Lessing | Gesammelte Werke von Theodor Lessing | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 1160 Seiten

Lessing Gesammelte Werke von Theodor Lessing

Der Lärm + Haarmann + Feind im Land + Einmal und nie wieder + Nietzsche
1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-1463-4
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Lärm + Haarmann + Feind im Land + Einmal und nie wieder + Nietzsche

E-Book, Deutsch, 1160 Seiten

ISBN: 978-80-268-1463-4
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Gesammelte Werke von Theodor Lessing: Der Lärm + Haarmann + Feind im Land + Einmal und nie wieder + Nietzsche' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Theodor Lessing (1872-1933) war ein deutsch-jüdischer Philosoph und politischer Publizist. Sein Thema war auch die Grunderfahrung des Menschen von Not und Leiden in der Welt. Lessing reagierte auf diese Erkenntnis nicht mit Rückzug ins Private oder Weltabgewandtheit, sondern mit einer Philosophie der Tat. Dies drückte sich in einer kritischen Auseinandersetzung mit den Phänomenen des öffentlichen Lebens in seiner Zeit aus. Er schrieb eine Charakterstudie über den Kandidaten für das Amt des Reichspräsidenten und späteren Gewinner der Präsidentenwahl Hindenburg, in der er vor der Wahl dieses Mannes warnte. Hindenburg selbst schilderte er als eine biedere, intellektuell anspruchslose Persönlichkeit, hinter der er aber gefährliche politische Kräfte wirken sah: 'hinter einem Zero immer ein künftiger Nero verborgen steht.' Dieser Artikel brachte ihm die hasserfüllte Gegnerschaft aus deutschnationalen und völkischen Kreisen ein. Am 30. August 1933 schossen die nationalsozialistischen Attentäter durch das Fenster seines Arbeitszimmers auf Lessing und tötete ihn. Inhalt: Der Lärm: Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens Haarmann: Die Geschichte eines Werwolfs (Bericht über den Prozess gegen den Serienmörder Fritz Haarmann, den Lessing als Augenzeuge verfolgte) Nietzsche (Kritik) Feind im Land (Erzählungen) Einmal und nie wieder (Autobiographie)

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2. Inhaltsverzeichnis

Es ist das wichtigste Merkmal von Kultur, dass sie die »Unmittelbarkeit« seelischer Regungen unterdrückt. Betrachten wir den »unerzogenen«, »natürlichen« Menschen, dann finden wir, dass er zu allem und jedem in Sym-und Antipathien spontan »Stellung nimmt«, dass er liebend oder hassend, lustvoll und unlustvoll auf jedes Begegnis unmittelbar zu »reagieren« pflegt. Je kultivierter, erzogener dagegen der Mensch ist, um so eher wird er geneigt sein, vorsichtig sein Urteil zu »suspendieren«. Erfahrung und Urteilskraft lehren Duldung. Ehrfurcht und Scham gebieten die stete Zurückhaltung. – Das, was ich (oben) die »Vergeistigung« des Lebens genannt habe, aber auch Rationalisierung, Logisierung, Ethisierung, oder kurzweg »Kultur« hätte nennen können, äussert sich zuvörderst in der strengeren Bindung aller Impulse des Fühlens und Wollens. Das Lieben oder Hassen der Menschen wird indirekter. Die Beziehung zwischen Mensch und Mensch, wie die Beziehung zwischen dem »Subjekt« und seinem »Gegenstande« erfährt beständig wachsende »Distanzierung«. Wenn in Anfängen der Kultur Persönliches und Sachliches so eng ineinander geschmolzen sind, dass das Individuum gar nicht abzulösen wäre von zufälligen, historischen Beziehungen, in die es durch Geburt und Zufall hinein gerät, so ist auf späten Lebensstufen im Gegenteil die Spannweite zwischen dem Menschen und seiner Welt objektiver Ziele und Zwecke so gewaltig geworden, dass das »Sachliche« mit eherner Unerbittlichkeit als eine selbständige, alles Subjektiv-Gefühlsmässige ausschliessende Macht dem Menschen eisern und kalt gegenübersteht. Darum wird die Seele immer, immer einsamer. Die primitive Bildung, die überall mitten in der Natur und mitten unter Ihresgleichen lebt, formt jeden Eindruck sogleich zum Urteil, jedes Urteil sogleich zur Tat. Die Unreife ist mit allem und jedem schnell fertig. Denn es ist das gute Recht der Jugend alles danach zu bewerten, ob es ihr taugen könne oder nicht. Die Reife dagegen und in ihr das wachsende biologische Alter des Menschengeschlechts dokumentiert sich vor allem in der Fähigkeit vielseitigen Begreifens, die unter dem Gesichtspunkte der natürlichen Vitalität ebenso sehr eine praktische Gefahr, eine biologische Schwächung umschliesst, als man sie unter dem Gesichtspunkt der Kultur als wahre Blüte der Humanität bewundern muss. Die Bändigung und Vergeistigung der Naturen macht sich nun aber vor allem in der Minderung des Lärmes geltend! Sie macht sich geltend in dem wachsenden Schweigen, das uns als Ausdruck wachsender Weisheit und Gerechtigkeit umgibt. – Es ist lehrreich, Völkertypen von verschiedener Domestizierung der Seele in dieser Beziehung zu vergleichen. Es erweist sich zunächst, dass der Unterschied zwischen Lärmhaftigkeit oder Schweigsamkeit des äusseren Lebens mit der Frage zusammenhängt, ob eine Bevölkerung mehr der spielenden oder der arbeitenden Kultur nahesteht. Wo der Mensch noch das grosse spielende Kind der Erde ist, (unter Völkerstämmen Afrikas, Asiens, Australiens und im romanischen Süden Europas), da herrschen durchaus sinnliche Lautheit und Buntheit, die in keinem richtigen Verhältnisse stehen zu den ganz banalen Zwecken, die durch alle diesen Aufwand von Lärm und sinnlichem Anreiz angestrebt und erreicht werden. Der Südländer lärmt eben aus eitel Betäubungslust. Er lärmt mit Behagen. Er übt ganz naiv jene Triebhaftigkeit betäubender Funktionen, die zugleich mit der rationalen Bewusstheit und »Zweckbestimmtheit« auch den Schmerzen der Existenz aus dem Wege geht. Der furchtbare Lärm, der sich auch in alle nachdenklichen und feierlichen Stunden des südlichen Lebens drängt, das Geschrei, mit dem diese kindlichen Menschen ihre Toten begraben, ihre Schicksalsschläge zerteilen, ihre Sorgen abwälzen und alle ihre Mängel und Qualen voreinander ausbreiten und auskramen, ja noch persönlichste Verwundungen laut und öffentlich aneinander rächen, – dieses ganze Schrei-und Lärmgetriebe entspricht jener primitiven »Tendenz zur Verbequemlichung des Lebens«, eben der selben Tendenz, der auf komplizierteren, schwierigeren, arbeitreicheren Lebensstufen nur noch bewusste Ökonomisierung der Kräfte genug tun kann. Dieser naive Lärm besitzt daher ausnahmslos und überall natürlichen Zusammenhang mit spontaner Vergeudung oder mit einem Leben luxurierenden Müssiggangs. Je verspielter und unrationaler die kindlichen Existenzen sind, in um so lauteren Formen des Lebens werden sie sich in der Regel verbrauchen. Alle lebendigen Kräfte, die nicht in »Sanktionen« eingespannt werden und sich nicht auf positive, das Leben heiligende und determinierende Ziele eingestellt haben, sie »verpuffen« in einer Orgie unaufhörlichen Karnevals. Das ganze Leben scheint noch Mummenschanz, Willkür und Sinnlosigkeit zu sein; Taumel oder allerlei vague Begeisterung; unverstandener oder unverständiger Fanatismus; wüste und wilde Demolierungssucht! Und hinter all diesem Gelärme und Getöse der grossen, zwecklosen Masse steht doch ein unbändiges, grundloses Selbstgefühl. Die Furcht und Flucht vor Langenweile einerseits und andererseits die lebendige Freude an innerer Entspannung überschüssiger und lungernder Kräfte, – sie toben sich aus in Formen höchster Selbstgefälligkeit. Für diesen inneren Zusammenhang des Lärmes mit menschlichem Macht-und Aktivitätswillen ist unverkennbar charakteristisch, dass jede Klage über Lärm (der doch so viele reine Erhebungen, so viele unwiderbringliche Stunden des Menschengeschlechts rücksichtslos mordet), von den Meisten unverzüglich mit einem feinen Lächeln schadenfrohen Wohlgefallens quittiert zu werden pflegt. In diesem leisen Lächeln verbirgt sich die geheime Befriedigung darüber, dass Klage über ein Leiden stets die Anerkennung einer Macht involviert. Denn die Lust, seinesgleichen oder gar höher gearteten Wesen subtile Schmerzen zufügen zu können, ist für den rohen, primitiven, gemeinen Menschenwillen durchgängig ein Hauptmotiv, das ihn bei allen erdenklichen Gelegenheiten zu Skandal und Lärm als zu seiner natürlichen Lebenswaffe greifen lässt. Nur mit ihr weiss er sich »durchzusetzen«, andere zu belästigen, ja schliesslich moralisch tot zu machen… * * * Lichtenberg hat vom Lärm gesagt, dass er ihn nur dann unerträglich fände, wenn er den »Zweck« störender Geräusche nicht einsehen oder billigen könne. Daher pflege er, wenn er eine Horde unnützer Jungen vor seiner Türe lärmen höre, sich lebhaft vorzustellen, dass eben der selbe Lärm der selben Jungen, vielleicht dienen werde, die Franzosen oder Engländer im nationalem Kampf aus dem Felde zu schlagen. Das pflege ihn versöhnlicher gegen die Lärmbolde zu stimmen. Das nenn ich in der Tat echt nordisch-rationell gedacht! – Als ob nicht aller Jugendlärm von Kindern und Völkern seinen »Zweck« und seine »Rechtfertigung« eben in sich selber trüge?! Die »Rechtfertigung« des ganz unnennbaren Lärmes in italienischen Städten, die Sanktion der unzähligen völlig entbehrlichen Geräusche (die schon das Epos des Malers Bronzino tragikomisch aufzuzählen versuchte), – sie liegen ausschliesslich in der triebhaften Freudigkeit, mit der alle die lärmenden Existenzen, diese Fruchthändler, Hausierer, Limonadenverkäufer, Bettler, Lazzaroni, Taugenichtse, Hochstapler und naiven Gauner, ihr Vergnügen an der Sonne in die blauen Lüfte hinausschreien2. – Dagegen betrachte man das Antlitz intellektueller und ethischer Kulturen! Die späte biologisch-alte Zivilisation des gelehrten Chinesen, des frommen Buddhisten, des gebildeten Türken, sie bewährt sich vor allem in der stummen bewundernswerten Selbstbeherrschung und kontemplativen Ruhe, die über dem ganzen Leben wahrhaft gebildeter Menschen liegt. Man glaube ja nicht, dass jene grobe Beobachtung richtig ist, die den vornehmen Asiaten phlegmatisch und apathisch schilt. Plötzliche, unerwartete Ausbrüche lange aufgestauter und niedergezwungener Fanatismen widerlegen diese Zumutung. Der Asiat ist kraftvoll und leidenschaftlich; aber zugleich innerlich disziplinierter und gebundener als die jungen europäischen Völker im Durchschnitt zu sein pflegen. Darum schwebt über dem Leben später Buddhisten die Weihe stummer Würde und Ehrfürchtigkeit. In ihr dokumentiert sich jene überlegene Rationalisierung des Trieblebens, die der Mensch nur der Schule der Not, nur einem langen, geschlechterlangen Leiden danken kann. – Diese »Überlegenheit der Intellektualisierung des Trieblebens« äussert sich aber auch in der ungleichen seelischen Anlage der Geschlechter. Die Frau ist immer und überall »rationaler« als der Mann. Der psychologische Unterschied des weiblichen und des männlichen Vertreters des selben Typus läuft allemal auf ungleiche intellektuale Bindung psychischer Energieen hinaus. Diese ungemein wichtige psychologische Wahrheit habe ich seit vielen Jahren in Schriften und Vorträgen vertreten. Aber ich bezeichne als »Rationalität des psychischen Erlebens« keineswegs objektive Bewusstseinsinhalte. Ich meine nicht irgendwelche faktischen Kenntnisse und Bildungsmomente, noch auch etwa Übung in den Funktionen bewussten Denkens. Die Frau hat lediglich eine ältere und höhere Seelenkultur. Sie verdankt sie der langen Hemmung ihrer äusseren Kraftentfaltung. Sie dokumentiert sich in der zweckvolleren Ökonomik der Lebenskräfte, in der grösseren Selbstbeherrschung und Tragfähigkeit weiblicher Naturen. Eben diese schweigende Überwindung des Lebens aber gibt dem Menschen seine...



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