E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Lehmann Die Heilerin vom Schwarzwald
2023
ISBN: 978-3-8392-7604-4
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Historischer Roman
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Reihe: Historische Romane im GMEINER-Verlag
ISBN: 978-3-8392-7604-4
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Schwarzwald, 637 n. Chr.: Die junge Heilerin Frida lebt gemeinsam mit ihrem Stamm inmitten der Natur. Heilige Bäume und Naturgötter bestimmen ihr Leben. Doch als Mönche in den Wald kommen, läuft Fridas Zuhause Gefahr, durch eine Welt voller Vergeltung und Schuld zerstört zu werden. Denn die Heiden sollen zu Gott finden - koste es, was es wolle. Als immer mehr Alamannen den neuen Glauben annehmen, gerät Fridas Welt ins Wanken und sie begibt sich in Lebensgefahr.
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2. Kapitel
Überlingen am Bodensee »Rupert, du genießt mein vollstes Vertrauen und das unseres Frankenkönigs.« »Ich danke dir für deinen Glauben und verstehe deine Erwartungen, Gunzo. Doch ich möchte nicht in den dunklen Wald zu einer Handvoll wilder Germanen mit verwerflichen Sitten. Es sind Ungebildete, die rohe Wollstoffe auf nackter Haut tragen. Sie leben in fensterlosen, verrauchten Verschlägen und verehren ihre blutrünstigen Götzen. Meine Mission ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen und sie mit der Liebe Christi zu erleuchten. Das kann ich am besten in den Städten verwirklichen. Im Schwarzwald sollen nur wenige Heiden leben, das lohnt sich nicht. Mit deiner Unterstützung möchte ich weiter in den Osten ziehen, zu größeren Siedlungen.« Rupert war lauter geworden als üblich. Sonst gab er sich gegenüber dem Landesherzog stets ruhig und besonnen. Doch dieser hielt heute gegen ihn. »Gerade diese wilden Heiden benötigen deine Unterstützung. Wir haben größte Schwierigkeiten, sie auf den rechten Pfad zu bringen. Und du bist der richtige Mann dafür. Unser Frankenkönig wird langsam ungeduldig.« Gunzo saß nah am Feuer auf einem dick mit Fellen bestückten Stuhl. Es war sehr kalt an diesem Februarmorgen, seit Monaten bedeckte ein eisiger Frost Überlingen und schien sich in seinem Haus ausgebreitet und in jeder Ecke festgesetzt zu haben. Das Gebäude entsprach sowieso nicht seinen Ansprüchen und war in jeder Hinsicht nicht standesgemäß für seine Aufgabe als Landesherzog. Überall zog es in diesem Haus. Seine Knochen schmerzten und seine Gelenke waren entzündet, die Kraft des jungen Mannes hatte ihn verlassen. Auf tagelange Ritte im Regen, auf Streitigkeiten und Machtkämpfe konnte er verzichten. Er sehnte sich zusehends nach Wärme, Wohlbefinden und Frieden. Wenn er Rupert für seine Idee gewinnen und ihn in den Schwarzwald schicken könnte, könnte er dem Frankenkönig schnell von Erfolgen berichten und sich angenehmeren Dingen zuwenden. In Gedanken war er schon bei dem schweren Eichenfass, in dem ein herrlicher Wein reifte, dunkel und trocken, so wie er ihn liebte. Doch Rupert zeigte sich störrisch, er forderte sein ganzes Argumentationstalent. »In großen Siedlungen Menschen zu erreichen, ist einfach. Dort haben die Germanen unsere christlichen Werte größtenteils verstanden. In unerschlossenen Gegenden das Wort Gottes zu verkünden und Menschen zu begeistern, erfordert Fingerspitzengefühl, höchste Beharrlichkeit und einen Scharfsinn, den ich nur dir zutraue. Diese schwierige Aufgabe sollst du übernehmen. Denke an deinen Auftrag: peregrinatio pro Dei amore, ziehe aus Liebe zu Gott in fremde Länder. Zu diesen Wilden ist noch kein Mönch vorgedrungen. Das ist eine echte Herausforderung!« Weiße Atemwolken begleiteten seine Worte. Rupert war ein viel gereister Geistlicher. Vor etlichen Jahren war er von einer großen Insel im Nordwesten gekommen, um die frohe Botschaft des Herrn in entfernte Länder zu tragen. Gemeinsam mit zwölf weiteren Brüdern war er in einem wackligen Holzboot über das stürmische Meer gerudert und im Reich des Frankenkönigs angekommen. Viele der Siedlungen, die er auf seinen Wegen aufsuchte, hatten bereits den christlichen Glauben ihres Königs angenommen, auch wenn die Menschen nach wie vor ihre heidnischen Götter verehrten. Das war Rupert ein Dorn im Auge, für ihn gab es keine Kompromisse. Er sah es als seine göttliche Berufung, die heidnische Götterwelt ganz aus dem Leben der Germanen zu vertreiben. Bisher hatte er sich in weitläufigen Siedlungen und Städten aufgehalten, nur dort konnte er möglichst viele Menschen erreichen. In den Kirchen und auf den großen Plätzen des Reichs hatte er gepredigt, Zweifel gesät und mit Hoffnung gelockt, ein fanatisches Blitzen in den Augen. Er hatte vorgehabt, weiter in den Osten zu ziehen, entlang des großen Sees. Jedoch bot ihm Gunzos Auftrag die Möglichkeit, etwas zu erreichen, was bisher noch niemandem gelungen war. Würde er es tatsächlich schaffen, auf bisher wildem Territorium den christlichen Glauben zu etablieren und ein Kloster zu gründen? Sein Name würde in Ewigkeit strahlen. Rasch wog Rupert die Vorzüge und Nachteile ab. Letztendlich reizte ihn die schwere Aufgabe der Bekehrung mehr als alles andere. Müßiggang ist ein Feind der Seele, das war eines seiner vielen Prinzipien. Er müsste seine Pläne, in den Osten zu ziehen, verschieben. Doch so einfach sollte es Gunzo nicht haben, vor allem weil Rupert ahnte, dass die Beweggründe des Landesherzogs niederer Natur waren. Gunzo ging es nicht darum, den wahren Glauben zu etablieren, sondern darum, vor seinem König gut dazustehen. Gunzos Katze, ein dicker, runder Tiger, trottete in diesem Moment gemächlich auf die beiden Männer zu, umschlich zunächst laut schnurrend die Beine des Landesherzogs und setzte dann zum Sprung auf dessen Schoß an. Dort angekommen, machte die Katze einen beeindruckenden Buckel, sträubte ihr Fell, schaute feindselig in Ruperts Richtung und fauchte ihn böse an. Mit einer Zärtlichkeit, die man dem mächtigen Landesherzog gar nicht zugetraut hätte, strich er seinem Haustier über das Fell. »Ist sie nicht hinreißend? Na, meine Süße, hast du mich vermisst?« Das Tier wandte sich Gunzo zu, schnurrte, bezirzte ihn, warb um seine Gunst und streichelte ihn mit seinem dicken Schwanz, um ihm dann das Gesicht zu lecken. Als hätte sie zwei Gesichter, dachte Rupert. Angewidert betrachtete er die Katze, die genauso aufgedunsen und rot war wie ihr Gönner. »Sie ist so reizend, nicht wahr?« Gunzo liebkoste entzückt sein Haustier und schaute in Ruperts Richtung. »In der Tat, reizend!« Rupert hasste Katzen. Sowieso waren alle Tiere für ihn Lebewesen zweiter Klasse, Kreaturen, die Gott nur erschaffen hatte, damit sie den Menschen dienten und ihnen nützlich waren. Wieder wandte sich die Katze ihm zu und sah ihn aus ihren funkelnden Augen an, ein hinterlistiger Blick, so schien es Rupert zumindest. Dann drehte sie sich um die eigene Achse, ließ sich auf Gunzos Schoß nieder und rollte sich genüsslich schnurrend ein. Die Hierarchien waren geklärt. Sie hatte gezeigt, wer die Herrscherin im Hause des Landesherzogs war. Um das Tier nicht weiter anschauen zu müssen, verfiel Rupert in eine gebückte Gebetshaltung. Nach einer Weile richtete er sich auf, öffnete die Augen und blickte direkt in das Gesicht des Landesherzogs. Alles an ihm war rot: von den feinen Äderchen, die sich wie ein filigran gewebtes Netz auf den Wangen und den Nasenflügeln ausbreiteten, über seine Augen, die Rupert an die Fische erinnerten, die er bei der Überquerung über das große Meer gesehen hatte, bis hin zu seinem roten Umhang. Rupert räusperte sich. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass es im schwarzen Wald so dunkel ist, dass Ackerbau und Viehzucht nur unter schwersten Bedingungen möglich sind. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Klostergründung.« »Mit der Erlaubnis unseres Königs darfst du den Wald großzügig roden und ein Kloster nach deinen Vorstellungen gründen. Überlege doch! Eine klösterliche Stätte als Zentrum des Glaubens, die deinen Namen tragen wird. Langfristig könnte sogar eine Klosterschule entstehen, in die Adlige ihre Söhne senden. Das wäre ein großer Erfolg für dich. Das Land im Südschwarzwald habe ich dir auf der Karte eingezeichnet.« Gunzo setzte seine protestierende Katze auf dem Boden ab, bevor er sich erhob und Rupert an einen großen Tisch winkte. Dort lag ein aufgerolltes Dokument. Gunzo deutete auf eine darauf eingezeichnete gestrichelte Linie. »Du gehst zunächst immer den Rhein entlang. Ab diesem Zufluss immer Richtung Nordosten.« Er spürte, dass Rupert trotz der vorgebrachten Einwände angebissen hatte und sich für die schwere Aufgabe begeisterte. Auch wenn er sich noch skeptisch zeigte. »Für diese Aufgabe benötige ich zwölf Männer, keine sechs. Wenn es unser Auftrag ist, die frohe Botschaft des Herrn im Schwarzwald zu verkünden, dann sollte ich, wie Jesus es mit seinen Aposteln tat, mit zwölf Mann in den Schwarzwald ziehen. Ich brauche auch einen guten Schmied und einen Zimmermann unter den Mönchen.« »Nun gut, die sollst du bekommen. Du darfst dir die besten Männer aussuchen. Für die Rodungen und den Bau stelle ich dir einen Freibrief aus. Sobald die Wege trocken sind, sollst du aufbrechen.« Gunzo war sichtlich erleichtert und wollte schnell zu einem Schluss kommen. Zwar hatte er Ruperts Forderung nach zwölf Mann nachgegeben, doch war er froh, dass der Mönch überhaupt in den Schwarzwald ging. Zum einen würde er sicherlich schon bald seinem König die Konvertierung des Südschwarzwalds verkünden können, zum anderen war ihm Ruperts asketische Lebensweise lästig. Streng mit sich selbst, forderte dieser von seinen Mitmenschen die gleiche Lebenseinstellung, die aus Verzicht, Buße und Gebet bestand. Eine Mischung aus unausgesprochenem Vorwurf und blanker Verachtung ihm gegenüber lag immer öfter in Ruperts Blick und hinterließ bei ihm ein Gefühl des Unwohlseins. Gunzo fiel es schwer, Verzicht zu üben, feines Essen und gute Weine versüßten ihm das Leben. Der Alkohol, gerade in dieser zugigen Behausung, wärmte ihn von innen und ließ ihn manche Sorge vergessen. Mit einer Handbewegung deutete er Rupert zu gehen. Dieser befolgte den Befehl des Landesherzogs mit einem kurzen, tiefen Nicken und verließ den Raum. Endlich konnte Gunzo sich ein Glas von dem vorzüglichen Rotwein einschenken lassen, den ihm sein Frankenkönig Dagobert als Geschenk überlassen hatte. Obwohl sie noch ein Kind war, hatte er es geschafft, seine Tochter Fridiburga mit dem...