E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Lastella Wenn Liebe eine Farbe hätte
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-423-43799-8
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-423-43799-8
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Leonie Lastella wurde in Lübeck geboren und lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf nordwestlich von Hamburg. Seit 2017 widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und wurde unter anderem von der DELIA, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautor*innen, für ihre Werke ausgezeichnet. Unter dem Titel >The Book Hangover - Drei Autorinnen, drei Stimmen, ein Podcast< hat sie außerdem gemeinsam mit Valentina Fast und Tonia Krüger einen Podcast ins Leben gerufen. Leonie Lastella steht für Veranstaltungen zur Verfügung.
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Prolog
Der Geruch nach Alkohol und feiernden Menschen durchdringt die Luft auf Miles’ Party. Wenn der Star der Footballmannschaft sturmfrei hat und in das Luxushaus seiner Eltern auf Bainbridge Island einlädt, kommt jeder. Jeder außer mir. Normalerweise.
Heute lehne ich entgegen meiner Gewohnheit an der Wand des riesigen Wohnzimmers und beobachte das Getümmel. Ich bin nur hier, weil meine beste Freundin Jules darauf bestanden hat, auf diese dämliche Party zu gehen, und ich sie auf keinen Fall alleinlassen wollte. Der Grund, weshalb sie diese Feier auf keinen Fall verpassen konnte, gefällt mir ganz und gar nicht: denn der ist groß, verdammt gut aussehend, Miles’ bester Freund und ein Idiot – Weston Lewis.
Jules’ Männergeschmack ist wirklich zum Abgewöhnen und wird schlimmer, wenn sie unter akutem Liebeskummer leidet und deswegen zu viel getrunken hat. Eine Abwärtsspirale, die sie hinabschlittert. Und ich mit ihr. Ich schlucke die pechschwarzen Erinnerungen hinunter, die uns das schon einmal beschert hat. Und gleichzeitig überlege ich krampfhaft, wie ich aufhalten könnte, was sich auf der Tanzfläche anbahnt.
Weston ist mittlerweile genauso betrunken wie sie und steigt, nachdem er Jules erst den ganzen Abend ignoriert hat, jetzt umso bereitwilliger auf ihre Flirtversuche ein. Ich muss das beenden. Jules ist meine beste Freundin. Das allein wäre Grund genug, sie in dem Zustand von einem Aufreißer wie Weston fernzuhalten. Und außerdem haben wir uns geschworen, aufeinander aufzupassen. Immer.
Noch tanzen die beiden nur, wenn man wohlwollend als Tanzen bezeichnen will, dass Weston Jules die Zunge in den Hals schiebt und besitzergreifend seine Hand über ihren Po gleiten lässt. Mich kotzt es an, wie er sich auf ihre Kosten inszeniert. Wie immer zieht er die Weston-Lewis-Show ab.
Die Anlage wird noch lauter aufgedreht und Dexter Hollands Stimme lässt die Luft in der Villa erzittern. Ich stoße mich von der Wand ab und gehe auf die beiden zu. Weston strafe ich mit Nichtachtung. Jules versuche ich aus seiner Umarmung zu befreien, indem ich an ihrem Pullover zupfe und so tue, als gäbe es eine brandwichtige Sache, die ich unter vier Augen mit ihr klären muss.
Aber anstatt dankbar für meine Rettung zu sein, wirft Jules mir einen Blick zu, der mir ein ›Verschwinde, Everly‹ entgegenbrüllt.
Sie hat keine Ahnung, auf was sie sich hier einlässt. Sie hat Weston als Trostpflaster für Tyler auserkoren, der sie erst vor drei Tagen sitzen gelassen hat. Dabei hat Weston das Potenzial, eine noch größere Trümmerlandschaft aus ihrem Gefühlsleben zu produzieren.
»Wir müssen reden!«, brülle ich Jules über den Lärm der Musik hinweg zu.
»Was willst du, Eve?«, schreit Weston an ihrer Stelle zurück, während meine beste Freundin sich an seine Brust schmiegt.
»Ich spreche nicht mit dir, sondern mit Jules«, knurre ich genervt.
»Sieht so aus, als hätte sie gerade Besseres zu tun.« Er zaubert einen aufgesetzt mitleidigen Gesichtsausdruck hervor und lacht, was Jules dazu bringt, ihm gegen den Arm zu schlagen, ihren Platz an seiner Brust zumindest für loyale zwei Sekunden zu verlassen und sich mir zuzuwenden.
»Mach dir keine Sorgen, Eve«, lallt sie. »Ist alles gut, echt.« Sie gibt mir einen Kuss und schlüpft dann zurück in Westons Arme.
Nichts ist gut. Sie ist zu betrunken und verletzt, um noch durchdachte Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich erzeugen Westons Hände offenbar ein Vakuum in ihrem Hirn, das sie vergessen lässt, wie solche Aktionen enden. Jedes Mal. Ich verstehe einfach nicht, wieso sie pausenlos auf die immer gleichen Typen reinfällt. Jules ist klug, schön und sie hinterfragt Dinge kritisch. Immer. Es sei denn, es geht um ihre Männerwahl.
Bevor ich zu einem zweiten Versuch ansetzen kann, Jules von Weston zu entfernen, flüstert er ihr etwas ins Ohr. Sie löst sich von ihm, winkt mir zu und verschwindet dann in Richtung provisorischer Bar. Dort füllt sie ihren Becher und stolziert, ohne den Blick von Weston zu lösen, zur Treppe. Er wird ihr gleich folgen. In eines der vielen Zimmer. Die Vorstellung erzeugt ein hohles Gefühl in meiner Brust.
Unwillkürlich packe ich seinen Arm und zwinge ihn, stehen zu bleiben. Seine Haut fühlt sich seltsam an. Kühl, obwohl die Temperaturen im Haus längst Vorhöllenniveau haben.
»Was soll das?«, fährt er mich an. Demonstrativ sieht er auf meine Hand, die noch immer seinen Arm umklammert.
Ich lasse ihn los und versuche mich zu sammeln. Wenn Jules mir nicht zuhört, werde ich Weston eben überzeugen müssen, dass das hier eine Schnapsidee ist. »Hast du zwei Minuten?«
»Muss das unbedingt sein?« Sein Blick wandert zur Treppe, über die Jules im Obergeschoss verschwunden ist, und lässt wenig Zweifel daran, was er jetzt lieber täte.
Ich sehe ihn unnachgiebig an, bis er die Augen verdreht. »Okay, reden wir«, gibt er seufzend nach. »Aber draußen. Dann kann ich eine rauchen.« Er drängelt sich durch die Partymeute in Richtung Ausgang. Draußen angekommen, entfernt er sich von den Grüppchen, die im Garten und auf dem privaten Strandabschnitt stehen, der zu Miles’ Elternhaus gehört. Er betritt den Steg, der rund zehn Fuß in die Elliot Bay ragt und an dessen Ende sich ein kleines Bootshaus befindet. Erst als uns die Hütte verdeckt, bleibt er stehen, lehnt sich gegen die Holzwand und steckt sich eine Zigarette an. »Also, was gibt es so Wichtiges, Eve?«, kommt er direkt zum Punkt.
Zuallererst einmal soll er mich nicht mehr Eve nennen. Das dürfen nur meine Freunde und er gehört ganz sicher nicht zu diesem überschaubaren Kreis. Aber anstatt ihm genau das an den Kopf zu knallen, bleibe ich stumm. Ich sage gar nichts. Nur mein Herz rast, als müsste es vor ihm und mir allein in der Dunkelheit fliehen.
Weston nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette und bohrt seinen Blick in meinen. Vermutlich in der Erwartung, ich würde ihm endlich sagen, was ich so dringend loswerden wollte, damit er wieder verschwinden kann. Er sieht müde aus. Vermutlich hat er in letzter Zeit zu viel gefeiert. Es übertrieben. Das würde auch erklären, warum er heute nicht in der Schule war, obwohl wir den SAT-Test in Geschichte geschrieben haben. Ohne den kann Weston seinen Abschluss vergessen. Aber offenbar ist ihm seine Zukunft scheißegal.
Vielleicht kann man so denken, wenn die stinkreichen Eltern einen so oder so auf einer Eliteuni unterbringen. Ein Wutknoten ballt sich in meinem Magen zusammen. Ich musste schon immer hart für meine Ziele kämpfen, während ihm alles auf dem Silbertablett präsentiert wird. Das ist okay. Ich neide niemandem etwas. Es macht mich einfach nur wütend, dass ihm diese Privilegien so verdammt egal sind.
»Der Frisch-gevögelt-Look steht dir übrigens«, durchbricht Weston meine Gedanken und beugt sich vor. Wind und die feuchte Seeluft haben meine Haare zu einem wilden Chaos verwirbelt, an dem Weston jetzt zupft. Und ich? Ich halte ihn nicht ab. Wieso halte ich ihn nicht ab?
»Sieht gut aus. Nicht so streng wie sonst«, sagt er. Seine Stimme ist tief und so ruhig wie das Wasser unter uns.
»Finger weg«, zische ich endlich. Eine klare Grenze. Ich bin mir nur nicht ganz im Klaren, ob ich sie für mich oder ihn ziehe. »Außerdem kann ich auf deine Meinung gut verzichten, Weston.«
Er reibt sich über den Nacken. »Bitte nenn mich nicht Weston. Das tut niemand. Wes, okay?« Er lächelt mich zögernd an. Ein einnehmendes Lächeln, das eine Brücke schlägt, die ich nie vor hatte zu bauen. Er deutet an mir vorbei zum Haus. »Ich sollte dann wohl mal«, sagt er, rührt sich aber nicht.
Sollte er jetzt gehen, wird er einen Jules-Scherbenhaufen produzieren.
»Warte!« Ich straffe die Schultern, um zu sagen, was gesagt werden muss, und dann zu verschwinden. Aber mein Hirn ist ein schwarzes Loch und schluckt all die Worte, die ich mir zurechtgelegt hatte.
Weston lehnt noch immer an der Schuppenwand, sieht mich unverwandt an, sagt aber nichts. Nicht einmal etwas Bescheuertes, obwohl ich ihn anstarre, kein Wort herausbringe und ihm damit eine Steilvorlage biete.
»Jules macht echt eine schwere Zeit durch«, presse ich endlich hervor und versuche nicht so anfällig für ihn zu sein wie ein Kartenhaus. »Tyler hat sie übel verarscht. Und du wirst dasselbe tun, wenn dir klar wird, dass sie etwas Festes sucht. Könntest du dir nicht einfach eine der Post-its schnappen, die sonst immer an dir und deinen Sportlerfreunden kleben, und sie in Ruhe lassen?«
»Ein Post-it?« Er lacht anerkennend über Jules’ und meine Bezeichnung für die Mädchen, die ihn und seine Freunde umschwärmen. »Nett, wirklich, aber, wenn du mich fragst, sah es nicht so aus, als würde Jules in Ruhe gelassen werden wollen«, entgegnet er und zupft an einem Loch in seinem Ramones-Shirt herum. »Außerdem, was geht es dich an? Bist du jetzt ihre Aufpasserin, oder was?«
Ja, wahrscheinlich bin ich das. Genau wie Jules es für mich gewesen ist. »Und wenn? Lass es einfach gut sein, Wes. Jemanden wie dich verkraftet sie derzeit nicht.«
»Du glaubst wirklich, du würdest mich kennen, oder?«
Mein Herz flattert gefährlich, als Weston sich plötzlich von der Wand abstößt und näher kommt. Ich wünschte, es wäre Furcht, die mir den Atem raubt.
Ich rieche den Qualm der Zigarette, die Weston in die Dunkelheit schnipst, und darunter ihn – einfach Weston.
»Du weißt einen Scheiß über mich! Ihr alle wisst einen Scheiß.« Sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich die Worte, die er mir entgegenschleudert, auf meiner Haut spüre....