Lausen | Das vermisste Mädchen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

Lausen Das vermisste Mädchen

Kriminalroman | Ist sie in der Gewalt eines Serientäters?
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-218-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman | Ist sie in der Gewalt eines Serientäters?

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

ISBN: 978-3-98952-218-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine Ermittlerin, die mit ihrem eigenen Trauma konfrontiert wird. Als Helena Briest in einer Kleinstadt im Sauerland ihre Privatdetektei eröffnet, ahnt sie noch nicht, dass gleich ihr erster Auftrag die Albträume ihrer eigenen Vergangenheit wieder aufwühlen wird: Die siebenjährige Tshala verschwindet - und die Polizei findet keine Spuren. Verzweifelte bittet die Familie des Mädchens Helena um Hilfe. Ist Tshala in der Gewalt eines Serientäters - oder ist sie Opfer eines fremdenfeindlichen Hintergrunds geworden? Je mehr Helena über die Familie und die Nachbarschaft in Erfahrung bringt, desto bodenloser scheint der Abgrund, der sich vor ihr auftut. Nur eins ist sicher: Die Uhr tickt- und jede Stunde könnte für das Mädchen die letzte sein ... Fesselnde psychologische Spannung mit einer starken Ermittlerin - für Fans von Petra Hammesfahr und Romy Hausmann.

Bettina Lausen, geboren 1985, lebt mit ihrer Familie in Haan und hat einen Bachelor in Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Literatur und Geschichte. Sie veröffentlichte bereits mehrere Romane, sowohl im historischen Bereich wie auch in der Spannung. Seit 2018 gibt sie Kurse für Kreatives Schreiben und verfasst Artikel für die Fachzeitschrift »Federwelt«. Außerdem ist sie als Schreibcoach und Lektorin tätig. Die Autorin im Internet: www.bettinalausen.de www.instagram.com/bettina.lausen www.facebook.com/bettinalausen.de Bettina Lausen veröffentlichte bei dotbooks ihren Kriminalroman »Das vermisste Mädchen«, der auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erscheint.
Lausen Das vermisste Mädchen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


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Kapitel 1


Montag, 15.04.

Ich ging zu Fuß zur Detektei, wie ich es mir vorgenommen hatte. Die Fachwerkhäuser und die gepflasterte Straße strahlten altertümliches Flair aus. Links von mir lag die Kirche, davor plätscherte ein kleiner Springbrunnen. Ich bog rechts ab und blieb kurz vor dem alten Gebäude stehen, in dem sich das Museum von Menden befand. Das Gebäude war siebzehnhundertdreißig erbaut worden und stand unter Denkmalschutz, wie ich auf einer kleinen Infotafel las. Es war hier alles ganz anders als in Düsseldorf, wo ich in einem großen Bürokomplex gearbeitet hatte. Obwohl ich einem Umzug erst skeptisch gegenübergestanden hatte, gefiel mir die Atmosphäre dieser Kleinstadt immer besser. Ich bog in den kleinen Durchgang ein, in dem die Haustür zu meiner Detektei lag. Vor der Tür parkte ein Polizeiauto. Was war denn hier los? Ich schloss auf und trat ein. Im Flur versperrten mir zwei Polizistinnen, ein Mann um die vierzig und ein farbiges Paar den Weg. Stimmengewirr. Ich kam nicht umhin zuzuhören. Eine Afrikanerin schrie, die Polizistinnen sollten ihre Tochter finden. »Tshala, Tshala«, rief sie immer wieder. War Tshala nicht das Mädchen, das mir letzte Woche ein Bild geschenkt hatte? Auch der Vater redete auf die Beamten ein, erst auf Deutsch, dann in einer Sprache, die ich nicht verstand.

»Darf ich mal vorbei?«, fragte ich.

»Was wollen Sie hier?«, fragte mich der Mann. Jeans und Trenchcoat unterschieden ihn von den Beamtinnen. Obwohl er mich ernst ansah, hatte er eine sympathische Ausstrahlung. Er trug eine modische Brille, und seine grau melierten Haare gingen in dünne Koteletten über.

»Ich habe Räume in diesem Haus gemietet.«

Er sah die Polizistinnen ungläubig an.

Die dunkelhaarige Ordnungshüterin gab ihm Auskunft: »Wir haben alle Wohnungen überprüft. Eine ist seit diesem Monat neu vermietet an eine Frau namens Helena Briest.« Wie sie meinen Namen ausspuckte, gefiel mir nicht. »Auf dem Namensschild unten steht >Detektei<.«

»Auch das noch«, sagte er.

»Und wer sind Sie?«, fragte ich.

»Volker Nienstedt. Kripo.«

Ich nickte, drängte mich an ihnen vorbei und lief die Treppen hinauf. In meiner Detektei ließ ich meine Tasche auf den Boden fallen und setzte mich in meinen Sessel. Ein Mädchen war verschwunden, ausgerechnet in diesem Haus. Ich stützte meinen Kopf mit meinen Händen ab und rieb mir über die Stirn. Mir wurde heiß und ich lehnte mich zurück. Ich sah aus dem Fenster. Auf dem gegenüberliegenden Dach gingen zwei Tauben spazieren. Es klopfte an der Tür. Langsam erhob ich mich und öffnete sie. Vor mir stand der Farbige, der im Flur auf die Polizisten eingeredet hatte. Er hatte ein kantiges Gesicht, eine breite Nase und einen Schnurrbart. Sein Kopf war kahlgeschoren. Er streckte mir die Hand entgegen.

»Upenyu Kiwanika.«

Wie sollte ich mir das denn merken?

»Helena Briest.« Ich erwiderte seinen Händedruck.

»Sie sind Detektivin. Sie helfen uns«, sagte er bestimmend.

Ich schüttelte den Kopf, doch er dirigierte mich schon die Treppen hinunter. Überrascht von seiner Zielstrebigkeit, die keine Widerworte zuließ, folgte ich ihm.

In der Wohnung ockerfarbene Wände, aufgeräumte Schränke, ein ovaler Esstisch aus Holz und eine Sofagarnitur mit bunten Decken. Dort saß die Mutter und hielt die Hände eines Mädchens im Teenageralter und eines kleinen Jungen fest in ihrem Schoß. Verzweifelte Blicke. Die Tochter schaute permanent auf den Orientteppich, der die Hälfte des Fußbodens bedeckte. Auf einem herangezogenen Esszimmerstuhl saß ein schätzungsweise Zwanzigjähriger. Er trug ein enges Hemd und beobachtete mich mit wachen Augen. Der Vater lehnte sich an die Wand und bat mich, Platz zu nehmen. Ich ließ mich widerwillig auf dem freien Sessel nieder. Obwohl der Raum mit Menschen gefüllt war, spürte ich das alles überlagernde Fehlen der zweiten Tochter. Es war ungewöhnlich warm, trotzdem bekam ich eine Gänsehaut.

Entschuldige dich und geh, dachte ich, doch mein Mund und meine Beine gehorchten mir nicht. Ich blieb. Upenyu Kiwanika, ich musste ihn noch mal nach seinem Namen fragen, berichtete mir von Tshalas Verschwinden und von den bisherigen Unternehmungen der Polizei.

»Sie haben die Umgebung durchsucht. Mit Suchhunden und Hubschraubern. Hunderte haben gesucht«, begann er, ging dabei auf und ab und fasste sich an den Kopf. »Die Polizei hat Freunde und Nachbarn überprüft — nichts. Tshala ist nicht aufgetaucht. Und das Schlimmste ...« Er stoppte und sah mich fassungslos an, seine Augen geweitet, die Stirn in Falten gezogen. »Da gibt es einen Mord.«

Bei dem Wort »Mord« zuckte ich zusammen.

»Ein Mädchen ist ermordet worden. Letzte Woche. Hier ganz in der Nähe. Celina hieß sie.«

Davon hatte ich gehört. Lars hatte mir die Zeitung beim Frühstück hingeschoben. Nur flüchtig hatte ich über den Artikel gelesen.

»Acht Jahre war Celina. Ein Jahr älter als unsere Tshala. Stellen Sie sich vor.« Upenyu stand jetzt direkt vor mir und sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. »Die Polizei vermutet eine Verbindung zwischen dem Mord an diesem Mädchen und dem Verschwinden von Tshala.«

Ich atmete tief durch, spürte seine Verzweiflung. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles gut werden würde und wir seine Tochter finden würden. Doch ich saß steif auf dem Sessel, meine Glieder waren angespannt.

»Innerhalb einer Woche verschwindet ein zweites Mädchen«, fuhr er fort. »In der Nähe. Zwanzig Kilometer sind nicht viel.«

Ich nickte langsam.

»Aber ich sehe keinen Zusammenhang. Es gibt keine Beweise dafür.«

Upenyu ging wieder auf und ab und beteuerte mehrmals, dass Tshala nicht in die Hände dieses Mörders gefallen sein konnte. War das nur die Verzweiflung eines liebenden Vaters oder eine realistische Einschätzung?

»Und was soll ich tun?«, fragte ich.

»Vier Tage«, fuhr der Vater fort. »Vier Tage sind vergangen. Tshala ist immer noch fort. Die Polizei sucht nicht richtig. Sie hilft nie. Uns nicht. Wir sind Ausländer.«

Hatte er mir nicht gerade das Gegenteil geschildert?

»Der Kripobeamte gibt sich keine Mühe. Er sieht Tshala nicht. Er nimmt sie nicht wahr. Er kennt sie nicht. So wird er sie nie finden.«

Ich kenne sie auch nicht, dachte ich, aber nickte nur. Ich blickte zur Tür. Wie kam ich hier wieder raus?

Upenyu stand vor mir, zwang mich, ihn anzusehen. Ich atmete tief durch. Vier Tage waren schon vergangen. Wenn die Polizei eine Großfahndung gestartet und schon intensiv gesucht hatte, konnte sie nicht einfach nur weggelaufen sein.

Herr Kiwanika drückte mir ein Foto in die Hand. Ich hatte Tshala letzte Woche kennengelernt, als ich meine Detektei in diesem Haus bezogen hatte. Sie hatte im Treppenhaus gestanden und mich angelächelt. Hatte mir ein selbst gemaltes Bild gegeben und gesagt, es sei für mich. Es zeigte ein Geschenk mit einer bunten Schleife. Ich konnte mich noch genau an das süße Gesicht, die Rastazöpfe und die strahlenden Augen erinnern. Genauso sah sie mich von dem Foto an. Nun würden diese Augen nicht mehr strahlen. Nun war sie ihm ausgeliefert. Wehrlos. Bibberte. Schrie und weinte. Sehnte sich nach ihren Eltern. Mein Magen verkrampfte sich. Ich beugte mich nach vorn, versuchte den Schmerz zu ignorieren.

»Was haben Sie gerade gesagt?«, fragte ich Herrn Kiwanika.

»Es war nicht der Mörder. Tshala lebt.«

Herr Kiwanika stützte den Arm auf seinem Knie ab. Er schaute mich mit seinen schwarzen Augen durchdringend an und wartete. Ich sah wieder auf das Bild. Auf die Kleine. Ich schauderte, als ich mir ihre Situation vorstellte. Glaubte, ihre Angst zu spüren. Wieder ein Krampf im Magen. Oh, Tshala!

»Die Polizei hört nicht auf uns.«

Und war ich die richtige Person, um zu helfen? Konnte ich wirklich etwas tun?

»Wieso ich?«

»Sie sind Detektivin. Sie kennen die Tricks. Wissen, wie man sucht.«

Ich wollte ihm sagen, dass heute mein erster Tag war, doch als ich in seine Augen blickte, stockte ich. Ich erkannte seine Verzweiflung. Die Furcht. Die Angst, seine Tochter zu verlieren, vielleicht schon verloren zu haben. Es lag etwas in seinem Gesichtsausdruck, das ich bei einem anderen Menschen schon einmal gesehen hatte: Todesangst. Wenn er die Nachricht vom Tod seines Kindes erhielte, würde auch ein Stück von ihm sterben. Ich blickte in die Runde und sah in jedes einzelne Gesicht. Gesenkte Schultern, hängende Köpfe, verquollene Augen.

»Nun gut«, sagte ich und nickte.

Herr Kiwanika zwang sich zu einem Lächeln. »Danke.«

Ich schaute auf das Foto. Tshala, lebst du noch?

»Es gibt da noch etwas. Ich hoffe, Sie helfen uns trotzdem«, sagte Herr Kiwanika.

»Was meinen Sie?«, fragte ich.

»Unser Geld ist knapp. Können nicht viel zahlen. Ich arbeite bei einer Umzugsfirma. Ich verdiene nicht viel. Genug für die Familie. Mehr nicht.«

»Ich nehme fünfunddreißig Euro die Stunde. Plus Spesen.« Ich hatte im Internet recherchiert, wie viel die Konkurrenz nahm, und hatte meinen Stundensatz niedrig angesetzt, um an Aufträge zu gelangen. Trotzdem wollte ich nicht umsonst arbeiten.

»Das können wir nicht bezahlen«, sagte er.

So hatte ich mir meinen ersten Fall nicht vorgestellt.

»Was können Sie mir geben?«, fragte ich.

Er ging in den Flur, holte sein Portemonnaie aus seiner Jacke und gab mir einen Fünfziger. »Das muss erst mal reichen.«

»Das wird noch nicht mal meine Spesen decken«, protestierte ich.

Herr Kiwanika hatte seine Geldbörse wieder weggesteckt. Ich sah auf das Foto von Tshala. Eins war sicher: Sie brauchte Hilfe.

»Also...



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