E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten
Lano Der Tod kennt verschwiegene Pfade
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95441-712-4
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman aus der Eifel
E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten
Reihe: Der Eifeler Dorfschmied ermittelt
ISBN: 978-3-95441-712-4
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dorfschmied Karl ermittelt wieder
Im heißen Sommer 1947 wird der Schmuggler Leopold Schilz im Wald bei Bitburg ermordet.
Es ist der erste Fall für Kriminalkommissar Peters als Beamter der neuen Polizei von Rheinland-Pfalz. Er ahnt, dass etwas Größeres hinter der Sache steckt, und heuert den Dorfschmied Karl Bermes an, der sich mit den Hintergründen des lukrativen Kaffeeschmuggels gut auskennt.
Karl wird in die Bande eingeschleust und nimmt an einer gefährlichen Tour teil, die von dem zwielichtigen Thomas Schwarz aus Bitburg angeführt wird. Auch der Tod scheint mitzumarschieren, und Karl muss bald erkennen, dass die Hintergründe des Falls wesentlich tiefer wurzeln als gedacht …
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PROLOG
Man konnte die Dämmerung am Horizont hinter den Bäumen erahnen. Das zarte Rosa reichte noch nicht aus, um den Wald wirklich zu erhellen. Sein schlimmes Bein meldete sich wie bei allen seinen Touren, die er in den letzten Monaten unternommen hatte, mit einem dumpfen Pochen. Seit der Ardennenoffensive steckte ein Splitter oberhalb des linken Knies. Und das, obwohl er nie hatte Soldat spielen müssen. Wegen seiner starken Kurzsichtigkeit war Leopold Schilz gleich zu Beginn des Krieges ausgemustert worden. Die Kriegszeit verlief für ihn halbwegs glimpflich. Bis die Wehrmacht im vorletzten Dezember auf die glorreiche Idee gekommen war, sich erneut auf den Weg nach Paris zu machen, dieses Mal im Winter. Leopold lebte damals auf dem elterlichen Aussiedlerhof in der Nähe von Waxweiler. Dort sammelten sich nun also wie bereits 1940 Unmengen an Soldaten und Militärmaterial. Die Truppen stürmten kurz vor Weihnachten 1944 mit viel Hurra los, nur um einige Wochen später endgültig geschlagen den Rückzug anzutreten. Der Hof lag auf einem Bergrücken über dem Tal der Prüm. Weil man von dort einen guten Überblick über die Gegend hatte, beschlossen einige sture deutsche Soldaten, an dieser Stelle höchstpersönlich den Endsieg zu erringen. Leopolds Bruder Erwin war bereits 1941 in Russland gefallen. Seine Eltern und seine Schwester Hedwig kamen beim finalen Angriff amerikanischer Panzer auf ihren Hof ums Leben. Leopold war im Kuhstall verschüttet worden. In seinem Bein steckte seitdem der verdammte Splitter. Im Lazarett in Prüm fand sich kein Chirurg, der das Metallstück entfernen konnte. Irgendwann schloss sich das Loch im Bein, und der Splitter gehörte nun wohl für immer zu Leopold. Das unregelmäßige Souvenir, das er unter der Haut ertasten konnte, bereitete ihm nur dann Probleme, wenn er lange gehen musste. Der Teufel liebte es anscheinend, den Menschen das Leben unnötig schwer zu machen. Denn das Gehen war zu Leopold Schilz’ Beruf geworden. Die schlechten Augen samt der ständig beschlagenen Brille hatten ihn nicht daran gehindert, selbst während des Krieges regelmäßig Ausflüge zur luxemburgischen Grenze, hoch bis Winterspelt oder runter nach Bitburg zu unternehmen. Freier konnte er sich nicht fühlen, als allein im Grün der Eifel unterwegs zu sein. Nachdem sein gewohntes Leben Anfang 1945 in einem Stahlgewitter untergegangen war, kam ihm dieses Steckenpferd unerwartet zupass. Es gab kaum einen Haupt-, Neben- oder Schleichweg in der Westeifel, den Leo über die Jahre nicht erkundet hatte. Nach seiner Entlassung aus dem Lazarett im Spätsommer 1945 schlug er sich mehr schlecht als recht durch die Nachkriegszeit. Vom Bauernhof waren nur Ruinen geblieben. Auf den Ämtern in Prüm, Bitburg oder bei den Franzosen erntete er nur Schulterzucken, wenn er dort wegen einer Entschädigung vorstellig wurde. Für Leopold lautete die Lehre daraus: Kümmere dich um dich selbst, es wird dir niemand helfen. Damit wusste er wegen der abgeschiedenen Lage seines Elternhauses umzugehen. Um sein Leben zu bestreiten, übernahm er bei Bauern rund um Waxweiler und Prüm alle Arten von Handlangertätigkeiten. Um die Kreisstadt machte man 1946 besser einen Bogen. Alle erwerbsfähigen Männer im Alter von sechzehn bis sechzig Jahren wurden dort verpflichtet, unentgeltlich Arbeitsdienste zu leisten. Anders wurde man der erheblichen Kriegszerstörungen durch Bomben und Artillerie nicht Herr. Bei Arbeitsverweigerung wurde die Lebensmittelkarte entzogen und der Name öffentlich bekanntgegeben. Diese Art der indirekten Zwangsarbeit widersprach Leopolds Drang nach Unabhängigkeit. Die Not dieser Monate prägte ihn nachhaltig, er war fest entschlossen, nie wieder zu hungern. Er pfiff auf alle Konventionen und Vorschriften, er hatte seinen eigenen Weg gefunden. Alles änderte sich, als Thomas Schwarz im Sommer 1946 eines Tages vor ihm stand. Während der gemeinsamen Zeit in der Volksschule von Waxweiler war Thomas einer der hartnäckigsten Peiniger Leos gewesen. Wegen dessen Brille mit Gläsern, die an die gewölbten Böden von Schnapsflaschen erinnerten, hatte Leopold in seiner Kindheit und Jugend zu spüren bekommen, was es bedeutete, ein Außenseiter zu sein. Ständig musste er sich neue Spitznamen gefallen lassen. Der Name, den Thomas ihm verpasst hatte und der schließlich hängen geblieben war, lautete: Lupen-Leo. Es dauerte also verständlicherweise ein wenig, bis Leo ernsthaft auf das hörte, was Thomas Schwarz ihm mitzuteilen hatte. Als er schließlich die Zusammenhänge verstand und erkannte, wie viel Profit in dem Transport der duftenden Bohnen und dem ein oder anderen Nebengeschäft lag, ging alles sehr schnell. Er übernahm die ersten Rucksäcke mit Ware und brachte sie sicher in den Süden der Eifel, von wo sie weiterverteilt wurden. Als Ausgleich für seine schlechten Augen besaß er einen außergewöhnlichen Orientierungssinn und das Gehör einer Katze. Immer wieder legten sich Zöllner im Wald auf die Lauer. Sie konnten sich allerdings nie leise genug verhalten, um Leopolds Aufmerksamkeit zu entgehen. Seine Schleichwege versah er mit ständig wechselnden Marken, denen nur er folgen konnte. Bei klaren Nächten gaben ihm die Sterne, die so hell schienen, dass er sie sehen konnte, zusätzliche Orientierung. Für die Fernsicht im Hellen trug er ein kleines Fernglas in seiner Jackentasche. Leopold hatte das Teil in den Ruinen des Schilz-Hofs gefunden, als Überbleibsel der Wehrmachtssoldaten, die dort ihr Leben für Führer, Volk und Vaterland gegeben und bei der Gelegenheit seine Familie ungefragt mitgenommen hatten. Der Rucksack schnitt in die Schultern ein. Dreißig Kilo Kaffee aus Belgien neigten dazu, mit jedem zurückgelegten Kilometer ein gewisses Eigenleben zu entwickeln. Hinter ihm folgten die drei Frauen, die diesmal als Trägerinnen eingeteilt worden waren. Bei den ersten Wanderungen durch die Nacht hatte er ausschließlich ältere Männer angeführt. Seit geraumer Zeit tauchten immer mehr Frauen auf, die sich für diese Arbeit interessierten. Die meisten jungen und starken Männer waren entweder gefallen oder hockten noch irgendwo in Gefangenenlagern. Jeder musste schauen, wo er blieb, egal ob Mann oder Frau. Diese Nacht waren es drei Frauen, die ihm stumm folgten. Es war bereits so dunkel gewesen, als die drei Grazien in der letzten Nacht zu ihm gestoßen waren, dass Leo sie nicht genauer in Augenschein nehmen konnte. Manchmal wurden Namen genannt, manchmal eben nicht. Aber Namen waren sowieso Schall und Rauch. Eigentlich hatte Andrej in dieser Nacht zusätzlich mit von der Partie sein sollen. Der elende Besserwisser stand unter dem Schutz von Thomas’ Chef. Trotzdem hatte Leo Andrej einfach stehen lassen. Niemand konnte ihm vorschreiben, wen er durch die Nacht zu führen hatte. Davon abgesehen hatte das dämliche Fuchsgesicht vor einigen Wochen etwas mitbekommen, das ihn überhaupt nichts anging. Es hatte ein klärendes Gespräch mit Thomas gebraucht, um Leopold davon abzuhalten, sich näher mit Andrej zu beschäftigen. Vor ihm wurden die Bäume weniger und die Büsche zahlreicher. Der einfachste Weg hätte in diesem Teil der Eifel entlang des Tals der Prüm nach Süden geführt. Leopold entschied sich für den schwierigeren Weg über den Koosbüsch. Die Zöllner waren meist nicht motiviert genug, sich im steilen Gelände zu verstecken und nach ihm und seinen Begleitern zu suchen. Zu ihren Füßen lag nun das Dörfchen Stahl in einem kleinen Talkessel. Am Horizont sah man im Dämmerlicht des anbrechenden Morgens die ersten Häuser von Bitburg. Gleich hinter dem Dorf befand sich in einem Seitental der Nims ein verlassener Bauernhof, der sein Ziel für diesen Tag sein sollte. Leopold blieb am Waldrand stehen. Die Frauen verhielten sich angemessen leise. Es war nichts Verdächtiges zu sehen oder zu hören. Leopold ließ den Rucksack vom Rücken gleiten, um an die zerbeulte Feldflasche zu kommen. Eine seiner Begleiterinnen fragte: »Sind wir da?« Leopold drehte sich in ihre Richtung, neben ihm stand eine verhärmte Frau mit angegrauten Haaren. Wie so viele andere war sie aufgrund der Kriegszeit und der damit einhergehenden komplizierten Lebensumstände vorzeitig gealtert. »Wir sind da, wenn ich sage, wir sind da.« Leopold schulterte den Rucksack. »Es ist nicht mehr weit. Ihr wartet hier, bis ich euch ein Zeichen gebe«, kommandierte er. Die Frau senkte devot den Kopf. So hatte das zu sein, die Frau sei dem Manne untertan, so stand es bereits in der Bibel. Und die Frauen waren sowieso alles Schlampen. Gut gelaunt setzte Leopold sich in Bewegung. Die Frauen traten einige Schritte zurück, wo sie mit dem Unterholz verschmolzen. Vorsichtig stieg er die restlichen gut hundert Meter ins Tal der Nims hinab. Hier gab es nicht mehr die Deckung durch die Bäume, weshalb er wesentlich umsichtiger voranschritt. Doch nun blieb er abrupt stehen. Vor dem verfallenen Gebäude stand ein Fahrzeug. Einen solchen VW-Schwimmkübelwagen hatte er das letzte Mal beim Aufmarsch zur Ardennenoffensive gesehen. Leopold trat nach links in den Schutz eines wild wuchernden Holunderbaums. Es saß jemand im Schwimmwagen. Dieser Jemand gähnte herzhaft und hob die Arme zu einem ausgiebigen Recken und Strecken in die Höhe. Der Mann stieg, um zu pinkeln. Leopold nahm das Fernglas, hob es vor die Brille und spähte zum Haus. Eines nach dem anderen überprüfte er die Fenster, die wie finstere, geometrische Löcher die bröckelige Fassade durchbrachen. Es gab keine abrupten Bewegungen oder etwa das verräterische Blitzen vom Metall eines Gewehres. Die Luft schien rein zu sein. ...