Lanz saemulanz | Der Herbsthimmel | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Lanz saemulanz Der Herbsthimmel

In jede Seele sich das Leben niederschreibt, für niemanden lesbar und doch verewigt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-347-29062-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

In jede Seele sich das Leben niederschreibt, für niemanden lesbar und doch verewigt

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-347-29062-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Herbsthimmel , 8 Erzählungen beschreiben Erfahrungen aus dem Alltag und geben Einblick in die Seelenkostüme verschiedener Menschen. Vom Leben und der Liebe, von Raum und Zeit, vom Aussergewöhnlichen des Alltäglichen ist die Rede .

saemulanz geboren 1953 lebt und arbeitet in Uetendorf/Thun. Nach seiner über vierzigjährigen Lehrtätigkeit schreibt er Texte und gestaltet Bilder. Man sagt er sei ein Künstler.
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Am Ende der Welt

Er erinnert sich an ihre erste Begegnung. Er steht mit Marc, dem Direktor des Gymnasiums am «Berg» bei der Lichtsignalanlage vor dem Restaurant «Du Nord». Die Ampel ist rot. Es dürfte vor einem Jahr gewesen sein. Aline kommt mit dem Fahrrad auf sie zu. Sie warten auf das Queren der vom Morgenverkehr stark befahrenen Strasse. Marc und Aline kennen sich. Sie haben sich länger nicht gesehen. Er wird als der neue Lehrer am Gymnasium vorgestellt. Tom. Man wird sich sehen. Nach dem üblichen «Wie geht’s?», beginnt Aline zu erzählen: von ihrer Ausbildung zur Bibliothekarin, davon, dass sie in die Bibliothek zurückkehrt, von ihrer Gluten-Unverträglichkeit, der Zöliakie, vom Chor, von der Jahresausstellung, von ihren Reisen.

Im «Du Nord»

Aline und Tom sitzen sich an einem Tisch gegenüber. Aline erhält Speisen ohne Mehl. Ein spezielles Dessert mit Schokolade. Tom nippt an einem Bier. Sie unterhalten sich mit ihren Tischnachbarn. Dazwischen immer wieder ein Augenkontakt. Ihre Blicke berühren ihn. Er ertappt sich beim Flirten. Die Zeit verfliegt im Nu. Beim Abschied gibt er mit drei Küssen und einer zarten Berührung ihres linken Ohrs mit den Fingern der rechten Hand seiner Zuneigung Ausdruck. Er glaubt in ihrem sanften Druck der rechten Hand auf seinem linken Oberarm eine Erwiderung zu spüren. Tom ist unsicher. Was geschieht ihm. Er weiss, dass sie Tee dem Kaffee vorzieht. Er weiss, dass sie roten Wein mag. Spanischen. Er weiss, dass sie Gluten nicht verträgt. Er weiss, dass sie sich gerne bewegt. Er weiss, dass sie Bücher liebt. Er weiss, dass sie braunblondes halblanges Haar trägt, dass der Scheitel, manchmal in der Mitte oder aber etwas nach links verschoben, ihre Haare teilt, dass sie sich mit einer anmutigen Bewegung die Haare aus dem Gesicht streicht. Er weiss, dass eine leichte Welle ihre Stirn akzentuiert. Dass sich ihre Stirn manchmal in Falten legt, dass unter ihren geschwungenen Brauen klare, ehrliche Augen glänzen, dass sie mit wenig Tusche ihre Wimpern unterstreicht. Dass ihn ihre Lippen an Sanddünen erinnern, die durch die diskrete Farbe leicht akzentuiert werden. Er weiss, dass sie gerne rote Pullover trägt, die den Blick auf ihren Hals und die Schultern freigeben. Diese Bilder erinnern ihn an sie. Immer wieder. Sein Wunsch, diese Bilder zu vertiefen, zu verfeinern, wächst.

Die Chorprobe

Tom begleitet Aline am Abend in die Chorprobe. Er hört ihre Stimme. Seine Augen folgen der Partitur. Er stimmt mit ein. Er singt den Bariton-Part. Vergisst, was um ihn herum passiert. Erfüllt vom Wohlklang des Gesangs. Ergriffen von der Traurigkeit der Bach-Kantate, der Leidenschaft des Liebesliedes von Mozart, der Heftigkeit der Hymne Beethovens.

Bei der Lichtsignalanlage stossen immer mehr Menschen zu ihnen.

In der Bibliothek

Tom sucht nach Möglichkeiten, sich mit Aline zu treffen. Ein gemeinsamer Pausenkaffee. Ein gemeinsames Mittagessen. Er besucht sie in der Bibliothek. Setzt sich neben sie. Er nimmt ihren Geruch wahr, saugt ihn förmlich ein. Am liebsten hätte er sie in seine Arme geschlossen. Jetzt weiss er auch, wie sie riecht. Ein kompletteres Bild der Bibliothekarin entsteht. Er geniesst es, mit ihr über die Bibliothek, über die zu bestellenden Buchtitel zu sprechen.

Die Reise nach Mainz

Tom war noch nie in Mainz. Er stellt sich vor, Aline zu begleiten, sich von ihr all die eindrücklichen Sehenswürdigkeiten zeigen zu lassen. Die Karte, die sie ihm beim Abschied auf dem Bahnhof zusammen mit den vier Lichtern geschenkt hat, trägt er in der linken Jackentasche. Er glaubt ihr dadurch näher zu sein. Naiv wie ein kleiner Junge. Sie reisst die golden glänzende Verpackung der Champagner-Truffes, die er ihr als Proviant mit auf die Reise gegeben hat, sorgfältig auf. Beisst sinnlich in eine der runden Kugeln und lässt die Schokolade auf ihrer Zunge, in ihrem Gaumen zergehen. Versüsst sich die Strapazen der Reise. In Mainz angekommen, macht sich Aline auf den Weg ins Hotel. Morgen wird sie das Gutenberg-Museum, die Chagall-Fenster und all die anderen Sehenswürdigkeiten besuchen. Tom kann nicht schlafen. Die ganze Zeit muss er an sie denken. Auch lesen kann er nicht. Er möchte mit ihr vor der Bibel Gutenbergs stehen. Mit ihr den Anblick der Bibel teilen. Mit ihr die gemalten Initialen bestaunen, die von Hand gemalten, reich verzierten Anfangsbuchstaben der Kapitel. Mit ihr die Buchdruckerei entdecken. In die Geburtsstätten ihres Paradieses, die Bibliotheken, eintauchen. Alles ist verzaubert. Er bummelt an ihrer Seite durch den Weihnachtsmarkt. Der heisse, süss-saure Glühwein erfüllt ihre Körper bis in die letzte Zelle mit einer durchdringenden Wärme. Die intensiven Farben der Dekorationen, die tiefgrünen Tannen, die Stechpalmen, geschmückt mit den rotgoldenen Kugeln, begleiten sie auf dem Weg zu den Kirchenfenstern von Chagall. Sie sitzen gemeinsam auf der harten Holzbank mitten im Kirchenschiff. Ihr Blick liegt auf den leuchtenden Farben. Sie sind bewegt von der empfundenen Unendlichkeit. Fasziniert davon, dem Geheimnisvollen, der Liebe etwas näher zu kommen. Aline fragt ihn in der Kathedrale nach seinen Gedanken. Nach seinen Gefühlen. Er streift ihre Haare zurück. Seine Lippen nähern sich ihrem linken Ohr. Er flüstert. Dass ihn die reichen kulturellen Schätze faszinieren. Dass ihn die Kathedrale aber immer auch an die Instrumentalisierung des Glaubens durch die Machtgierigen erinnert. Tom fällt es schwer, klare Gedanken zu fassen. Ihre Nähe macht ihn sprachlos. Er findet keine Worte, ihr zu sagen, wie er sich fühlt. Sie fehlen ihm auch, um ihr seinen Eindruck der wunderbaren Glasbilder zu beschreiben. Er glaubt, mit ihr an einem Wunder des Lebens teilhaben zu dürfen. Er empfindet Gefühle, die er seit Längerem vermisste. Sie verunsichern ihn. Er sitzt vor dem Bildschirm, beginnt zu schreiben. Hält ein, löscht das Geschriebene. Verharrt unverrichteter Dinge und verliert sich in Zeit und Raum in der Nacht. Am Morgen zurück in der Schule startet er im Lehrerzimmer seinen Computer. Öffnet das Mailprogramm. Er hofft, wagt es aber kaum zu glauben. Doch dann erscheint die Mailadresse, die ihm verrät: Aline hat ihm geschrieben. Er öffnet zuerst alle anderen Nachrichten. Liest, beantwortet oder löscht sie. Ihre Mail bewahrt er sich für den Schluss auf. Sie teilt ihm mit, dass sie sich auf den Mittwoch, ihr nächstes Date, freue. Er sitzt vor dem Bildschirm, will antworten. Einzelne Worte stellen sich ein. Sie überzeugen ihn nicht. Er löscht sie. Der Bildschirm bleibt leer. Er hat Angst, etwas Falsches zu schreiben.

Im Hallenbad

Es ist Mittwoch. Sie treffen sich im Hallenbad. Wenn sie wüsste, wie er das Schwimmen liebt, dass das Wasser sein Element ist, auch wenn er in einem Luftzeichen geboren ist. Er fühlt sich manchmal wie ein Seehund, stellt er sich vor. Taucht ab. Holt kurz Luft. Lässt sich durch die Wellen gleiten. Sie zieht konzentriert ihre Längen. Er schwimmt an ihrer Seite. Ganz nah, nur ein paar Tropfen trennen sie. Er hält sich zurück. Es fällt ihm nicht leicht. Wie schön es wäre, das Wasser zwischen ihren Körpern zu verdrängen. Die nasse Haut zu spüren. Sich mit sanften rhythmischen Bewegungen aneinander zu reiben.

Sie verpassen die Grüne Welle. Die Passanten ziehen an ihnen vorbei. Aline erzählt. Tom träumt weiter.

In der Jahresausstellung

Sie kommen zu früh in der Kunsthalle an, wärmen sich bei einem Cappuccino und einem Tee im nahe gelegenen Restaurant Kirchenfeld auf. An einem kleinen Tisch gleich rechts neben der Eingangstür finden sie Platz. Bekannte Gäste an den anderen Tischen stossen auf die bevorstehenden Feiertage an. Sie freuen sich, zum ersten Mal gemeinsam eine Ausstellung besuchen zu können. Sie liest ihm im «Bund» die Vorschau vor. Sie berichtet über die ausgewählten Künstlerinnen und Künstler, über deren Werke. Es seien noch nie so viele Frauen mit ihren Arbeiten vertreten gewesen. Junge, unbekannte Kunstschaffende seien neben vertrauten Namen zu entdecken. Die Malerei, die Zeichnung, aber auch die Fotografie seien angemessen vertreten. Der Artikel stimmt sie auf die Ausstellung ein. Sie bezahlen, lassen die gemütliche Gaststube zurück. Neugierig machen sie sich auf den Weg für neue gemeinsame Erfahrungen. Sie hakt sich mit dem linken Arm bei ihm ein. Durch die kahlen Äste der Bäume der Aareböschung blitzt das Licht des erleuchteten Münsters. Heute ist die längste Nacht. Die schwere Eichentür der Kunsthalle mit dem golden glänzenden Messingknauf öffnet sich, gewährt ihnen Einlass. Gut, dass sie etwas zu früh in die Kunsthalle am Brückenkopf der Kirchenfeldbrücke eintreten. So können sie noch etwas von den Kunstwerken sehen, bevor sie durch die vielen Leute verdeckt werden. Zwei bunte Gemälde mit geschwungenen Formen in intensiven Farben empfangen sie in der Eingangshalle. An der linken Wand hängen vier verschieden grosse Gemälde mit pastös aufgetragenen Farben, Malereien, in denen sich hinter...



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