Liehr | Pauschaltourist | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 335 Seiten

Liehr Pauschaltourist

Roman
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8412-0236-9
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 335 Seiten

ISBN: 978-3-8412-0236-9
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ist es der Mut der Verzweiflung, der den bislang für die Rätselecke zuständigen Redakteur Nikolas Sender dazu treibt, auf einer Redaktionssitzung des Reisemagazins den Themenvorschlag 'Pauschaltourismus' ins Spiel zu bringen? Sein Chef reagiert prompt und schickt ihn auf eine sechswöchige Tour ins Nirwana des Urlaubs von der Stange. Als besondere Gemeinheit stellt er ihm die ungeliebte, aus Flugangst bislang kaum über Sylt hinausgekommene Kollegin Nina Blume aus dem Ressort 'Weltreisen' an die Seite. Und recht bald werden die beiden das komische Gefühl nicht mehr los, Teil eines abgekarteten Spiels zu sein ...



Tom Liehr war Redakteur, Rundfunkproduzent und DJ. Seit 1998 Besitzer eines Software-Unternehmens. Er lebt in Berlin.

Im Aufbau Taschenbuch sind seine Romane 'Radio Nights', 'Idiotentest', 'Stellungswechsel', 'Geisterfahrer', 'Pauschaltourist', 'Sommerhit', 'Leichtmatrosen' und 'Freitags bei Paolo' lieferbar.

Mehr zum Autor unter tomliehr.de.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Prolog: Gepäck;8
2;Teil 1: Reisevorbereitungen;18
2.1;1.;20
2.2;2.;25
2.3;3.;30
3;Teil 2: Gran Canaria Ficken, no?;32
3.1;1.;34
3.2;2.;42
3.3;3.;53
3.4;4.;63
3.5;5.;70
3.6;6.;75
3.7;7.;80
3.8;8.;86
3.9;9.;92
3.10;10.;100
4;Teil 3: Marokko Willkommen in meinem Land!;108
4.1;1.;110
4.2;2.;119
4.3;3.;133
4.4;4.;142
4.5;5.;151
4.6;6.;164
4.7;7.;171
5;Teil 4: Mallorca Ich mache nichts, ich gucke doch nur;178
5.1;1.;180
5.2;2.;187
5.3;3.;192
5.4;4.;208
5.5;5.;216
5.6;6.;224
5.7;7.;229
6;Teil 5: Portugal Das Leben ist eine Baustelle;236
6.1;1.;238
6.2;2.;244
6.3;3.;255
6.4;4.;263
6.5;5.;274
6.6;6.;279
7;Teil 6: Ägypten Willst du mich heiraten?;286
7.1;1.;288
7.2;2.;292
7.3;3.;301
7.4;4.;307
7.5;5.;314
7.6;6.;321
7.7;7.;327
8;Epilog: Andenken;330
9;Anmerkungen und Credits;334


[Menü]

Prolog: Gepäck


Ralf Leitmann pfiff leise, also sah ich vom Champagnerkarton auf, den ich gerade mit einem Teppichmesser zu öffnen versuchte.

»Da kommt die nymphomane Edelmatratze«, flüsterte er und nickte in Richtung der Freitreppe, die aus dem ersten Stock ins Foyer der Villa führte.

Es verriet nichts über mich, dass ich zur Treppe starrte, schließlich taten das in diesem Moment alle Anwesenden, außerdem hatte ich bis zu diesem Tag noch nie live gesehen. Marejke Medsger catwalkte zu uns herab, wobei sie ihren Blick über die noch kleine Menschenmenge – in der Hauptsache Verlagsangestellte – schweifen ließ. Ihr Gang war sicher und ein Zeugnis der Modelkarriere, die inzwischen über zehn Jahre zurücklag. Sie trug ein schwarzes Abendkleid, das von meiner Position aus transparent aussah, was aber vermutlich täuschte, und das vom unteren Saum bis zur Hüfte geschlitzt war, wodurch ihre vollendeten, endlosen Beine mehr als perfekt zur Geltung kamen. Am Fuße der Treppe wurde sie von ihrem Ehemann, meinem Arbeitgeber, unserem Verlagseigentümer und Chefredakteur in Personalunion, erwartet, der heute seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag und das ebenso lange Bestehen des Hauses feierte, das sein Vater, Otto Sitz, am Tag der Geburt seines Sohnes gegründet hatte.

Heino Sitz strahlte der Schönheit entgegen, die nun den Blick auf ihn richtete und ebenfalls lächelte. Allerdings war das weit mehr als nur ein einfaches Lächeln. Sie verwies jeden anderen Versuch, an diesem und allen weiteren Abenden, die es jemals geben würde, zu lächeln, als fade Allerweltsmimik auf die Plätze. Ich sah zu meiner Kollegin Nina Blume, die mit einem Tablett Canapés mitten im Saal stand und so glücklich wie ein Frosch im gerade zuklappenden Storchenschnabel wirkte. Sie war neben Marejke Medsger die einzige Frau im Raum. Das sich in der Redaktion hartnäckig haltende Gerücht, Nina hätte eine Affäre mit unserem Chefredakteur, kam mir in diesem Augenblick so absurd vor wie Currywurst mit Schlagsahne.

Als Marejke Medsger ihren Ehegatten erreichte, der eine Verbeugung andeutete und dann einen Arm um die Hüfte seiner Frau legte, verspürte ich den abgedrehten Wunsch zu applaudieren. Schade, dass noch keine Gäste anwesend waren. Sie verpassten was. Statt meiner klatschte Sitz laut. Ralf Leitmann neben mir atmete hörbar durch.

»Meine Damen und Herren, dieser Abend ist meiner Frau und mir sehr wichtig.« Sitz grinste, und ich konnte sogar von meiner Position aus die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen sehen. »Ich weiß, dass sie Ihr Bestes geben werden. Es würde mich aber freuen, wenn Sie versuchten, Ihr Bestes noch zu übertreffen. Danke.«

Die Verlagsangestellten, die gerade keine Tabletts oder Flaschen in den Händen hielten, spendeten Beifall, was ich an Stelle falsch fand, schließlich waren wir gerade kollektiv beleidigt worden. Heino Sitz zauberte ein überlegenes, zahnlückiges Grinsen herbei und deutete ein Nicken an. Dann nahm er die Hand seiner Frau und ging mit ihr in den kurzen breiten Flur, der vom Foyer aus zum Eingang der Villa führte. Die beiden Volontäre, die dort Dienst taten, machten einen Schritt zur Seite, Heino Sitz rauschte zwischen ihnen hindurch und öffnete die Tür. Draußen warteten bereits die ersten Gäste, eine Viertelstunde vor der Zeit.

Natürlich war es in gewisser Weise eine Machtdemonstration, dass wir von unserem Chef, der das für eine gute Idee und einen Ausdruck des (nicht vorhandenen) Teamgeists gehalten hatte, dazu verdonnert worden waren, niedere Kellnerdienste zu übernehmen, aber zumindest ich empfand das als angenehm – es war besser, als wie ein ausgesetzter Dackelwelpe mit einem Glas Traubensprudel in der Hand herumzustehen und so zu tun, als hätte man Spaß. Smalltalk und Empfänge waren so wenig mein Ding wie Stacheldrahtkondome. Wenn ich schon bei derlei anwesend sein musste, dann bitte mit Aufgabe und Beschäftigung. Ich ging also wieder in die Knie und zog das Teppichmesser durch den Kartondeckel. Dann nahm ich eine Flasche heraus und entfernte die Folie. Als ich den Draht aufgezwirbelt hatte, knallte der Korken heraus, dicht an Ralf Leitmanns Gesicht vorbei, der das aber nicht bemerkte. Er glotzte nach wie vor Marejke Medsger an, die jeden der Neuankömmlinge, die inzwischen hereinströmten, mit einem angedeuteten Knicks begrüßte. Vollendet. Den männlichen Gästen lief dabei virtueller Sabber aus den Mäulern, und nicht wenige der weiblichen kämpften mit ihren Gesichtszügen. Sitz’ Ehefrau überstrahlte sie alle.

Champagner floss über meine Hände, nicht der erste heute Abend, und sicher nicht der letzte. Meine Haut roch schon süßsäuerlich. Dieses Gesöff hatte meine vollständige und ganzheitliche Verachtung. Wie so manch andere überteuerte Delikatesse schmeckte es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht wirklich, und es wurde nur deshalb konsumiert, weil es teuer war. Besser als ein frisch gezapftes, wohltemperiertes Fassbier war es nie und nimmer.

Eine Stunde später hatte ich den Bogen mit den Schaumweinflaschen raus, und ich schaffte es inzwischen, die Gläser gleich im ersten Anlauf so zu füllen, dass ich keinen zweiten benötigte. Die Arbeit nahm mich so sehr in Anspruch, dass ich die wachsende Menschenmenge um mich herum fast vergaß. Und selbst Leitmann, der mich im Fünf-Minuten-Rhythmus mit so sinnträchtigen Sprüchen wie »Eine Party beginnt für mich schon bei der Haarwäsche mit Bier-Shampoo« beglückte, geriet zu einer surrealen Randerscheinung. Er untermauerte seine Partybehauptungen durch intensives Schampusschlucken, was dazu führte, dass ich neben meiner eigentlichen Aufgabe mittelfristig auch seine übernehmen musste. Gegen halb zehn verschwand er zum Klo und kehrte vorerst nicht zurück. Im stetigen Wechsel befüllte ich entweder neue Gläserphalanxen oder reichte höflich lächelnd Champagner an Leute, die offenbar nicht dazu in der Lage waren, sich selbst den Kelch zu nehmen, obwohl Dutzende randvoll bereitstanden. Langsam machte es mir sogar Spaß, und mir kamen Gedanken wie: Warum nicht Kellner? Auch nicht schlechter als Rätsel- und Leserbrieffuzzi bei einem Reisemagazin.

»Und Sie sind?«, fragte irgendwann eine Frau, während ich gerade hinter dem Tisch kniete und die Klinge des Teppichmessers wechselte. Ich hob das Gesicht über die Tischkante und starrte auf Medsgers Nabel. Etwas in mir wusste, dass es ein Fehler war, aber das andere, diese schwer beherrschbare, testosterongesteuerte Bestie, die jeder Schwanzträger als Untermieter mitschleppt, wollte es unbedingt. Dreißig Zentimeter höher. Heiliges Nippelballett, das Scheißkleid war durchsichtig – wenn man von unten nach oben sah. Ich hatte erst zwei Gläser Champagner getrunken, wovon mein Mund ausgetrocknet war und sich pelzig anfühlte, und Leitmann schon zig Male gebeten, vom Bierstand ein Frisches für mich zu holen, was erst ein Mal – gefühlt vor Jahren – geklappt hatte, aber mein Schädel glühte, und ich war ob der Situation ohnehin nicht ganz Herr meiner selbst. Nach etwa zehn Sekunden, die mein Blick auf diesen unfassbar nahen Brüsten verweilte, hörte ich wie durch Watte: »Mein Gesicht ist hier oben. Und Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«

Ich spürte, wie fünf Sechstel meines Blutes ins Gesicht zurückschossen, nuschelte »Moment!« und drehte mich, noch immer kniend, zu einer neuen Kiste Champagner. Das ging in dieser Position eigentlich nicht, folgerichtig kippte ich seitwärts um.

Zum Glück ließ ich das neu munitionierte Teppichmesser rechtzeitig fallen. Als ich mich aufzurappeln versuchte, erschien eine grazile, engelhafte Hand vor meinem Gesicht. Wie in Trance griff ich danach und ließ mich von der Frau meines Chefs in die Höhe hieven. Aus dieser Perspektive blieben die Schätze ihres Körpers meinen Blicken verborgen. Trickreiche Sache, so ein Stoff. Ob Sitz von diesen Modegeheimnissen seiner Gattin wusste?

»Ich bin Marejke Medsger. Hallo«, sagte sie und strahlte mich an. Hätte sie einen Staubsauger in der Hand gehabt und wäre ich ein Eskimo, Wüstennomade oder Regenwaldbewohner gewesen – ich hätte ihn ihr abgekauft, dazu alles an verfügbarem Zubehör. Ich errötete wieder bzw. blieb rot, irgendwie entzog sich all das meiner Kontrolle. Dann stand plötzlich Heino Sitz neben ihr.

»Kennst du Nikolas Sender schon? Das ist quasi meine Geheimwaffe.« Er grinste mich auf herablassend-freundliche Art an und küsste dann ihren Hals. Ich verspürte rasende Eifersucht. Unfassbar. Zu Hause wartete eine schöne, liebevolle Partnerin auf ...



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