. KAPITEL
Unerwartet klingelte es am Sonntagnachmittag. Hatte Roger früher Dienstschluss und seinen Schlüssel vergessen?
Lilly Page lief zur Tür und öffnete.
Vor ihr standen zwei Frauen, eine mittleren Alters, elegant und teuer gekleidet und sehr attraktiv mit ihrem modisch frisierten blonden Haar. Ihre Begleiterin war deutlich älter, genauso schick zurechtgemacht, aber stark geschminkt.
„Sind Sie Lilly?“, fragte die Jüngere, nachdem sie sie kritisch von oben bis unten gemustert hatte.
„Ja.“ Verwundert musterte sie die beiden Frauen.
Sie wirkten wie zwei exotische Vögel, die ihrem Käfig entflohen waren und sich nun in ungewohnter Umgebung wiederfanden. Als Lilly ihnen über die Schultern spähte, sah sie ein schnittiges silbergraues Cabrio am Straßenrand. Der Wagen hatte sicher einen Haufen Geld gekostet und war in diesem ruhigen, von alten Häusern beherrschten Stadtteil im Herzen von Toronto genauso fehl am Platz wie die beiden Besucherinnen.
„Ich bin Marie Neilson“, stellte sie sich vor, „und das ist meine Mutter Anthea. Ich bin Rogers Stiefmutter.“
„Oh“, antwortete Lilly überrascht. „Roger ist leider nicht da, er hat heute Abend Dienstbereitschaft im Krankenhaus. Er hat mir nicht gesagt, dass …“
„Schon gut“, unterbrach Marie Neilson sie. „Wir wissen, dass er arbeitet. Wir wollten mit Ihnen sprechen. Dürfen wir reinkommen?“
„Mit mir?“ Lilly betrachtete ihre Besucherinnen, spürte eine unterschwellige Feindseligkeit. Dann besann sie sich auf ihre Manieren. „Selbstverständlich, bitte.“ Sie trat zurück und zog die Tür weiter auf.
Als sie ins Wohnzimmer voranging, wurde sie das seltsame Gefühl nicht los, dass ihre kleine Welt der Liebe und Geborgenheit, die sie mit Roger teilte, von Eindringlingen bedroht wurde. Ihr Unbehagen verstärkte sich mit jedem Schritt, obwohl sie nicht hätte sagen können, warum. Roger und sie liebten sich, was konnte schon passieren?
Er hatte ihr von seiner Familie erzählt. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er vierzehn war, und er war bei seiner Mutter geblieben, verstand sich aber gut mit seinem Vater, der im Ölgeschäft viel Geld verdient hatte. All das ging ihr durch den Kopf, während sie überlegte, warum die beiden Frauen hier waren.
„Möchten Sie etwas trinken?“, bot sie an. „Tee oder einen Saft?“
„Nein, nichts, danke.“ Marie Neilson sah sich um. „Was wir Ihnen zu sagen haben, wird nicht lange dauern.“
Was hatte das zu bedeuten? Lilly wollte sich in ihrem Zuhause nicht von Fremden einschüchtern lassen, aber der verächtliche Tonfall und die unfreundlichen Mienen verursachten ihr Magenschmerzen. Die Art, wie die Frauen mit unverschämter Neugier die Möbel, die Bilder an den Wänden und die gerahmten Fotos betrachteten, zeugte nicht gerade von guter Kinderstube, hätte Lillys Mutter gesagt. Marie und Anthea mochten Geld haben, aber sicher kein Benehmen.
Ihr fiel ein, dass Roger alles darangesetzt hatte, um Medizin studieren zu können, weil er nicht ins Familienunternehmen einsteigen wollte, obwohl sein Vater dies von seinem einzigen Kind erwartet hatte.
„Bitte, nehmen Sie Platz.“ Lilly deutete auf das bequeme Sofa und war froh, dass ihr sparsam möbliertes Haus aus spätviktorianischer Zeit einen besonderen Charme ausstrahlte. Roger und sie hielten nichts von überladener Einrichtung. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Wir möchten gleich zur Sache kommen.“ Marie Neilson beugte sich vor und legte die Hände mit den perfekt lackierten roten Nägeln aneinander. „Wir wissen, dass Sie schwanger sind. Roger hat es seinem Vater erzählt … und ich habe es zufällig mit angehört.“
Lilly verschlug es die Sprache. Stumm sah sie die beiden an, suchte nach Worten. Jetzt erinnerte sie sich, dass Roger einmal erwähnt hatte, seine Stiefmutter Marie könne keine Kinder bekommen. Eine Tatsache, die sein Vater sehr bedauere und von der er vor der Hochzeit nichts gewusst hätte. Wie es aussah, hatte Marie, die aus einer wohlhabenden neureichen Familie stammte, ihn nach seiner Scheidung regelrecht umworben.
Maries Vater, ein Bauunternehmer, hatte sehr gut verdient, nachdem er auf die Idee gekommen war, halb verfallene Gewerbegebäude in wenig beliebten Gegenden von Toronto für einen Spottpreis aufzukaufen und in moderne Apartmentwohnungen umzuwandeln. Im kurz danach einsetzenden Immobilienboom wurden sie zu begehrten Objekten, und damit war er ein gemachter Mann geworden.
Roger hatte all das nebenbei erwähnt, und da Lilly sich für Geld nicht besonders interessierte, solange sie ihr Auskommen hatte, maß sie dem keine große Bedeutung bei. Jetzt schien sich da etwas zusammenzubrauen, was sie nicht in der Hand hatte.
„Ja … ich bekomme ein Kind“, sagte sie, bemüht, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Ich weiß allerdings nicht, was …“
„Ihnen ist sicher klar, dass Roger potenziell ein reicher junger Mann ist“, wurde sie wieder unterbrochen, „der nach dem Tod seines Vaters einen Großteil des immensen Familienvermögens erben wird.“
„Nein, das wusste ich nicht. Roger und ich haben nie über das Testament seines Vaters gesprochen, und ich weiß nur, dass sein Vater im Ölgeschäft …“
„Natürlich wissen Sie Bescheid!“ Zum ersten Mal meldete sich die Ältere zu Wort, genauso höhnisch wie ihre Tochter.
„Worum geht es eigentlich?“ Ihr klopfte das Herz im Hals. „Roger ist erwachsen. Er braucht Sie nicht, um seine Angelegenheiten zu regeln, falls es das ist, worauf Sie hinauswollen. Soweit ich weiß, erfreut sich sein Vater bester Gesundheit.“
„Roger ist ein Gentleman, das muss Ihnen von Anfang an bewusst gewesen sein“, zischte Anthea giftig. „Sie haben sich ausgerechnet, dass er Ihnen die Ehe anbieten würde und dann … Bingo! … würde das viele schöne Geld Ihnen gehören.“
Das war’s also. Die beiden dachten, sie wäre absichtlich schwanger geworden, um an Rogers Geld zu kommen. Lilly wurde übel. Wenn Roger nun dasselbe dachte?
Dann stieg Ärger in ihr auf. Niemand hatte das Recht, so mit ihr umzuspringen. „Meinen Sie? Ich habe noch nie Bingo gespielt und kenne die Regeln nicht.“
„Tun Sie bloß nicht so unschuldig!“, fauchte Anthea, puterrot im Gesicht. „Sie wissen genau, was für ein infames Spiel Sie ausgeheckt haben. Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen. Frauen wie Sie kenne ich zur Genüge!“
„Ma, beruhige dich.“ Marie legte ihrer Mutter die Hand auf den Arm.
Schockiert, fast ängstlich erlebte Lilly ein unangenehmes Déjà-vu. Sie schluckte und hob den Kopf, um sich nichts anmerken zu lassen. „Das würde mir nicht einmal im Traum einfallen“, erklärte sie betont ruhig. „Wie Sie wissen, ist Roger seit langem finanziell unabhängig. Wir haben … über die Schwangerschaft gesprochen und beschlossen, einfach zusammenzuleben … wie bisher.“
„Und wie lange?“, fragte Marie scharf nach. „Mit einem Kind werden Sie irgendwann heiraten.“
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Die Zukunft war bisher kein Thema, und wir sind einfach zufrieden mit dem, was wir jetzt haben. Außerdem geht unser Privatleben niemanden etwas an.“
„Zufrieden mit dem, was wir haben“, äffte Anthea sie nach. „Ist doch wohl klar, dass Sie ein berechnendes kleines Luder sind.“ Sie deutete auf die wenigen Möbel. „Sie haben nichts, aber auch gar nichts, und dann wollen Sie uns weismachen, dass Sie damit zufrieden sind?“
„Uns gefällt es. Wir lieben uns.“
„Liebe? Ha! In Ihrer Lage ist es einfach, von Liebe zu reden. Roger kann jede Frau haben, die er will, er muss nicht bei Ihnen bleiben. Wahrscheinlich wissen Sie genau, wie wenig Sie zu bieten haben, und jetzt, wo Sie schwanger sind, ist Roger ein willkommener Goldesel!“
„Was erlauben Sie sich!“ Lilly stand auf. „Diesen Unsinn höre ich mir nicht länger an. Ich muss Sie bitten zu gehen.“ Die beiden Frauen waren sitzen geblieben, sodass sie sich ihnen gegenüber im Vorteil fühlte. „Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter. Was interessiert es Sie, wen Roger heiratet? Er ist nicht Ihr Sohn.“
„Oh, eins verspreche ich Ihnen“, begann Marie eisig. „Wenn er Sie heiratet, werden wir dafür sorgen, dass er enterbt wird. Sie sollten unseren Einfluss auf seinen Vater nicht unterschätzen.“
„Na und? Roger braucht von zu Hause keine finanzielle Unterstützung, und ich kann auch selbst für meinen Lebensunterhalt sorgen.“
Aber ihre Stimme zitterte leicht, verriet ihre innere Anspannung. Lilly hatte das bedrückende Gefühl, im falschen Film zu sein. Nie zuvor hatte jemand sie als berechnendes Luder beschimpft.
„Eines Tages wird Roger heiraten“, sagte sie gefasst, obwohl sie die Frauen am liebsten angeschrien und hinausgeworfen hätte. „Wie wollen Sie ihn davon abhalten?“
„Natürlich gehe ich davon aus, dass er heiratet. Aber nicht Sie. Nicht jemanden, der ihn in eine Falle lockt, um an sein Geld zu kommen. Er braucht eine Frau, die ihr eigenes Vermögen mit in die Ehe bringt, eine, die ihm ebenbürtig ist.“
„Finden Sie das nicht ziemlich altmodisch?“
„Denken Sie, was Sie wollen, aber wir erwarten es von ihm.“
„Es liegt nicht in Ihrer Macht. Roger ist alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen.“
„Aber zu jung, um Vater zu werden. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.“
Lilly ging ein Licht auf. Ungläubig starrte sie die beiden Frauen an, die immer noch einträchtig auf dem Sofa saßen. Marie konnte keine Kinder bekommen und war noch nicht bereit für einen weiteren...