E-Book, Deutsch, 436 Seiten
Lehmann Der unterschätzte Mensch
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-5670-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dein Selbst und die Zukunft der Gesellschaft
E-Book, Deutsch, 436 Seiten
ISBN: 978-3-7583-5670-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein tiefgründiger und doch erstaunlich lesbarer Ritt von dem innersten Selbst bis hin zu gesellschaftlichen Zusammenhängen, über das eigene Gehirn bis hin zu künstlicher Intelligenz. Mit dem Ziel, dich und die Gesellschaft zu ermächtigen, werden Zusammenhänge, Probleme und Lösungen aufgezeigt. Die moderne Welt lässt sich in ihrer Komplexität nur begreifen, wenn die verschiedenen Bereiche nicht getrennt voneinander, sondern als Gesamtheit verstanden werden. Dieses Buch nimmt sich dem Spagat zwischen Psychologie, Wirtschaft und Politik, zwischen Philosophie, Wissenschaft und Alltag an, ohne sich dabei in Fachwissenschaften zu verlieren. Auf dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Gesellschaft besser verstehen.
Der Autor Fabian Lehmann, geboren 1991 in Heidelberg, besitzt ein abgeschlossenes Studium in Physik, Bereich Quanteninformation. Mit einem Auge auf gesellschaftsrelevante Themen erlaubt ihm die Brücke zwischen studierter Naturwissenschaft und geführtem Unternehmen Einblicke in das, was wirklich wichtig ist: der Mensch selbst.
Autoren/Hrsg.
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Teil II
Andere Menschen
6 Andere Menschen sehen
6.1 Du bist genauso anders
Andere Menschen sind mit das Wichtigste im Leben: Ohne dich gibt es kein Selbst, aber ohne sie keine Gesellschaft, keinen Austausch und kein menschliches Leben. Dennoch bewerten wir auf unseren Lebenswegen meist vieles andere höher als andere Menschen und investieren unsere Zeit und Energie auf tote Dinge, ohne dabei Raum für menschliche Individuen zu lassen. Geld ist essentiell, Stärke ist erstrebenswert und Machtposition ist wichtig. Wenn du dich in solchen Aussage wiedererkennst, so erlaube dir einen Moment und betrachte, was für dich „Wert“ bedeutet: Sicher sind Dinge wie Vermögen, Macht und Status wertvoll, aber diese bleiben immer nur Werkzeuge um etwas erreichen zu können, was über Werkzeuge selbst hinaus geht. Was ist dieses „etwas“ für dich? Wozu sammelst du Werkzeuge, Fähigkeiten und Möglichkeiten? Welche Werte erhoffst du dir mit diesen zu ermöglichen? Du hast nicht immer die Möglichkeit, nach deinem inneren Werteverständnis zu handeln, aber wenn du Möglichkeiten hast und nicht nutzt, solltest du dir überlegen, was eigentlich der Sinn dahinter ist. In diesem Kapitel versuchen wir die Brücke zu schlagen von deiner rein persönlichen Lebenswelt hin zum Leben mit anderen Menschen. Dafür ist es wichtig zu erkennen, dass diese unabhängig von deiner Lebenswelt existieren. Auch wenn Menschen in deinem Weltbild eine bestimmte Rolle einnehmen, seien es feste Strukturen, nützliche Kräfte oder vorhersehbare Mitbewohnerinnen, so sind sie tatsächlich weitaus mehr als das. Das gesamte, vorherige Kapitel (I) zeigt dir eine potentielle Vielfalt der individuellen Lebenswelten, je nach Erfahrungen, Denkweisen und Identifikationen, welche ganz verschiedene Persönlichkeiten ermöglichen, und da haben wir noch nicht einmal angefangen über zwischenmenschliche Prägungen zu sprechen. Versuche dir deutlich zu machen, dass es neben dir ebenso individuelle Personen gibt, wie dich. Jeder Mensch ist weder Spiegelbild von dir, weil unabhängig, noch seelenloses Gemälde, weil lebendig, sondern ein Mensch, wie du, nur anders. Andere Menschen lassen sich nicht verallgemeinern, wie auch du dich nicht verallgemeinern lässt. Andere Menschen sind immer Individuen und handeln entsprechend differenziert, wie du auch - mit dem Unterschied, dass du dich in deinem Handeln viel leichter erkennst, als dass du fremde Menschen in ihrem erkennst. Ein erster Schritt auf dem Weg dein Gegenüber zu sehen ist daher, den anderen Menschen als Individuum zu verstehen, mit all seinen/*/ihren individuellen Entscheidungen, eigenen Empfindungen und persönlicher Geschichte. Jede Person ist einzigartig und nur weil du jede Einzigartigkeit nicht sehen kannst, heißt das nicht, dass die Menschen es nicht sind. Wie vielleicht aufgefallen ist, spiele ich hier zugleich mit verallgemeinernden Beschreibungen und der einzigartigen Individualität der Menschen. Ich möchte damit deutlich machen, dass immer, wenn wir von den Menschen, den Leuten oder den Bürgerinnen reden, über viele individuelle Einzelpersonen sprechen. Vergessen wir dies, drohen wir in unzulässige Verallgemeinerungen und verfälschende Vorurteile abzurutschen. Wir können auf übergeordneter Ebene sprechen, wenn sich unsere Aussagen auch auf diese beschränken; sobald wir aber konkret werden, muss diese Einschränkung auch durch unsere Sprache reflektiert werden. „Das kann ja jeder sehen“, im direkten oder übertragenen Sinne, ist ein solches Beispiel, welches eben nicht auf jeden Menschen zutrifft, obwohl die Aussage dies suggeriert. So wie es blinde Menschen gibt, gibt es auch geistig behinderte Menschen - und in dem Moment einer solchen Aussage, wirst du blind gegenüber diesen. Denn wie willst du Menschen gerecht werden, die du nicht einmal erwähnst (7.3)? Wir entwickeln unser Verständnis über andere Menschen mittels uns selbst und vergessen dabei oftmals, dass diese anderen Personen eben nicht wir selbst sind. Doch wie willst du deine Außenwelt begreifen, wenn du nicht verstehst, wo du falsch liegst? Abstrahieren ist hier die Technik, die gefragt ist, um Individuen eben als solche zu sehen und nicht als Klone unserer selbst. Wir müssen lernen, aus dem Besonderen, welches wir sind, auf übergeordnete Ebenen zu verallgemeinern und daraus Verständnis für die Besonderheit des anderen Menschen aufzubringen. Denn so beschränkt, wie dein Weltbild ist (2), ist dies auch deine Sicht auf andere Menschen. 6.2 In der dritten Person
Die grundsätzliche Beschränktheit deiner Selbst auf diese eine eigene Lebensrealität lässt sich nicht umgehen, aber ein bewusster Umgang mit dieser Limitierung kann die Sicht schärfen. Eine hilfreiche Methode ist hier das Sehen in der dritten Person, also nicht nur die andere Person von außen zu betrachten, sondern auch sich selbst. Ein Beispiel, du fährst Auto, hast es eilig und jetzt gerade muss vor dir ein nerviger Radfahrer auf der Straße fahren? Eine dritte Person hätte hier eine neutralere Position und kann als gedanklicher Trick auch so genutzt werden, denn vielleicht fährt hinter dem Radfahrer auch ein nervig dicht auffahrendes Auto? Wer ist eher im Recht, die Person auf dem Fahrrad oder die Person im Auto? Aus einer solchen Position heraus lässt sich mehr sehen, als aus der eingeschränkten Sichtweise, welche den Radfahrer hauptsächlich als störendes Hindernis wahrnimmt. So lässt sich ein der eigenen Person übergeordnetes Verständnis entwickeln, welches der Situation gerechter wird. Gibt es vielleicht keinen alternativen Radweg, ist die Straße sowieso geschwindigkeitsreduziert und welche Person ist verkehrstechnisch gefährdeter? Dieser kurze Gedankengang kostet dich keine Fahrtzeit, aber lässt dich vielleicht etwas sicherer fahren. Solche Betrachtungen von Außen können auch genutzt werden, um die eigenen Gedanken zu hinterdenken: Warum bin ich gerade in dieser Stimmung, woher kommt diese, was macht sie mit mir und was wäre wohl angemessen zu tun? Eigene Gedankengänge lassen sich so auf Hintergründe, Motivationen und Einschränkungen, wie beispielsweise Emotionalisierung, Vorurteile oder Unwissen abklopfen. Wenn du dies oft genug machst und dich selbst besser verstehen lernst, kannst du die gleiche Technik dieser Außensicht, wenn auch eingeschränkt, auf andere Personen anwenden. Du wirst dabei nie genau wissen, wie und was die andere Person denkt, aber du kannst die Idee eines Verständnisses entwickeln. Denn auch wenn es sich um einen anderen, individuellen Menschen handelt, bist du selbst eben auch einer, mit grundlegend ähnlichen Bedürfnissen und Funktionsweisen. Und wenn du es schaffst, dich selbst von außen zu erkennen, kannst du zumindest versuchen, dies auch bei anderen Menschen zu tun, ohne anzunehmen, dass dir dies immer gelingt. Hier tust du dich leichter, wenn du ein breiteres Vorstellungsvermögen hast: Du bist nicht nur auf direkte, eigene Erfahrungen angewiesen, sondern kannst auch fremde Eigenschaften miteinbeziehen. Ein blinder Mensch mag beispielsweise wenig mit einem Buch anfangen können, wenn es weder hörbar, noch fühlbar ist; du musst selbst nicht blind sein, um dies nachempfinden zu können. So wie es aber Sehbehinderungen im wortwörtlichen Sinne gibt, gibt es beispielsweise auch Behinderungen des Sehens im übertragenen Sinne: Fehlen dir selbst gewisse Gefühlsregungen, bist du unfähig, diese bei anderen Menschen nachzuempfinden und wirst deswegen anders handeln, als es hier nicht behinderte Menschen tun würden. Ein konkretes Beispiel wäre hier die psychische Behinderung des alltagseinschränkenden Narzissmus5: Eine betroffene Person kann nicht mit anderen Menschen mitfühlen und neigt deshalb zu emotional ausbeuterischem Verhalten zu eigenem Nutzen. Zum einen kann das Verhalten anderer nicht ausreichend gut eingeschätzt werden und zum anderen wird dazu geneigt, die eigene, persönliche Lebenswelt überzubewerten. Hast du als außenstehende Person Kontakt mit Narzisst*innen, darfst du nicht erwarten, emotional fair behandelt zu werden, da hierfür Empathie wichtig ist. Und umgekehrt darfst du als Narzisst*in nicht erwarten, dass deine Empfindungen immer zwischenmenschlich gerechtfertigt sind und benötigst hier bewusste Selbstreflexion und äußere Hilfestellung. Im Alltag bedarf es gar nicht solch spezieller Beispiele um das Bedürfnis zu motivieren, fremde Personen in ihrer Individualität verstehen zu wollen. Es reicht dafür schon unsere Neugier und Interesse, die Welt und ihre Wesen zu verstehen: Warum handelt eine andere Person nicht so, wie du ihrer statt handeln würdest? Warum hat ein Mensch andere Interessen, Motive und Gefühle? Woher stammt eine bestimmte Haltung oder eine bestimmte Meinung? Hier bitte ich zu differenzieren, denn Haltungen, Interessen und Motive lassen sich sachbezogen diskutieren, während eine Meinung oder ein Gefühl persönlich ist (3.2, 3.3). Eine Einordnung des Willens wird ebenso wichtig, da hier Motive wie Böswilligkeit oder guter Wille erahnt werden können und sich Handlungen und Haltungen so besser...