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E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Lee Mit den Waffen eines Kavaliers
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7515-0671-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7515-0671-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein unerhörtes Risiko: Verwegen steigt Laura bei Philip Rathbone ein, dem Gläubiger ihrer Familie. Mit vorgehaltener Pistole will sie ihn erpressen! Doch sie überrascht ihn im Bad, und der Anblick des schönen nackten Mannes bringt die Waffe in ihrer Hand zum Beben ...
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1. KAPITEL
London, Frühling 1817
Was machen Sie hier?“ Mr. Rathbone musterte Laura durch die Dampfwolken, die aus einem kupfernen Badezuber emporstiegen. Aus seinem nassen dunkelbraunen Haar lief ein Tropfen über sein Gesicht und fiel ins Wasser.
Laura nahm den Finger vom Abzug der Pistole, weil sie fürchtete, sie könnte versehentlich eine Kugel in die Brust des Mannes feuern. Natürlich wollte sie ihn nicht töten, nur erschrecken und zwingen, wenigstens einen Teil der Ware zurückzugeben, die er konfisziert hatte. Aber nach dem harten Glanz in Mr. Rathbones tiefblauen Augen zu schließen, ließ er sich nicht so leicht Angst einjagen.
„Nun?“, fragte er, und sie zuckte erschrocken zusammen.
Als sie durch die offene Terrassentür ins Haus geschlichen war, hatte sie erwartet, ihn im Arbeitsraum an seinem Schreibtisch anzutreffen, wo er einen Haufen Münzen zählen würde, oder was immer sonst ein Geldverleiher am späten Abend tat. Stattdessen badete er in seinem Schlafzimmer. Nur ein bisschen Seifenwasser verhüllte den unteren Teil seines Körpers und schützte ihre Tugend. Was Laura in den kalten, armseligen Räumen, die sie mit ihrer Mutter und ihrem Onkel Robert bewohnte, für einen verheißungsvollen Plan gehalten hatte, erschien ihr jetzt absurd und verwerflich.
Trotzdem straffte sie die Schultern und bot ihren ganzen Mut auf. Jenseits dieses warmen Zimmers voller Dampf lagen nur bittere Armut und drohender Ruin. Deshalb hatte sie keine Wahl, sie musste ihren Plan ausführen. „Geben Sie mir wenigstens einen Teil der Ware, die Sie meinem Onkel weggenommen haben.“
Der Geldverleiher hob seine Arme aus dem Seifenwasser, das Wellen schlug und kurzfristig einen flachen Bauch enthüllte. Dann stützte er sich auf den Rand des Zubers, und Laura sah kräftige Hände, wie jene der Lieferanten, die Stoffballen von einem Karren gehievt und in den Laden ihres Vaters getragen hatten. Aber Mr. Rathbone hatte glatte Hände ohne Schwielen – die Hände eines Gentlemans. Diesen Eindruck störte nur eine schon älter wirkende rote Narbe über einem Knöchel.
Hastig wich Laura zurück, denn sie befürchtete plötzlich, er würde aus dem Wasser springen und sich auf sie stürzen. Aber er fragte nur: „Und wer ist Ihr Onkel?“
Laura schluckte. Gewiss, auf diese Information kam es an. „Robert Townsend.“
„Ah, der spielsüchtige Tuchhändler“, bemerkte er. „Vor sechs Monaten kam er zu mir. Er brauchte einen Kredit, um beträchtliche Schulden in Mrs. Topps Salon zu begleichen – einem der vielen Etablissements, die er zu besuchen pflegt. Als Sicherheit für das Darlehen bot er mir den Warenbestand der Tuchhandlung an. Da er das Geld nicht zurückzahlte, holte ich mir die Stoffballen, so wie es mir unserem Vertrag zufolge zustand.“
Unter Lauras Füßen schien der Boden zu schwanken. Onkel Robert hatte das ganze Geschäft vor die Hunde gehen lassen. Schon früher hatte er einige Waren aus dem Lager gestohlen, einen Seidenballen oder eine Rolle Quasten, und verkauft, um seine Spielsucht zu finanzieren. Nur vereinzelte Einbußen – und jetzt war alles verloren …
Nein, das durfte nicht geschehen – nachdem sie so viel getan hatte, um das Geschäft nach dem Tod ihres Vaters zu erhalten. Von heißem Zorn erfasst, umklammerte sie die Pistole ihres Onkels etwas fester. „Das glaube ich Ihnen nicht. Wie Männer Ihres Schlags vorgehen, weiß ich. Skrupellos nutzen sie die Notlage verzweifelter Menschen mit Wucherzinsen aus, bis sie Ihnen ihr gesamtes Eigentum in den gierigen Rachen werfen müssen.“
Mr. Rathbones Augen verengten sich. Was die Pistole und das Überraschungsmoment nicht bewirkt hatten, erzielte die Abwertung seines Charakters: eine Reaktion. „Wenn Sie einen Beweis brauchen – den werde ich Ihnen vorlegen.“ Auf den Rand des Badezubers gestützt, erhob er sich.
„Sir!“, japste Laura und taumelte rückwärts, bis ihre Hüfte gegen eine Tischkante stieß. Aus irgendeinem Grund konnte sie ihren Blick nicht von den Tropfen losreißen, die über seinem schlanken Körper rannen, über den muskulösen flachen Bauch. Immerhin vermied sie es, noch weiter nach unten zu spähen.
Triefend stieg er aus dem Zuber auf ein Handtuch, das am Boden lag. Über einem Sessel hing ein seidener brauner Morgenmantel. Den zog er nicht an, wie sie es erwartet hatte. Stattdessen ging er an ihr vorbei. Dabei beachtete er weder Laura noch die drohende Pistole. Ebenso wenig schien es ihn zu interessieren, dass er splitternackt war und nasse Fußspuren auf dem Holzboden und danach auf einem Teppich hinterließ. Er trat hinter einen kleinen Schreibtisch nahe den Fenstern, gegenüber einem Vierpfostenbett mit kostbaren bestickten Vorhängen. Im Licht einer Öllampe auf der Tischplatte öffnete er eine Schublade.
„Da ist der Vertrag, den ich mit Ihrem Onkel abgeschlossen habe“, erklärte Mr. Rathbone und kam hinter dem Schreibtisch hervor, ein Papier in der Hand.
Mühsam zwang sie sich, seinen Blick zu erwidern und ihm zu folgen. „Würden Sie sich bitte ankleiden?“
„Das ist mein Haus, in das Sie eingedrungen sind, um mich zu bedrohen, und in dem ich mich so verhalte, wie es mir gefällt.“ Er hielt ihr das Papier hin. „Nun, hier haben Sie den Beweis, den Sie verlangen.“
Am linken Rand des Dokuments las sie die Liste der Summen, die Onkel Robert seinen Gläubigern schuldete. Daneben standen die Namen Mrs. Topps und andere, die Laura nur teilweise kannte. Einige hatte sie Gesprächen im Flur des baufälligen Hauses entnommen, in dem sie wohnte. Unterhalb der Vertragsbedingungen prangten die Unterschriften ihres Onkels, Mr. Rathbones und eines Zeugen, eines Mr. Justin Connor.
Und auf die rechte Seite des Papiers war ein Blatt geheftet, bei dessen Anblick Laura erneut zusammenzuckte – das von ihr selbst verfasste Verzeichnis des Warenbestandes, mit Anmerkungen versehen. „Woher haben Sie diese Liste, Sir?“
„Ihr Onkel gab sie mir, als er zu mir kam und das Darlehen aufnahm.“
„Die habe ich geschrieben – das war mein Plan, die Tuchhandlung zu retten.“
„Eine sehr aufschlussreiche Liste. Das darin aufgeführte Inventar, das den Kredit sichern sollte, war der Grund, aus dem ich Ihrem Onkel die beträchtliche Summe aushändigte. Hätte er das Geld nicht verspielt, wäre der Plan sicher aufgegangen.“ Mr. Rathbone warf das Dokument auf den Schreibtisch. „Sind Sie jetzt zufrieden?“
„Ja“, flüsterte sie. Und wir sind ruiniert …
„Gut, also brauchen Sie das nicht mehr.“ Er packte den Pistolenlauf und entwand ihr den hölzernen Griff.
„Nein!“ Unbewaffnet fühlte sie sich fast genauso nackt wie er.
„Da die Pistole unsachgemäß geladen wurde, hätte sie Ihnen nichts genützt.“ Er zog das Steinschloss vom Hammer und warf die unbrauchbare Waffe neben den Vertrag auf den Schreibtisch. „Hätten sie abgedrückt, wäre Ihr hübsches Gesicht explodiert.“
Verzweifelt starrte sie die unnütze Pistole an. So sinnlos wie ihre Hoffnungen und törichten Pläne … Der missglückte Versuch, ihre Mutter und sich selbst zu retten, würde sie gewiss hinter Gitter bringen. Wie soll Mama ohne mich überleben? Was wird Onkel Robert ihr antun? „Hätten Sie mich bloß feuern und meinem Leben ein Ende bereiten lassen, Sir!“
Mr. Rathbone ging wieder an ihr vorbei und kehrte in den Bereich des Raums zurück, in dem sich der Zuber befand. Dort schlüpfte er in den Morgenmantel und verknotete den Gürtel, um seine Blöße zu bedecken. „Dann hätten Sie meinen Teppich ruiniert.“
Nur kurzfristig hatte sie der Anblick seines nackten, von dunkler Seide umschmeichelten Körpers verwirrt, bevor ihre Empörung aufflammte. „Sie denken wohl nur ans Geld!“
„Nun, ich bin ein Geschäftsmann, Miss Townsend. Zu mir kommen Männer, die ein Unternehmen gründen wollen und finanzielle Sicherheit brauchen, außerdem Leute, die ihre Betriebe vor dem Ruin bewahren möchten. Ich biete ihnen Geld an, das sie mir mit Zinsen zurückzahlen. Wenn sie das versäumen, so wie Ihr Onkel, ersetze ich meine Verluste, indem ich ihr Eigentum beschlagnahme und verkaufe. Erstens muss ich für eine Familie sorgen, zweitens für den Lebensunterhalt meiner Angestellten. Ich bin kein Wohltäter.“
„Das verstehe ich“, murmelte sie verlegen. Ihr Zorn war verflogen. Jetzt revidierte sie ihr Urteil über Mr. Rathbones Charakter, und sie hoffte, die Großmut, die er seiner Familie und den Angestellten entgegenbrachte, würde auch einer unbesonnenen jungen Dame zugutekommen. „Bitte, Sir, verzeihen Sie, dass ich in Ihre Privatsphäre eingedrungen bin und Ihren guten Namen verunglimpft habe. Bevor ich mich zu dieser Konfrontation entschloss, kannte ich nicht alle Fakten. Und ich war wohl nicht – bei klarem Verstand.“ Sie versuchte zu lächeln, den Eindruck eines etwas albernen Mädchens zu erwecken. Damit vermochte sie den harten Zug um Mr. Rathbones Mund nicht zu mildern.
„Spielen Sie nicht die Närrin, das steht einer so einfallsreichen Frau nicht zu Gesicht.“
Lauras Lächeln erstarb, ihre Hoffnung nicht. „Dann erlauben Sie mir einen Vorschlag, der Ihren Geschäftssinn vielleicht anspricht.“
Schweigend hob er die Brauen.
„Zu den konfiszierten Waren gehört ein dicker Ballen besonders schön gewobener Baumwolle, die aus Ägypten stammt“, fuhr sie fort. „Fast transparent, ließe sie sich wie die indische verarbeiten, aber deutlich günstiger. Ich kenne Madame Pillet, eine fashionable Modistin, und möchte sie ersuchen, diesen Stoff ihren...