Langbein | ... nicht wie die Schafe zur Schlachtbank | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 496 Seiten

Langbein ... nicht wie die Schafe zur Schlachtbank

Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern 1938–1945
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-10-560897-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern 1938–1945

E-Book, Deutsch, 496 Seiten

ISBN: 978-3-10-560897-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Warum haben sich KZ-Häftlinge gegenüber ihren zahlenmäßig unterlegenen Bewachern nicht zur Wehr gesetzt? Stimmt es, daß sie sich statt dessen wie die Schafe zur Schlachtbank haben führen lassen? Diese oft gestellten Fragen werden von Hermann Langbein endgültig und differenziert beantwortet: Es gab Widerstandsversuche und -aktionen in großer Zahl. In jahrelangen Recherchen hat der Autor - selber ehemaliger Häftling in Dachau, Auschwitz und Neuengamme - alle erreichbaren Informationen zusammengetragen, nachgeprüft und miteinander verglichen. Entstanden ist daraus eine minutiöse Gesamtdarstellung des Widerstandes in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern im Zeitraum von 1938 bis 1945. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Hermann Langbein, geboren 1912 in Wien, war 1938 Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, wurde in französischen Lagern interniert, 1941 nach Dachau, später - 1942 - nach Auschwitz überstellt, wo er zwei Jahre verbringen mußte. Er war dort Leitungsmitglied der internationalen Widerstandsorganisation. 1944 bis zum Kriegsende war er Häftling in Neuengamme. Nach der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten war er Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees, später wurde er Sekretär des ?Comité International des Camps?. Hermann Langbein starb 1995 in Wien. In zahlreichen Publikationen hat er sich mit nationalsozialistischen Konzentrationslagern befaßt. Aus seiner Feder stammen u. a.: ?Die Stärkeren. Ein Bericht? (1949); ?Auschwitz - Zeugnisse und Berichte? (1962; zusammen mit H. G. Adler und Ella Lingens-Reiner); ?Der Auschwitz-Prozeß - eine Dokumentation? (1965); ?Menschen in Auschwitz? (1972).
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1. Einführung


Es liegt bereits eine umfangreiche Bibliothek vor, welche das Thema der nationalsozialistischen Konzentrationslager behandelt. Zwar sind viele Bücher unübersetzt geblieben, und nicht wenige fehlen selbst in Fachbibliotheken. Denn in den ersten Jahren nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus war eine internationale Kommunikation noch schwierig, und der Papiermangel dieser Zeit ließ nur kleine Auflagen zu. Dennoch ist auch die allgemein zugängliche Literatur selbst für einen Fachmann kaum überblickbar. Trotzdem ist das Thema noch nicht erschöpft.

Die nationalsozialistischen Konzentrationslager ermöglichen den besten Einblick darin, wie die Ideologie des deutschen Nationalsozialismus in die Praxis umgesetzt werden sollte. Denn auf diesem Gebiet war er bei der Realisierung seiner Pläne durch keinerlei Traditionen gehemmt, die sonst – wo er an bereits vorhandene Einrichtungen anzuknüpfen hatte – eine gewisse Beschränkung verursachten. Seine Konzentrationslager baute der Nationalsozialismus mit den von ihm ausgewählten und dafür ausgebildeten Menschen neu auf. In ihnen realisierte er die Konsequenz seiner Theorie von einer Herrenrasse und den Untermenschen: Die Ausrottung von Menschen, denen er auf Grund ihrer Abstammung das Lebensrecht abgesprochen und die er dem Ungeziefer gleichgestellt hat, das man ohne Skrupel vernichtet. Diejenigen, die darin geschult waren, das Giftgas Zyklon-B in die Gaskammern von Auschwitz einzuschütten, wurden offiziell als »Desinfektoren« bezeichnet.

Wenn der Massenmord auch erst im Jahr 1941 auf Insassen der Konzentrationslager ausgedehnt wurde – damals wurden invalide und »rassisch minderwertige« Häftlinge in »Euthanasie«-Anstalten verlegt und dort ermordet –, so waren diese Lager von Anfang an so eingerichtet, daß sie später bruchlos als Stätten dienen konnten, wo Massenmorde ohne Rücksicht auf Gesetze, die auch damals nicht außer Kraft gesetzt worden waren, organisiert wurden. Kein anderes faschistisches oder totalitäres System hat Völkermorde ideologisch begründet, vorbereitet und seinen Staatsapparat zur Durchführung eingesetzt. Das unterscheidet den deutschen Nationalsozialismus von allen anderen faschistischen Regimen. Deshalb sind auch seine Konzentrationslager – die Stätten dieser Massenvernichtung – nicht mit denen vergleichbar, die in anderen Ländern eingerichtet waren oder noch sind. Und deswegen befassen sich immer wieder nicht nur Überlebende dieser Lager, sondern auch Zeitgeschichtler, Psychologen, Soziologen, Schriftsteller und Künstler mit den Verhältnissen in diesen Lagern, die als »l’univers concentrationnaire« und als »SS-Staat« bezeichnet haben – als eine Welt für sich, aus der die natürlichen Gesetze jeder menschlichen Gesellschaft verbannt worden sind.

Jede Willkür, jede Laune konnte einem Häftling den Tod bringen, ohne daß auch nur danach gefragt wurde, weshalb er getötet worden ist. Wer in einem KZ am Leben gelassen wurde, ist eine Nummer geworden. Ihm sollte jeder Rest menschlicher Würde zerbrochen werden, er sollte zum willenlosen Objekt der Lagerleitung der SS verwandelt werden.

Das spiegelt sich in vielen nach der Befreiung der Lager veröffentlichten Berichten wider, als Überlebende das Bedürfnis hatten, ihre durchlittene Not hinauszuschreien. Für die nachgewachsenen Generationen ergab sich daraus häufig ein Klischeebild dieser Konzentrationslager, das ihnen unverständlich blieb. Kommen sie mit Überlebenden zusammen, dann suchen sie häufig das ihnen so Unverständliche mit Fragen zu ergründen, die nicht selten in der gipfeln: »Warum habt ihr euch wie Schafe zur Schlachtbank treiben lassen?«

Es ist zu wenig bekannt, daß einem unvorstellbar brutalen und total wirkenden Terrorsystem zum Trotz in den Konzentrationslagern Widerstand gegen die Tötung der Menschen und die Abtötung alles Menschlichen geleistet wurde, und zwar nicht nur individueller, sondern auch organisierter. Mögen manchem vielleicht die Erfolge dieser Tätigkeit gegenüber dem Ausmaß der Verbrechen der SS allzu gering erscheinen; daß so viele in allen Lagern, die ohne Hoffnung auf Hilfe von außen einem im vollen Wortsinn schrankenlosen Terror ausgeliefert waren, sich um einen Widerstand bemüht haben und sich davon weder durch nur zu oft wiederholende Enttäuschungen noch durch belastende Entscheidungen, die mit einer solchen Tätigkeit zwangsläufig verbunden waren, davon abhalten ließen – konnte man doch in aller Regel nur einigen helfen; suchte man diese aus, dann hat man auch darüber entschieden, wem man nicht zu helfen versuchte –, das ist ein überzeugender Beweis dafür, daß ein unmenschliches Regime zwar morden, aber menschliche Regungen der am Leben Gelassenen nicht völlig zertreten kann. Aus dieser Erfahrung schöpfe ich Optimismus. Diese Tatsachen sollen mit allen mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten und Problemen bekannter werden, als sie es bisher sind. Darum habe ich zum Thema meiner letzten Arbeit über die nationalsozialistischen Konzentrationslager den Widerstand in diesen Lagern gewählt.

Viele Episoden eines Widerstandes wurden bereits beschrieben. Eine zusammenfassende kritische Darstellung, die auch der mit ihm verbundenen Problematik nicht ausweicht, steht jedoch noch aus. Mannigfache Schwierigkeiten stellen sich einer solchen Beschreibung entgegen. Jemand, der nicht selbst die Welt der nationalsozialistischen Lager hat kennenlernen müssen, steht manchen Problemen verständnislos gegenüber. Für den, der selbst als Häftling im Lager war, ist es schwer, sich zur gebotenen wissenschaftlichen Distanz durchzuringen. Ferner hat jeder das Lager anders erlebt; daher unterscheiden sich auch Berichte und Erzählungen: Während einer aus eigener Erfahrung Episoden einer Widerstandsbewegung schildert, meint ein anderer, der zur gleichen Zeit in demselben Lager war, daß es dort keinerlei organisierte Widerstandstätigkeit gegeben hätte. Beschreibungen davon werden als nachträgliche Konstruktionen hingestellt, denn er hat nie von einer Widerstandstätigkeit erfahren, die so geheim als nur irgend möglich erfolgte. Schließlich liegen von manchen Aktionen unterschiedliche Darstellungen vor; nicht immer als Folge von Gedächtnisverschiebungen, sondern auch von persönlichen, politischen oder nationalen Gegensätzen, die es in den Lagern gegeben hat – und noch häufiger als Ergebnis nachträglicher Bemühungen, Verdienste für eine politische Richtung oder eine Nation zu reklamieren. Es schien deswegen geboten, sich noch zu Lebzeiten von Zeugen um eine zusammenfassende kritische Darstellung zu bemühen. Weisen Beschreibungen einzelner Episoden Widersprüche auf, so können diese befragt werden. Ich habe mehr als einmal erfahren müssen, wie sehr die Zeit drängte: Nicht wenigen kann ich nun nicht mehr dafür danken, daß sie mir aus ihrer Erfahrung Auskunft gegeben haben; in den Jahren, in denen ich an diesem Buch gearbeitet habe, sind sie gestorben.

Soll eine Darstellung des Widerstandes in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern auch kritischen Anforderungen entsprechen, dann darf man keiner Person oder Partei zu Gefallen Schönfärbereien übernehmen oder negative Bemerkungen unterdrücken. Man hat auch zu entscheiden, ob kritische Stimmen vielleicht deswegen unberücksichtigt bleiben sollen, weil diejenigen, auf die sie sich beziehen, wegen ihrer Widerstandstätigkeit von der SS ermordet worden sind. Ich glaube nicht, daß man sie übergehen darf, und habe sie daher zitiert. Der Respekt vor denjenigen, die zu allen mit einem Leben in einem Konzentrationslager verbundenen Gefahren bewußt auch noch die mit jeder Widerstandstätigkeit zwangsläufig verbundenen auf sich genommen haben, wird dadurch keineswegs gemindert. Aus historischer Sicht sind auch solche Stimmen von Bedeutung. Würde man sich scheuen, sie wiederzugeben, weil die Personen, auf die sie sich beziehen, ihr Leben im Lager haben lassen müssen, dann müßte schließlich auch jede Kritik an denjenigen deutschen Offizieren unterbleiben, die ihre privilegierte Stellung, ihr Leben und das ihrer Angehörigen bewußt aufs Spiel gesetzt haben, um Hitler am 20. Juli 1944 zu töten und damit den Krieg und seine Verbrechen zu beenden. Dann würde aber ein wichtiges Kapitel der Zeitgeschichte, aus dem so viel zu lernen ist, ungeschrieben bleiben.

In der vorliegenden Arbeit wurde das Thema eingegrenzt: Der Widerstand wird erst ab derjenigen Epoche beschrieben, als sich der Charakter der Lager durch die Einlieferung von Ausländern verändert hat. Damit soll nicht angedeutet werden, daß es vorher keinen Widerstand gegeben hätte oder dieser geringer zu werten sei. Er trug nur in den Jahren notwendigerweise einen anderen Charakter, in denen ausschließlich Deutsche in den Konzentrationslagern festgehalten wurden. Damals waren die Lager noch vergleichsweise klein und für die Lagerführung leichter überschaubar. Die SS hat auch noch nicht die Angehörigen verschiedener Nationen gegeneinander ausspielen können, um ihre Herrschaft zu festigen.

Als erste Ausländer wurden ab 2. April 1938 Österreicher in die Konzentrationslager eingeliefert. Allerdings veränderte sich damit der Charakter dieser Lager noch nicht, denn sie galten bei den Nationalsozialisten als Deutsche und blieben auch im KZ diesen gleichgestellt. Im Gefolge der Besetzung der Tschechoslowakei und vor allem nach Kriegsbeginn setzte der Zustrom von Angehörigen all der Nationen ein, die im Kriegsverlauf in die Gewalt des Nationalsozialismus gekommen waren,...


Langbein, Hermann
Hermann Langbein, geboren 1912 in Wien, war 1938 Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, wurde in französischen Lagern interniert, 1941 nach Dachau, später – 1942 – nach Auschwitz überstellt, wo er zwei Jahre verbringen mußte. Er war dort Leitungsmitglied der internationalen Widerstandsorganisation. 1944 bis zum Kriegsende war er Häftling in Neuengamme. Nach der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten war er Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees, später wurde er Sekretär des ›Comité International des Camps‹.
Hermann Langbein starb 1995 in Wien.
In zahlreichen Publikationen hat er sich mit nationalsozialistischen Konzentrationslagern befaßt. Aus seiner Feder stammen u. a.: ›Die Stärkeren. Ein Bericht‹ (1949); ›Auschwitz – Zeugnisse und Berichte‹ (1962; zusammen mit H. G. Adler und Ella Lingens-Reiner); ›Der Auschwitz-Prozeß – eine Dokumentation‹ (1965); ›Menschen in Auschwitz‹ (1972).

Hermann LangbeinHermann Langbein, geboren 1912 in Wien, war 1938 Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, wurde in französischen Lagern interniert, 1941 nach Dachau, später – 1942 – nach Auschwitz überstellt, wo er zwei Jahre verbringen mußte. Er war dort Leitungsmitglied der internationalen Widerstandsorganisation. 1944 bis zum Kriegsende war er Häftling in Neuengamme. Nach der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten war er Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees, später wurde er Sekretär des ›Comité International des Camps‹.
Hermann Langbein starb 1995 in Wien.
In zahlreichen Publikationen hat er sich mit nationalsozialistischen Konzentrationslagern befaßt. Aus seiner Feder stammen u. a.: ›Die Stärkeren. Ein Bericht‹ (1949); ›Auschwitz – Zeugnisse und Berichte‹ (1962; zusammen mit H. G. Adler und Ella Lingens-Reiner); ›Der Auschwitz-Prozeß – eine Dokumentation‹ (1965); ›Menschen in Auschwitz‹ (1972).



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