E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Levy Jeder Anfang mit dir
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-23040-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-23040-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hope, Josh und Luke lernen sich im Medizinstudium kennen und sind schon bald ein unzertrennliches Gespann – bis Hope eines Tages erfährt, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Josh, heimlich in sie verliebt, fasst einen unglaublichen Plan, der nach ferner Zukunft klingt, in den Laboratorien der Bostoner Universität aber schon Wirklichkeit werden kann: Er will Hopes Gedächtnis kopieren und es auf jemand anderen übertragen, sobald die Wissenschaft dazu in der Lage ist. So müsste er sich lediglich von Hopes Körper verabschieden, nicht aber von der Essenz ihres Wesens. Dies ist die einzige Chance der beiden auf ein gemeinsames Morgen …
Marc Levy ist 1961 in Frankreich geboren. Mit achtzehn Jahren engagierte er sich beim französischen Roten Kreuz, für das er sechs Jahre tätig war. Gleichzeitig studierte er Informatik und Betriebswirtschaft an der Universität in Paris. Von 1983 bis 1989 lebte er in San Francisco, wo er sein erstes Unternehmen gründete. 1990 verließ er die Firma und eröffnete mit zwei Freunden ein Architektenbüro in Paris. Er entdeckte schon früh seine Liebe zur Literatur und zum Kino und schrieb mit siebenunddreißig Jahren seinen ersten Roman, »Solange du da bist«, der von Steven Spielberg verfilmt und auf Anhieb ein Welterfolg wurde. Seitdem wird Marc Levy in neunundvierzig Sprachen übersetzt, und jeder Roman ist ein internationaler Bestseller. Marc Levy, der mit seiner Familie in New York lebt, ist mit 40 Millionen verkauften Büchern der erfolgreichste französische Autor weltweit.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
»Warum machst du dich selbst immer so schlecht? Wirklich verrückt, dass ein Mädchen wie du derart wenig Selbstvertrauen hat. Oder es ist nur eine List.«
»Was für eine Art von List denn bitte schön? Nur du kannst so einen Blödsinn reden.«
»Vielleicht willst du damit ja nur erreichen, dass man dir Komplimente macht.«
»Siehst du, ich habe recht! Wenn ich hübsch wäre, würdest du nicht denken, ich hätte es nötig, dass man mir Komplimente macht.«
»Du gehst mir echt auf die Nerven, Hope. Das Unwiderstehliche an dir ist deine geistreiche Art. Du bist das witzigste Mädchen, das ich kenne.«
»Wenn ein Junge zu einem Mädchen sagt, dass sie witzig ist, heißt das fast immer, sie ist hässlich.«
»Ach wirklich, weil sie nicht zugleich hübsch und witzig sein kann? Wenn ich gewagt hätte, das zu sagen, hättest du mir vorgeworfen, sexistisch und chauvinistisch zu sein.«
»Und dazu eine echte Pfeife – aber ich darf das sagen. Also, wie ist diese Anita?«
»Welche Anita?«
»Jetzt tu nicht so unschuldig!«
»Sie hat mich nicht begleitet. Wir haben zufällig nebeneinander im Kinosaal gesessen und nur unsere Meinungen über den Film ausgetauscht.«
»Ihr habt eure Meinungen über einen Film ausgetauscht, in dem es um eine anderthalbstündige Verfolgungsjagd und zum Schluss um eine stürmische Umarmung ging?«
»Du hältst mich von der Arbeit ab!«
»Seit einer Stunde schielst du immer wieder zu der Brünetten hinüber, die da ganz hinten am Ende der Bibliothek sitzt. Soll ich mich für dich einsetzen? Ich kann sie um ihre Telefonnummer bitten für den Fall, dass sie Single ist, und ihr sagen, dass mein guter Freund davon träumt, sie in einen Autorenfilm mitzunehmen. La grande bellezza – Die große Schönheit oder ein Meisterwerk von Visconti oder sogar einen alten Capra-Film …«
»Ich versuche, hier wirklich zu arbeiten, Hope, und ich kann nichts dafür, dass sich diese junge Frau in meinem Blickfeld befindet, während ich nachdenke.«
»Man kann die Anziehungskraft wirklich nicht dafür verantwortlich machen, dass Menschen sich verlieben, da gebe ich dir recht. Und über was grübelst du nach, wenn ich fragen darf?«
»Über Neurotransmitter.«
»Aha. Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Melatonin …«, zählte Hope mit ironischem Unterton auf.
»Jetzt sei mal still und hör mir einen Augenblick zu. Sie mobilisieren das Gehirn hinsichtlich bestimmter Aktionen, erhöhen Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit, beeinflussen unsere Schlafzyklen, unser Ernährungs- und unser Sexualverhalten … Melatonin spielt eine Rolle bei der Winterdepression …«
»Wenn du mir sagen kannst, welcher Neurotransmitter bei der Sommerdepression im Spiel ist, und zwar in dem Moment, in dem man versucht, sich in einen Bikini zu zwängen, schlage ich dich für den Nobelpreis vor …«
»Und wenn diese Moleküle in beide Richtungen funktionieren? Wenn die Neurotransmitter Informationen über die Auswirkungen sammeln würden, die sie im Lauf unseres Lebens auslösen? Stell dir vor, sie würden wie Teilchen eines ›Arbeitsspeichers‹ agieren, die unseren ganzen Erfahrungsschatz sammeln, alles, was unseren Charakter prägt, was uns verändert. Niemand weiß, wo im Gehirn sich unser Bewusstsein befindet, was aus jedem von uns ein einzigartiges Wesen macht. Stell dir also vor, dass die Neurotransmitter wie vernetzte Computer die enormen Mengen an digitalem Material speichern und so das Netzwerk bilden, in dem unsere Persönlichkeit wohnt.«
»Großartig! Geradezu genial! Und wie willst du das beweisen?«
»Warum, glaubst du, studiere ich Neurowissenschaften?«
»Um die Mädchen zu verführen, und ich bin sicher, der erste Prof, dem du von deinen revolutionären Theorien berichtest, wird dir vorschlagen, auf Jura oder Philosophie umzusteigen, ganz egal, nur damit er dich nicht mehr zu seinen Studenten zählen muss.«
»Wenn ich allerdings recht hätte – ist dir klar, was das bedeutet?«
»Angenommen, deine nebulöse Theorie wäre fundiert und es würde eines Tages gelingen, die Informationen, die in diesen Molekülen enthalten sind, zu entschlüsseln, könnte man im Gedächtnis eines Menschen zum Zeitpunkt t gelangen.«
»Wir könnten es nicht nur kopieren, sondern das gesamte Bewusstsein eines Menschen vielleicht auch auf einen Computer übertragen.«
»Ich finde diese Idee grauenhaft. Warum erzählst du mir das?«
»Damit du zusammen mit mir an diesem Projekt arbeitest.«
Hope brach in schallendes Gelächter aus, das von den Tischnachbarn mit finsteren Blicken bedacht wurde. Hopes Lachen versetzte Josh jedes Mal in gute Laune. Selbst wenn sie auf seine Kosten lachte, was nicht selten der Fall war.
»Du kannst schon mal damit anfangen, mich zum Abendessen einzuladen«, flüsterte sie. »Aber kein schwer verdauliches, ins Haus geliefertes Fast Food, mein Lieber, ich spreche von einem richtigen Restaurant.«
»Kann das noch ein bisschen warten? Ich bin momentan nämlich ziemlich knapp bei Kasse. Aber gegen Ende der Woche dürfte ein bisschen Kohle reinkommen.«
»Dein Vater?«
»Nein, Nachhilfestunden in Naturwissenschaften, die ich einem kleinen Idioten gebe. Seine Eltern halten verbissen daran fest, dass er eines Tages ein Studium absolviert, das diesen Namen auch verdient hat.«
»Du bist ein Snob und noch dazu bösartig. Ich bezahle die Rechnung.«
»Unter diesen Umständen bin ich gern bereit, dich zum Abendessen einzuladen.«
Josh hatte Hope während der ersten Monate auf dem Campus kennengelernt. Luke und er hatten auf dem Rasen eine nicht ganz legale Zigarette geraucht und sich über ihre Enttäuschungen in Liebesdingen ausgetauscht. Hope saß an einen Kirschbaum gelehnt da und ging ihre Vorlesungen durch.
Mit lauter, klarer Stimme hatte sie soeben gefragt, ob hier jemand unter einer unheilbaren Krankheit leide, die den medizinischen Einsatz einer psychotropen Substanz unter freiem Himmel rechtfertige.
Luke hatte sich aufgerichtet, um festzustellen, ob diese Stimme einer Dozentin oder einer Studentin gehörte, und während er sich suchend umsah, hatte Hope ihm gewinkt. Dann pustete sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn, die ihre Augen verdeckt hatte, und Luke war wie verzaubert.
»Du scheinst in Topform zu sein, daraus schließe ich, dass dein Kumpel, der am helllichten Tag die Sterne zählt, todkrank sein muss, wobei euer jamaikanischer Tabak sicher auch damit zu tun hat – selbst ich fühle mich schon etwas seltsam.«
»Willst du nicht zu uns herüberkommen?«, fragte Luke.
»Danke, aber ich habe so schon Mühe, mich zu konzentrieren. Dank eures brillanten Gesprächs über das weibliche Geschlecht lese ich seit einer halben Stunde immer wieder dieselbe Zeile. Es ist unglaublich, was Typen eures Alters für einen Blödsinn über Frauen sagen können.«
»Was liest du da gerade so Interessantes?«
»Angeborene Missbildungen des Zentralnervensystems von Professor Eugene Ferdinand Algenbruck.«
»Sie ist ein hübsches Mädchen, schlank und lässig, von Kopf bis Fuß fürs Überleben gemacht. Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden von Raymond Carver. Jeder hat so sein Kultbuch, stimmt’s? Aber wenn du uns über das weibliche Geschlecht aufklären willst – es ist ein größeres Mysterium als die Pathologie der Großhirnrinde, und weitaus aufregender.«
Hope beobachtete Luke zurückhaltend, schloss ihr Buch und stand auf.
»Erstes Studienjahr?«, fragte sie, während sie sich zu ihm gesellte.
Josh kam hinzu, um sie zu begrüßen, sie schwieg und begnügte sich damit, die ihr entgegengestreckte Hand zu betrachten. Überrascht, dass sie ihm nicht ebenfalls die Hand reichte, setzte er sich wieder hin.
Luke war nichts von den Blicken entgangen, die sie gewechselt hatten, und von dem Licht, das in Hopes Augen aufgeblitzt war, und auch wenn diese Unbekannte ihn bereits faszinierte, so war ihm doch klar, dass sie es nicht auf ihn abgesehen hatte.
Hope würde stets verneinen, dass sie sich an diesem Tag auch nur im Geringsten von Josh angezogen gefühlt hatte, Luke aber glaubte kein Wort davon, und immer, wenn das Thema aufkam, erinnerte er daran, dass die Folge der Ereignisse ihm recht gegeben hatte.
Auch Josh würde schwören, an jenem Tag nichts besonders Verführerisches an Hope bemerkt zu haben, und sogar hinzufügen, dass sie zu den Mädchen gehörte, die man erst hübsch findet, wenn man sie wirklich kennt. Und Hope würde es nie gelingen, ihn dazu zu bewegen zuzugeben, ob das ein Kompliment oder reiner Sarkasmus war.
Nachdem sie sich vorgestellt hatten, genossen sie die Milde des spätsommerlichen Abends. Da Josh nicht sonderlich redegewandt war, bemühte sich Luke, an seiner Stelle zu antworten, wenn Hope eine Frage stellte, und Josh beobachtete voller Schadenfreude, wie sehr sich sein bester Freund ins Zeug legte.
Mitte des Herbstes bildeten Hope, Josh und Luke ein unzertrennliches Trio. Nach den Vorlesungen trafen sie sich, wenn es das Wetter zuließ, auf dem Vorplatz der Bibliothek, an kalten und regnerischen Tagen im Lesesaal.
Josh arbeitete von den dreien am wenigsten und heimste die besten Noten ein. Nach jeder Prüfung verglich Luke ihre Ergebnisse und musste zugeben, dass die wissenschaftliche Intelligenz von Josh der der beiden anderen überlegen war. Hope milderte sein Urteil ab, Josh sei zwar brillant, aber er nutze über die Maßen seine Verführungskünste, sowohl bei den Professoren als auch bei seinen weiblichen Opfern. Bestenfalls sprach sie ihm mehr Vorstellungskraft als ihnen beiden...