Lelord | Hector und die Suche nach dem Paradies | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Hectors Abenteuer

Lelord Hector und die Suche nach dem Paradies

Hectors erste Reise
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-492-97339-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Hectors erste Reise

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Hectors Abenteuer

ISBN: 978-3-492-97339-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hector ist 25 und zum ersten Mal so richtig verliebt. In Clotilde, eine Kollegin aus dem Krankenhaus, schön wie ein Botticelli-Engel, aber leider auch genauso unnahbar. Immerhin kann er mit ihr erstaunlich gut über etwas reden, das ihn nach dem Tod eines kleinen Patienten gerade sehr beschäftigt: Gibt es einen Gott? Und ist dieser Gott wirklich gütig und weise? Da passiert in der Klinik etwas Merkwürdiges: mehrere Patienten haben ganz plötzlich apokalyptische Wahnvorstellungen. Schuld daran scheint ein Tee aus einer Packung mit seltsamen Schriftzeichen zu sein. Kurz darauf sitzen Hector und Clotilde in einem Flugzeug in Richtung Himalaya, denn es gilt zu verhindern, dass die falschen Leute diesen Tee in die Finger bekommen. Vor Ort betreibt Hector fast zwangsläufig religionsvergleichende Studien - Buddhismus und Hinduismus bieten jemand, der gerade auf der Suche ist, jede Menge interessante Antworten. Und so ist diese Reise viel mehr als nur eine Gelegenheit sein, Clotilde vielleicht doch noch näher zu kommen...

Warum sind manche Menschen trotz objektiv positiver Lebensumstände unglücklich und andere glücklich? Das ist eine typische Frage für den Psychologen Hector und damit für François Lelord, der diese literarische Figur erfunden hat. Der 1953 in Paris geborene Autor arbeitete nach einem Studium der Medizin und Psychologie zunächst als Psychiater. Auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens ließ er seinen Beruf einige Jahre ruhen, um sich ganz dem Schreiben und Reisen, vor allem durch Asien, zu widmen. Sein erstes Buch um Hector erschien 2002 und wurde wie die folgenden 'Hector'-Romane ein internationaler Bestseller. Insgesamt haben sich François Lelords Bücher im deutschsprachigen Raum über 3,5 Millionen Mal verkauft. Lelord hat viele Jahre in Hanoi und Saigon gelebt und dort als Psychiater gearbeitet, bevor er 2017 nach Frankreich zurückkehrte.
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Als Hector, noch ganz außer Atem, die höchsten Gipfel des Himalaja vor sich erblickte, überkam ihn ein Lächeln. In seiner Kindheit hatte er immer davon geträumt, die gleichen Reisen wie Tim und Struppi zu machen. Vor einem Monat noch war er ein braver junger Arzt gewesen, der kürzlich seine erste Stelle im Krankenhaus angetreten hatte. Und jetzt war er hier, mitten im größten Gebirge der Welt, auf der Suche nach Abenteuern!

Die Gipfel ragten aus einem Meer aus Wolken hervor; sie ähnelten riesigen, von der Sonne vergoldeten Eisbergen. Überhaupt hatte er das Gefühl, dass diese gewaltigen Berge ihm etwas sagen wollten.

Und plötzlich war ihm, als wüsste er nun die Antwort auf Fragen, die ihn seit Jahren beschäftigten – Fragen nach der Existenz Gottes oder einem Leben nach dem Tode.

In diesen Höhen schien endlich alles klar! Die Bewohner dieser Weltgegend hatten recht. Das Universum und das Göttliche waren zusammen das große Eine. Gott war in den Felsen dieses Gebirges, im Nebel der Wolken, im Wehen des Windes und in den Strahlen der Sonne, Gott war in den Gesetzen, die dies alles lenkten!

An diesem mystischen Überschwang wollte Hector auch die junge Frau teilhaben lassen, die einige Schritte weiter stehen geblieben war und wie er in stille Andacht versunken schien. Sie war zwar in Oxford ausgebildet, aber auf der anderen Seite dieses Gebirges geboren worden; sie würde ihn gewiss verstehen.

»Tara«, begann er, »das hier ist es, jetzt habe ich es begriffen, alles ist nur eins! … Ähm … ich meine, dass Buddha … oder auch Spinoza, wenn man so will …«

Seine Worte wurden von einem ziemlich lauten Krachen unterbrochen – einem Geräusch, wie Hector es noch nie gehört hatte.

»Ach du große Güte«, sagte Tara. Sie zeigte auf eine riesige Bergflanke zu ihrer Linken, und Hector konnte dort etwas ausmachen, das wie eine große Welle aussah, die sich, aus der Ferne betrachtet, lässig und schweigend den Berg hinabbewegte. Es war eine Lawine, noch ziemlich weit weg, aber sie rollte auf Hector und Tara zu. Tara genügte ein Blick, um den einzigen Punkt auszumachen, der ihnen Schutz bieten konnte: einen Felsvorsprung, hundert Meter von ihnen, ein wenig bergauf. Sie rannten los.

Jetzt konnte man schon das Grollen der Lawine hören, und es wurde immer lauter. Sie würde sie einholen, ehe Hector und Tara den schützenden Felsvorsprung erreicht hatten; man konnte es sich an den Fingern abzählen.

Hector sah zu Tara, wie sie da vor ihm rannte, und bewunderte ein letztes Mal ihren außergewöhnlichen Charakter, all ihre Anmut, die nun einfach verschwinden sollte. Und es brach ihm das Herz, dass er – nach jenem ersten Mal letzte Nacht in einer einsamen Hütte tief in diesen Bergen – niemals wieder Liebe mit ihr machen würde.

Das Donnern wurde immer lauter; es war, als stürmten hundert Pferde im Galopp auf sie zu. Als Hector hochschaute, sah er die riesige Sturzwelle aus Schnee, die schon ganz nahe war.

Seltsamerweise hatte er keine Angst. Jetzt werde ich es endlich erfahren!, sagte er sich plötzlich. Doch statt dass er sein ganzes Leben an sich vorüberziehen sah, wie es manchen Menschen kurz vor ihrem Tod widerfährt, gingen Hector all die Fragen, die ihn seit Jahren umtrieben, noch einmal durch den Kopf.

Würde er in wenigen Sekunden zu einem gütigen Gott heimkehren und irgendwann im Paradies den Menschen wiederbegegnen, die er geliebt hatte?

Oder würde er sich in einem anderen Wesen neu verkörpern, in einem Tier, einer Pflanze oder in einem Menschen, der besser oder schlechter war als er? Oder warum nicht in sich selbst, mit einem Leben, das ganz von vorn begann?

Würde er mit dem All verschmelzen, würde er in das Eine eingehen, in den Atem dieser Berge? Oder würde er sich im Nichts auflösen, würde seine Seele im selben Moment verschwinden wie sein Körper, eine erlöschende Flamme? Endlich würde er es erfahren!

Aber in dem Augenblick, als er in seinem Nacken den eisigen Hauch des Schnees spürte, wurde ihm klar, dass selbst dies nicht gewiss war: Wenn ihn eine Reinkarnation erwartete, würde er womöglich keine Erinnerung an sein früheres Leben bewahren!

Mein Gott, dachte er mit aller Kraft, wenn es dich gibt, dann hol mich hier raus!

Ein paar Monate zuvor hatte Hector angefangen, als Assistenzarzt in der Psychiatrie zu arbeiten. Nach sechs Jahren Medizinstudium hatte er eine schwierige Auswahlprüfung gemacht und bestanden; jetzt lagen vier Jahre Assistenzzeit im Krankenhaus vor ihm. Dabei konnte er sich für den Bereich entscheiden, in dem er später seinen Facharzt machen wollte.

Psychiater wollte er eigentlich nicht werden (wir sehen gleich noch, warum); er hatte sich nur gesagt, dass eine Assistenzzeit in der Psychiatrie für seine ärztliche Ausbildung in jedem Fall von Nutzen wäre. Die Psychiatrie befasst sich mit dem Denken der Menschen, und Hector hoffte, dass ihm das helfen würde, seine zukünftigen Patienten besser zu verstehen.

Eines Tages – es war zufällig sein vierundzwanzigster Geburtstag – hörte Hector in einem der kleinen Büros, in denen die Assistenzärzte ihre Sprechstunden abhielten, einem Patienten namens Roger zu.

»Doktor«, sagte Roger mit finsterer Miene, »Sie machen sich Sorgen um mich, dabei sollten Sie sich um sich selber sorgen!« Roger war ein Koloss, und mit seinen buschigen Augenbrauen und seinen leicht auseinanderstehenden Zähnen ähnelte er ein bisschen dem Menschenfresser aus den Märchenbüchern.

»Meinen Sie? Aber warum sollte ich mich sorgen?«

»Weil schon bald der Tag anbricht, an dem die Zeit endet und die Ewigkeit beginnt!«, sagte Roger mit einem Donnerhall, der jeden erschreckt hätte, der seine Art noch nicht kannte. »Hier wird kein Stein auf dem anderen bleiben … Und aus dem Meere steigen wird ein Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern!«

Hm, fragte sich Hector, ob Roger wohl vergessen hatte, seine Medikamente zu nehmen? Nach drei Monaten in der Psychiatrie war Hector nun schon seltsame Reden gewohnt, und bei Roger waren die sowieso nicht erstaunlich, denn er war das, was man einen Patienten mit Wahnvorstellungen nennt. Bevor Hector ihn zum ersten Mal in seiner Sprechstunde empfangen hatte, hatte er sich mit seiner Krankenakte befasst.

Obgleich Roger gerade mal Anfang dreißig war, hatten sich schon eine Menge Psychiater aus dieser Klinik um ihn gekümmert und einen dicken Ordner mit ihren – leider oft beinahe unleserlichen – Bemerkungen gefüllt. Seine Kollegen hatten sogar versucht, präzisere Angaben zu Rogers Wahn zu machen – »paranoisch«, »paranoid«, »halluzinatorisch« und was sie sonst noch alles vermutet hatten. Nun standen in seiner Krankenakte ganz unterschiedliche Meinungen nebeneinander, denn mit Roger war es wie mit dem Wetter: Sein Wahn fiel je nach Tag oder Monat ganz verschieden aus. Von seiner Stimmung konnte man das nicht behaupten, denn die war immer ziemlich düster – stark bewölkt mit Gewitterneigung –, und auch heute war es nicht anders.

»Der Erzengel Michael und seine Scharen kämpfen gegen den Drachen, und sie werden ihn auf die Erde schmettern!«, rief Roger mit grollender Stimme, wie um Hector zu überzeugen, dass diese gewaltige Schlacht unmittelbar bevorstand.

Das stand sicher in der Bibel, irgendwo im Neuen Testament, aber wo genau? Roger wusste es bestimmt, er war bestens beschlagen in der Heiligen Schrift. Hector hatte in der Krankenakte gelesen, dass Roger seine Eltern kaum gekannt hatte; er war in einem katholischen Waisenhaus aufgezogen worden. Nach seiner heutigen Statur zu urteilen, mussten die Nonnen ihn gut gefüttert haben. Unter allen Menschen mit Wahnvorstellungen laufen besonders die Kolosse Gefahr, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Roger war das schon oft passiert. Und es lag an diesen wiederholten Einweisungen, dass so viele Psychiater Gelegenheit gehabt hatten, zu seinem Zustand neue Blätter der Krankenakte mit ihrem Krickelkrakel zu füllen. Hier und dort tauchten die Namen von Medikamenten auf, mit Dosierungen, die in Rogers Fall immer sehr hoch waren.

Angesichts dieses neuen Wahns war die Sprechstunde für Hector eine echte Herausforderung; es ging um mehr als nur darum, mit Roger ein kleines besänftigendes Gespräch zu führen. Man musste entscheiden, ob er ausgeglichen genug war, um wieder in die freie Wildbahn entlassen zu werden, oder ob man ihn lieber überredete, einmal mehr sein vertrautes Zimmer im geschlossenen Teil der Klinik zu beziehen. Andererseits sah Hector, dass sich Roger in seinem normalen Zustand befand: Er hatte zwar seine üblichen Wahnvorstellungen, aber nicht stärker als sonst. Er vergaß beispielsweise nicht, wo er war und wem...


Pannowitsch, Ralf
Ralf Pannowitsch, geboren 1965 in Greifswald, studierte Germanistik und Romanistik. Neben den Büchern von François Lelord übersetzte er u.a. Werke von Jean-Christophe Rufin, Karine Tuil und Randall Munroe. Heute lebt er als Lehrer, Übersetzer und Gärtner in Leipzig.

Lelord, François
François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie und wurde Psychiater, schloss jedoch seine Praxis, um sich und seinen Lesern die wirklich großen Fragen des Lebens zu beantworten. Er lebt in Paris und Bangkok.



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