Laschet | Europa im Schicksalsjahr | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Laschet Europa im Schicksalsjahr

Zwischenrufe zu Europa von Helmut Kohl, Angela Merkel, Martin Schulz, Reinhard Kardinal Marx, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk, Ulrich Grillo u.a.

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-80778-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wachsende Flüchtlingsströme, beängstigendes Erstarken rechter Parteien, fragile Finanz- und Wirtschaftssituation: Der Zusammenhalt Europas ist massiv gefährdet. Wo stehen wir? Welche Fehler werden gemacht? Was müssen wir dringend ändern? Gestalter europäischer Politik und der Kirchen geben ebenso wie frühere Karlspreisträger wichtige Denkanstöße zur Zukunft unseres Kontinents.
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»Die gute Seele Europas wiederentdecken«
Von Reinhard Kardinal Marx
»In dieser Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger in Europa Orientierung suchen, sendet seine Heiligkeit Papst Franziskus eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung aus […].« Mit diesen Worten begründet das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen die diesjährige Vergabe des renommierten Preises für Verdienste um die Europäische Einigung an Papst Franziskus. Mit dieser Wortwahl orientiert sich das Direktorium an der Rede des Papstes am 26. November 2014 vor dem Europäischen Parlament, als Franziskus nicht nur zu den gewählten Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger in der EU sprach, sondern sich an alle Menschen wandte: »Indem ich mich heute an Sie wende, möchte ich aufgrund meiner Berufung zum Hirten an alle europäischen Bürger eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung richten«. Die Reden vor dem Europäischen Parlament und dem Europarat in Straßburg sind bislang die wichtigsten Ausführungen Franziskus’ zur Europäischen Einigung. Die Erwartungen im Vorfeld seiner Rede vor dem Europaparlament waren hoch. Welche Botschaft würde der Lateinamerikaner, der seit Jahrhunderten erste nicht aus Europa stammende Nachfolger Petri, der »Papst vom Ende der Welt« für Europa bereithalten? Würde der Sohn von Auswanderern, die Europa auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen hatten, genug Affinität für die Traditionen und die Herausforderungen Europas haben? Schließlich wandelt Franziskus in den großen europapolitischen Fußstapfen seiner Vorgänger: In der ganzen Nachkriegsgeschichte haben die Päpste und die Kirche das Projekt der Europäischen Integration wohlwollend begleitet. Vor allem der große polnische Papst, der Heilige Johannes Paul II., hat sich besondere Meriten um die europäische Einigung erworben. Dies gilt zum einen für seine großen Europareden: seine Rede am 9. November 1982 in Santiago de Compostela, als er Europa aufrief, sich selbst zu finden und zu seinen Ursprüngen und christlichen Wurzeln zurückzukehren, seine Rede vor dem Europäischen Parlament am 11. Oktober 1988, ein Jahr vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, als er das Wort von den beiden Lungenflügeln Europas prägte, der westlichen und der östlichen Tradition, derer Europa gleichermaßen bedürfe, um atmen zu können, und schließlich sein Schreiben »Ecclesia in Europa« vom 28. Juni 2003, in dem er festhielt, dass Europa sich nicht selbst genügen dürfe, sondern dass Europa immer »Öffnung« bedeutet habe. Zum anderen gilt das für seine Verdienste um die Überwindung des Kommunismus und der Teilung Europas im Kalten Krieg bis hin zum Beitritt Polens zur Europäischen Union und – allgemeiner formuliert – zur Wiedervereinigung Europas. So war es nicht verwunderlich, dass dem großen Europäer Johannes Paul II. im Jahr 2004 der Außerordentliche Karlspreis zuerkannt worden ist. »Papst Johannes Paul II. bezeugt mit seiner Lebenshaltung, dass die in Europa erstrittenen Werte und Traditionen beim Aufbau einer neuen politischen Weltordnung maßgebliche Bedeutung gewinnen können und Europa in diesem Sinne auch Einfluss nehmen sollte. […] Die Person und das Lebenswerk Papst Johannes Pauls II. sind ein Vorbild für den europäischen Integrationsprozess«, so erkannte damals das Direktorium des Karlspreises. Auch Papst Benedikt XVI. hatte sich immer wieder eindringlich zu Europa geäußert und sich besorgt über die mögliche Selbstaufgabe Europas und den Verlust seiner Identität gezeigt. Er forderte Europa immer wieder auf zu einer Rückbesinnung auf seine Wurzeln, insbesondere auf das Christentum, damit Europa eine Zukunft hat und sich nicht geschichts- und identitätsvergessen auflöst und verschwindet. In dieser Tradition übernahm Franziskus eine Einladung, die bereits an Benedikt XVI. ergangen war, und richtete nun als zweiter Papst nach Johannes Paul II. das Wort an das Europäische Parlament. Doch alle Skepsis im Vorfeld erwies sich als unbegründet. Schon die Tatsache, dass er die Einladung in das Parlament der Europäischen Union annahm, bevor er einen Mitgliedstaat der EU besucht hatte, wies darauf hin, dass Franziskus einen neuen, unbefangenen Blick auf die politischen Realitäten Europas werfen und mit dieser Reihenfolge die Unterstützung der Kirche für das Einigungs- und Versöhnungsprojekt Europas unterstreichen würde. Und auch seine Rede in Straßburg selbst, seine »Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung« stellte unter Beweis, dass dieser Papst nicht mit Europa fremdelt. Ganz im Gegenteil: sein Blick von außen auf Europa ist unverstellt und erfrischend. Papst Franziskus äußert vor dem Europaparlament seine Sorge über die scheinbare Müdigkeit Europas, den Mangel an Vision und an Inspiration, der heute von ihm ausgeht. Er verbindet dies mit dem Eindruck Europas, »das Großmutter und nicht mehr fruchtbar und lebendig ist.« So klar Papst Franziskus in der Darstellung der Schwäche Europas ist, so deutlich ist aber auch die Hoffnung und Ermutigung. »Wie kann man«, so fragt er, »der Zukunft wieder Hoffnung verleihen, so dass – angefangen bei den jungen Generationen – das Vertrauen wiedergewonnen wird, das große Ideal eines vereinten und friedvollen, kreativen und unternehmensfreudigen Europas zu verfolgen, das die Rechte achtet und sich der eigenen Pflichten bewusst ist?« Papst Franziskus nimmt also die Herausforderungen und auch die Schwächen Europas, die sich unter den gewandelten und komplexen Bedingungen der Globalisierung anders darstellen als vor 25 Jahren, zur Zeit des Besuchs von Papst Johannes Paul II. im Europäischen Parlament, aus einem anderen Blickwinkel, aus dem des Nicht-Europäers, deutlich wahr und benennt sie auch klar. Gleiches gilt allerdings für seinen Blick auf die Potentiale und die Möglichkeiten, die Fähigkeiten und die Talente, die Europa besitzt und die es zum Wohl der Welt zu aktivieren und einzusetzen gilt. Sein Blick auf Europa ist von Interesse, von Sorge und von Wertschätzung für Europa und das politische Integrationsprojekt der Europäischen Union geprägt. Und die Sorge um Europa ist mehr als berechtigt. Wenn wir heute auf die Europäische Union schauen, dann stellen wir fest, dass die Euphorie des Jahres 1989 und des Umbruchs in Mittel- und Osteuropa verschwunden ist. Die Begeisterung des Jahres 2004 und der »Wiedervereinigung« Europas, die der Beitritt der Staaten des ehemaligen Ostblocks zur EU eigentlich bedeutete, ist nicht mehr vorhanden. Stattdessen sprechen wir von neuen Teilungen, Fraktionsbildungen und Spaltungen innerhalb Europas. Die Einheit ist tatsächlich gefährdet, sei es durch einen »Brexit«, den möglichen Austritt Großbritanniens, sei es durch den mangelnden sozialen Zusammenhalt zwischen Nord- und Südeuropa, der durch die Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre verschärft wurde, oder sei es durch unterschiedliche Erfahrungsräume und Prägungen sowie unterschiedliche Einstellungen zwischen West und Ost. Die Herausforderungen unserer Zeit für Europa sind immens. Die Europäische Union steht deshalb heute vor der Frage, ob sie die Probleme gemeinsam bewältigen kann und gestärkt aus der Krise hervorgeht oder ob sich der Zustand zu einer Dauerkrise, zu einer Schwächung des Gemeinsamen und zu einer schleichenden Renationalisierung entwickelt. Papst Franziskus hat in der Rede vor dem Europaparlament klargestellt, dass er nicht nur auf gemeinsame Lösungen Europas hofft, sondern dass die gemeinsamen Herausforderungen auch zur Einheit Europas beitragen mögen, nicht zu einer Spaltung der Staaten. Denn er konkretisiert seine »Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung« als »eine Botschaft der Hoffnung, die auf der Zuversicht beruht, dass die Schwierigkeiten zu machtvollen Förderern der Einheit werden können, um alle Ängste zu überwinden, die Europa – gemeinsam mit der ganzen Welt – durchlebt. Eine Hoffnung auf den Herrn, der das Böse in Gutes und den Tod in Leben verwandelt.« Franziskus sieht in der Krise Europas also die Chance, durch gemeinsame Lösungen die Einheit vertiefen zu können. Damit steht er im Einklang mit Robert Schuman, einem der Gründerväter Europas, der als französischer Außenminister mit seinem Plan zur Schaffung einer Montanunion den Anstoß zur Europäischen Einigung gegeben hat. In seiner Rede am 9. Mai 1950 prophezeite Schuman: »Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.« Wenn bei Schuman aus gemeinsamen Taten der Mitgliedsstaaten heraus europäische Solidarität entsteht, bedeutet dies bei Franziskus, dass »Schwierigkeiten zu machtvollen Förderern der Einheit werden«. Aufgrund dieser Parallele verwundert es auch nicht, dass Franziskus selbst auf die Gründungsväter der EU zurückgreift, wenn er in seiner Rede mit der Konkretisierung der Ermutigung fortfährt: »Eine Ermutigung, zur festen Überzeugung der Gründungsväter der europäischen Union zurückzukehren, die sich eine Zukunft wünschten, die auf der Fähigkeit basiert, gemeinsam zu arbeiten, um die Teilungen zu überwinden und den Frieden und die Gemeinschaft unter allen Völkern des Kontinentes zu fördern.« Ein zentrales Element der Rede von Papst Franziskus vor dem Europaparlament waren seine Ausführungen zur Menschenwürde. Diese Ausführungen knüpfte Franziskus direkt an die Gründungsväter und ihre Überzeugung an: »Im Mittelpunkt dieses ehrgeizigen politischen Planes stand das Vertrauen auf den Menschen, und zwar weniger als Bürger und auch nicht als wirtschaftliches Subjekt, sondern auf den Menschen als eine...


Armin Laschet ist Vorsitzender der Landtagsfraktion und Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen sowie stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU Deutschlands. Von 1994 bis 1998 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1999 bis 2005 Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Von 2005 bis 2010 amtierte er als Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration und 2010 zugleich als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist Mitglied der europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg.


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