Lee Zwischen tausend Gefühlen: Geborgtes Glück?
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95649-431-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95649-431-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rafe kämpft um das Sorgerecht für seinen unehelichen Sohn und flieht zu seinem Bruder. Ausgerechnet jetzt lernt er die attraktive Angela kennen - dabei hat er doch gar keine Zeit für die Liebe ...
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1. KAPITEL
Rafe saß seiner Vorgesetzten Kate Keits gegenüber und blickte irritiert. Als Chefin war sie eigentlich gar nicht so übel, aber im Augenblick nervte sie ihn entsetzlich.
„Sind Sie sicher, dass das Baby von Ihnen ist, Rafe?“, fragte sie. „Es wäre diesen verdammten Molinas zuzutrauen, so was nur zu inszenieren, um Zugang zu einem von uns zu bekommen. Ganz speziell zu Ihnen. Sie haben inzwischen ja fast die ganze Familie hinter Gitter gebracht.“
„Es ist mein Kind.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Ich habe einen Vaterschaftstest machen lassen. Das Ergebnis kam letzte Woche. Mein Sohn. Mein Problem.“
„Das können Sie laut sagen. Es ist ein Problem. Sie müssen schnellstens jemanden finden, der Ihnen das Baby abnimmt, sonst werde ich Sie anderweitig einsetzen müssen.“
Das war ihm klar. Er wusste, dass er nicht als Undercoveragent arbeiten konnte, wenn er ein Kind zu versorgen hatte. Aber ihm fiel niemand ein, der sich monatelang um den Kleinen kümmern konnte, zumindest niemand, dem er vertraute.
„Sie hätten sich nie mit einer Verdächtigen einlassen dürfen, aber das wissen Sie ja selbst. Haben Sie schon erwogen, den Kleinen zur Adoption freizugeben?“
Daran gedacht hatte er. Er hatte sich sogar schon mehrfach auf den Weg zur nächsten Adoptionsstelle gemacht, um alles in Gang zu setzen. Aber jedes Mal war er unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt in seine kleine Einzimmerwohnung, die eher einem Loch als einer Wohnung glich und die seit Ankunft seines kleinen Sohnes ständig nach schmutzigen Windeln und saurer Milch roch.
„Und?“, drängte Kate.
„Das kann ich nicht machen. Ich bin die einzige Familie, die er hat. Die Molinas kann man vergessen.“
„Und? Was wollen Sie tun?“, fragte sie. „Rafe, ich brauche Sie draußen auf der Straße. Wenn Sie nicht mehr als Undercoveragent arbeiten können, muss ich mir jemand anders suchen. Sie müssen sich entscheiden.“
Er nickte zustimmend. „Ich habe Familie in Wyoming“, erklärte er leise. „Geben Sie mir einen Monat Urlaub. Ich bringe den Kleinen hin und bitte sie, sich um ihn zu kümmern.“
„Das klingt gut. Ich erledige den nötigen Papierkram, und Sie können Freitag Ihren Urlaub antreten.“
Erleichtert verließ Rafe Kates Büro. Das war geklärt. Dennoch war er bedrückt, denn er hatte versäumt, ihr zu sagen, dass diese Familie in Wyoming aus nur einem Bruder bestand. Den er nicht kannte. Es handelte sich um einen Halbbruder, der überhaupt nichts von Rafes Existenz wusste. Wie er gehört hatte, war der Mann Polizist, aber das besagte noch lange nicht, dass er ihm auch seinen Sohn anvertrauen konnte. Rafe wusste aus eigener bitterer Erfahrung nur zu gut, dass Pflegeeltern nicht immer nur das Beste für ihren Schützling wollten. Er selbst war in einer Pflegefamilie aufgewachsen und hatte eine entsetzliche Kindheit gehabt. Aber den Molinas wollte er seinen Sohn auf keinen Fall überlassen. Es war ihnen zuzutrauen, dass sie den Kleinen schon von Kindesbeinen an in den Drogenhandel mit einbeziehen würden. Rafe blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sich sein Halbbruder in Wyoming als aufrechtes und geachtetes Mitglied der Gesellschaft erwies.
Auf dem Nachhauseweg holte er Peanut, wie er seinen Sprössling nannte, von der Tagesstätte ab. Dann kaufte er noch Trockenmilch für den Kleinen und eine Straßenkarte. Er wollte wissen, wo genau Conard County in Wyoming lag, um überschlagen zu können, wie lange er und der Knirps ungefähr für die Fahrt brauchen würden.
Der Junge hat einen Namen, wies er sich selbst zurecht. Raquel hatte ihn Rafael genannt, nach seinem Vater. Irgendwie fand Rafe jedoch, dass dieser Name zu einem elf Pfund schweren schreienden Baby überhaupt nicht passte. In Rafael musste der Kleine erst noch hineinwachsen. Und bis dahin war er Peanut.
Peanut verschlief die Einkäufe, aber sobald sie wieder im Wagen waren und nach Hause fuhren, wachte er auf und verlangte lautstark sein Recht. Rafe hätte sich am liebsten Watte in die Ohren gestopft.
„Jetzt halt aber mal die Luft an, Peanut“, rief er dem zornig schreienden Knirps zu. „Es sind doch nur noch zwei Blocks!“ Noch zwei Blocks, dann würde er dem Jungen die schmutzige Windel wechseln und ihm die Flasche geben. Rafe fragte sich kopfschüttelnd, wie sich irgendjemand Babys wünschen konnte.
Er hatte in den letzten Tagen viel Übung gehabt, und so schaffte er es, mit Baby, Trockenmilch, Wegwerfwindeln und Straßenkarte in die Wohnung zu gelangen, ohne irgendetwas fallen zu lassen. Inzwischen schrie der Kleine in den höchsten Tönen.
Rafe eilte mit dem kleinen Schreihals ins Badezimmer, wo er sich einen provisorischen Wickeltisch eingerichtet hatte. Er befreite Peanut von der vollen Windel, wusch ihm den kleinen Po und puderte ihn ausgiebig, nachdem er ihn abgetrocknet hatte. Wenigstens die Probleme des Kleinen sind leicht zu lösen, dachte er schmunzelnd. Sobald Peanut sauber war, schluchzte er noch ein, zwei Mal, und dann lächelte er wieder.
„So, kleiner Mann, und jetzt gibt’s was zu essen.“
Rafe probierte die zubereitete Milch und prüfte die Temperatur. Er fand die Milch ziemlich ungenießbar, aber der Kleine trank gierig, bis die Flasche leer war. Dann gab er ein zufriedenes Bäuerchen von sich. Rafe wickelte ihn noch einmal und danach schlief sein kleiner Sohn mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht sofort ein.
Endlich hatte er etwas Zeit und Ruhe für sich. Er schob eine Tiefkühlpizza in den Ofen, schenkte sich ein Glas Milch ein und machte es sich mit einem Buch über Babypflege gemütlich.
Nachdem er die Hälfte der Pizza gegessen hatte, nickte er in seinem Sessel ein. Ganze Berge schmutziger Windeln verfolgten ihn in seinem Traum, aus dem er erst einige Stunden später auffuhr, geweckt von Peanuts forderndem Geschrei. Rafe hatte das Gefühl, überhaupt keine Pause gehabt zu haben. Seine Vaterpflichten schienen ihm jeden Freiraum zu nehmen.
Aber dieses Gefühl schwand sofort wieder. Nachdem er Peanut frisch gewickelt und gefüttert hatte, hielt er ihn im Arm, gab leise zärtliche Laute von sich und beobachtete, wie das Baby mit seinen Augen aufmerksam dem glitzernden Diamanten in seinem Ohr folgte.
Schließlich legte er den Kleinen auf eine Decke auf dem Boden und sah zu, wie er mit Ärmchen und Beinchen fröhlich ruderte, zufrieden mit sich und seiner kleinen Welt. Rafe schmunzelte. So einfach konnte das Leben also sein.
Dieser kostbare Moment wurde jäh unterbrochen, als jemand an seine Tür klopfte. Sofort war Rafe in höchster Alarmbereitschaft. Nur die engsten Kollegen kannten seine Adresse. Dieser nächtliche Besuch konnte nur Gefahr bedeuten.
Er zog seine Pistole aus dem Halfter, entsicherte sie, ging auf Zehenspitzen zur Tür und stellte sich seitlich davon auf. „Wer ist da?“
„Manny Molina.“
Rafe fluchte innerlich und verharrte völlig regungslos. Manuel war der einzige Molina, dem er bisher noch keinerlei Verbindung zu Drogen hatte nachweisen können. Er schien genau das zu sein, für was er sich ausgab. Ein Gastronom.
„Sind Sie allein?“
„Klar bin ich allein. Ich will nur reden.“
Rafe machte die Tür einen Spalt auf und spähte nach draußen. Manny war tatsächlich allein. „Wie haben Sie mich gefunden?“
„Wie finden Sie Leute?“ Manny sah ihn kopfschüttelnd an. „Ich habe Sie natürlich beschatten lassen.“
Rafe spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. „Warum?“
„Wegen des Jungen. Ich will mit Ihnen über den Kleinen reden. Das ist alles, ich schwöre es. Und wenn Sie glauben, ich verrate den anderen, wo Sie zu finden sind, irren Sie sich gewaltig, Ortiz. Das da drinnen ist schließlich mein Neffe!“
„Na, dann brauche ich mir ja wirklich keine Sorgen mehr zu machen“, meinte Rafe sarkastisch.
Manny zuckte die Achseln. „Ich habe nichts gegen Sie, Ortiz. Mein Bruder hat die Strafe gekriegt, die er verdient. Drogenhandel! Ich habe selbst Kinder, und ich will diesen Mist nicht auf der Straße haben. Raquel war auch dagegen. Aber lassen Sie uns doch drinnen reden.“
„Was wollen Sie, Manny?“
„Ich will den Jungen sehen. Mein Fleisch und Blut. Das einzige Kind meiner verstorbenen Schwester. Können Sie das nicht begreifen?“
Widerstrebend, die Pistole fest im Griff, machte Rafe die Tür auf und ließ Manny rein. Der Mann trug einen dunklen Anzug mit Krawatte, jeder Zoll der erfolgreiche Geschäftsmann.
Ohne auf seine teure Kleidung zu achten, kniete sich Manny auf den Boden neben das Baby.
„Er kommt ganz nach Ihnen“, meinte er nach eingehender Musterung. „Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Kinder im ersten Lebensjahr immer dem Vater ähneln.“
Peanut gurgelte fröhlich und wedelte aufgeregt mit Ärmchen und Beinchen.
Rafe vergewisserte sich schnell, dass sich niemand im Hausflur oder unten auf dem Hof versteckt hielt. Dann trat er zurück in die Wohnung, schloss die Tür und drehte sich um, gerade als Manny den Kleinen hochnahm. Das gefiel ihm gar nicht. Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Wohnungstür und versperrte Manny so den Weg nach draußen.
„Was wollen Sie, Molina?“
„Meinen Neffen besuchen“, wiederholte der ungebetene Gast. „Das hier ist Raquels einziges Kind. Ich möchte ihn hin und wieder sehen. Und meine Mutter auch. Er ist schließlich ihr Enkel.“
„Raquel wollte, dass ich den Jungen von der Familie fernhalte.“
Manny lachte verächtlich. „Mich und Mummy hat sie damit sicherlich...