Lelord | Hector & Hector und die Geheimnisse des Lebens | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten

Reihe: Hectors Abenteuer

Lelord Hector & Hector und die Geheimnisse des Lebens


10001. Auflage 2010
ISBN: 978-3-492-95138-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten

Reihe: Hectors Abenteuer

ISBN: 978-3-492-95138-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Junge findet das Leben ganz schön kompliziert. Und sein Vater, der Glücksexperte Hector, stellt fest, dass die ewigen Fragen niemals aufhören. Voller Weisheit und mit frechem Charme erzählt der Bestsellerautor François Lelord die Geschichte von dem Kind, das wir alle einmal waren, und von der großen Unternehmung, die Geheimnisse des Lebens zu entdecken.

Warum sind manche Menschen trotz objektiv positiver Lebensumstände unglücklich und andere glücklich? Das ist eine typische Frage für den Psychologen Hector und damit für François Lelord, der diese literarische Figur erfunden hat. Der 1953 in Paris geborene Autor arbeitete nach einem Studium der Medizin und Psychologie zunächst als Psychiater. Auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens ließ er seinen Beruf einige Jahre ruhen, um sich ganz dem Schreiben und Reisen, vor allem durch Asien, zu widmen. Sein erstes Buch um Hector erschien 2002 und wurde wie die folgenden »Hector«-Romane ein internationaler Bestseller. Insgesamt haben sich François Lelords Bücher im deutschsprachigen Raum über 3,5 Millionen Mal verkauft. François Lelord lebt mit seiner Familie in Paris.
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Petit Hector, die Verdienste und die Freiheit

Wir hatten ja schon erwähnt, dass Petit Hector in so ziemlich allen Fächern gute Noten hatte, aber ganz besonders im Aufsatzschreiben und in den Naturwissenschaften, genau wie Orhan. Hectors Noten waren aber trotzdem noch besser als die von Orhan. Im Rechnen hingegen hatte Arthur fast immer die Nase vorn. Binhs Zensuren waren mittelprächtig, aber rechnen konnte er fast genauso gut wie Arthur.

Im Grunde gab es in der Klasse die Guten, die Mittelguten und dann natürlich die Schlechten.

Den Schlechten gegenüber fand der Lehrer nicht immer nur freundliche Worte, und selbst auf dem Pausenhof bemerkte Petit Hector, dass die Schlechten oft untereinander Freundschaften schlossen, außer Guillaume, der mit manchen Guten befreundet war, aber beim Fußball war er natürlich selbst ein Guter. Manche von den Mittelguten und selbst einige Gute machten sich über die Schlechten lustig. Besonders gab es da zwei Sehrschlechte – Eugène und Victor.

Eugène war ein kleiner Dicker, und allein schon, weil er so rund war, lachten sie über ihn und nannten ihn Dezitonne, und außerdem schien er im Unterricht nie hinzuhören und hatte nichts als schlechte Noten. Und dann war auch seine Mutter nicht die hübscheste Maman der Welt, alles andere als das; auch sie hätte Dezitonne heißen können. Eugène hatte allerdings das Glück, einen anderen von den Sehrschlechten zum Freund zu haben, nämlich Victor. Victor war groß und stämmig – kein Wunder, er war schon zwei Jahre älter als die meisten Schüler seiner Klasse, und daher machte sich keiner allzu sehr über Victor lustig, zumindest nie, wenn er dabei war. Victor schienen seine schlechten Noten immer schnurz zu sein, selbst wenn der Lehrer zu ihm sagte: »Victor, du steuerst geradewegs auf die Katastrophe zu!« Petit Hector sagte sich, dass Victor wirklich ein Idiot sein musste, wenn ihm das, was der Lehrer sagte, dermaßen egal war. Er wurde nicht von seinen Eltern abgeholt, sondern von seinem großen Bruder, und über den mochte sich gleich gar keiner lustig machen, denn er war wirklich sehr groß und sehr stämmig, und besonders nett schien er auch nicht zu sein. Aber trotzdem musste er nicht schlecht verdienen, denn er trug immer eine dicke Goldkette um den Hals.

Eines Tages hatte Petit Hector sehr gute Noten bekommen und kam hochzufrieden nach Hause.

Am Abend sagte er zu seiner Maman: »Ich bin der Beste, ich habe überall gute Noten gekriegt.«

»Bravo, ich freue mich über dich.«

»Im Aufsatz war ich sogar besser als Orhan, und im Rechnen hatte ich genauso viele Punkte wie Arthur.«

»Orhan, das ist doch der Junge, dessen Vater den großen Lieferwagen hat?«

»Ja.«

»Alle Achtung, bei ihm ist das wirklich ein Verdienst.«

»Und bei mir nicht?«

»Doch, bei dir auch«, sagte seine Maman, aber dabei schien sie an etwas anderes zu denken.

Petit Hector war nicht gerade zufrieden. Er spürte, dass seine Mutter fand, dass Orhan mehr »Verdienst« hatte als er, und außerdem wusste er nicht so recht, was das eigentlich heißen sollte.

»Warum findest du, dass es bei ihm ein größeres Verdienst ist als bei mir?«

»Oh, Petit Hector, ich wollte dir keinen Kummer machen …«

Seine Maman erklärte ihm, dass Orhans Eltern aus einem anderen Land kamen, wo sie auch zur Schule gegangen waren. Und zu Hause sprachen sie weiterhin die Sprache dieses Landes, und wenn sie die Sprache von Petit Hector und seinen Eltern sprachen, hatten sie immer noch einen komischen Akzent, was Petit Hector auch schon bemerkt hatte, wenn sie Orhan von der Schule abholten.

»Du hingegen konntest uns zu Hause immer richtig sprechen hören, seit du ein ganz kleiner Junge warst. Für dich ist es also ein bisschen einfacher, richtig zu sprechen oder einen guten Aufsatz zu schreiben. Für Orhan ist es schwieriger, und deshalb habe ich gesagt, dass er große Anerkennung verdient, wenn er gute Aufsatznoten hat.«

Petit Hector verstand.

»Er hat das Verdienst, aber ich habe trotzdem die besseren Noten!«

»Ja, natürlich«, sagte Maman.

Am Abend bei Tisch fragte ihn sein Papa, welche Noten er bekommen hatte, und Petit Hector berichtete noch einmal, wie gut sie waren, und sagte dann: »Aber Maman meint, bei Orhan ist das ein größeres Verdienst.«

»Ah, du hast mit ihr über Verdienste gesprochen?«, fragte sein Vater. »Und wenn Orhan weniger gute Noten hätte, wäre es dann trotzdem sein Verdienst?«

Petit Hector hatte es sehr gern, wenn sein Papa ihm Fragen stellte; er spürte, dass sie ihm dabei helfen sollten, die Lektionen des Lebens zu lernen.

»Das würde doch bedeuten, dass er nicht so fleißig gewesen ist.«

»Oder noch etwas anderes?«, fragte sein Papa. »Wenn du eine Menge trainieren würdest, könntest du dann besser Fußball spielen als Guillaume?«

»Nein«, sagte Petit Hector.

Er hatte schon oft daran gedacht, aber er spürte ganz deutlich, dass es ihm nicht gelingen würde. Schließlich hatte er akzeptiert, dass er niemals sehr gut in Fußball sein würde, aber das traf sich verdammt gut, denn er hatte sowieso keine Lust, Fußballer zu werden.

»Wenn Orhan nicht so gute Noten hätte, obwohl er fleißig lernen würde … dann würde das bedeuten, dass er nicht sehr begabt zum Aufsatzschreiben ist!«

»Sehr gut, Petit Hector. Aber er hat doch gute Noten?«

»Ja«, sagte Petit Hector.

»Wenn Orhan also gute Noten hat, dann liegt es daran, dass er fleißig lernt oder dass er begabt ist, vielleicht auch ein bisschen an beidem.«

»Ja.«

»Hector …«, sagte seine Maman zu seinem Papa.

»Wenn er fleißig arbeitet – wer hat ihm das beigebracht?«, wollte sein Papa wissen.

»Ähm … seine Eltern?«

Petit Hector erinnerte sich daran, dass Orhan einmal erzählt hatte, sein Vater arbeite die ganze Zeit, und außerdem sage er immer zu ihm: »Orhan, vor der Arbeit darf man sich nie ausruhen, immer erst hinterher.«

»Ja, das Arbeiten haben ihm seine Eltern beigebracht. Oder nehmen wir an, er ist begabt, so wie Guillaume beim Fußballspielen – wo kommt das her?«

»Ähm … so ist er halt geboren.«

»Chéri, ich glaube, du solltest jetzt aufhören«, sagte Maman.

»Und wenn er so geboren ist, wo kommt das her?«

»Ähm … von seinen Eltern?«

»Siehst du«, sagte der Papa von Petit Hector. »Wenn er gelernt hat, richtig zu arbeiten, kommt das von seinen Eltern, und wenn er begabt ist, kommt das auch von seinen Eltern. Also kommt es nicht von ihm selbst.«

»Hör doch auf«, sagte die Maman von Petit Hector, »ich weiß, was du jetzt gleich wieder sagen wirst.«

Petit Hector begann zu begreifen, was sein Papa ausdrücken wollte: Wenn man noch ganz klein ist, kommt alles von den Eltern.

»Also hat Orhan gar kein Verdienst!«

»Wenn man so will«, sagte sein Papa. »Und du ebenso wenig.«

»Hector!«, sagte seine Maman.

»Also haben die Guten keine Verdienste?«

»Nein«, sagte sein Papa. »Und die Schlechten?«

»Ähm … Nein, die auch nicht. Also ist es auch nicht ihre Schuld?«

»Genau«, sagte sein Papa, »gut oder schlecht, niemand hat Schuld dran.«

»Hector!«, rief seine Maman.

Und während des restlichen Abendessens sprachen sie über andere Dinge, und Petit Hector spürte, dass seine Mutter ein bisschen verärgert über seinen Vater war.

Später standen sie alle in der Küche. Sein Papa goss sich ein letztes Glas Wein ein, während Maman die Teller in die Spülmaschine stellte. Und dann sagte sie zu Petit Hectors Vater: »Auf diese Art möchtest du unserem Sohn wohl beibringen, dass es im Leben gar keine Verdienste gibt. Du willst einen verantwortungslosen Menschen aus ihm machen!«

»Nein, ich will ihm einfach zeigen, dass man über die Menschen nicht richten darf.«

»Du siehst alles durch die Brille deines Berufs«, sagte Petit Hectors Maman und klappte die Spülmaschine zu. Dann schenkte sie sich auch ein Glas ein.

»Ja, vielleicht, meine Liebe«, sagte sein Papa. »Aber weißt du – egal ob Erziehung oder Veranlagung, schuld sind immer die Eltern.«

»Also leugnest du den Wert des eigenen Bemühens?«

»Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil. Aber selbst hier noch … woher kommt eigentlich die Fähigkeit, sich anzustrengen?«

»Du glaubst also nicht an die Freiheit, an den freien Willen?«

»Genau«, sagte sein Papa, »so richtig glaube ich nicht daran.«

»Für dich sind wir nicht frei, das Gute oder das Böse zu tun?«

Petit Hector spürte, dass das Gute und das Böse für seine Mutter eine sehr wichtige Angelegenheit waren.

»Ich glaube wirklich eher, dass wir es nicht sind. Oder wenn wir einen Anteil Freiheit besitzen sollten, glaube ich jedenfalls nicht, dass er sehr groß ist.«

Maman sah so aus, als müsste sie überlegen, und dann sagte sie: »Wenn ich dich also richtig verstehe, sollte man Verbrecher – denn im Grunde ist es ja nicht ihre Schuld, wenn sie so sind, wie sie sind – auch nicht bestrafen!«

»Aber doch, natürlich, eine Gesellschaft kann gar nicht funktionieren, wenn man die schlechten Verhaltensweisen nicht bestraft und die guten nicht belohnt. Zu Handlungen, die der größtmöglichen Zahl von Menschen von Nutzen sind, muss man unbedingt ermutigen.«

»Du beurteilst den Wert des Handelns nach den Konsequenzen. Du bist ein unverbesserlicher Utilitarist!«, sagte Petit Hectors Maman und trank ihr Glas leer.

»Und du, du glaubst ans Gute, du glaubst an die Willensfreiheit, du bist eine Kantianerin!«, sagte Petit Hectors Papa und erhob sein Glas, als wollte er auf Petit Hectors Maman anstoßen.

»Das ist nichts Neues«,...


Lelord, François
François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie und wurde Psychiater, schloss jedoch seine Praxis, um sich und seinen Lesern die wirklich großen Fragen des Lebens zu beantworten. Er lebt in Paris und Bangkok.

Pannowitsch, Ralf
Ralf Pannowitsch, geboren 1965 in Greifswald, studierte Germanistik und Romanistik. Neben den Büchern von François Lelord übersetzte er u.a. Werke von Jean-Christophe Rufin, Karine Tuil und Randall Munroe. Heute lebt er als Lehrer, Übersetzer und Gärtner in Leipzig.



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