E-Book, Deutsch, 231 Seiten
Limberg Todeslohn
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-949961-01-4
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, 231 Seiten
ISBN: 978-3-949961-01-4
Verlag: edition krimi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In einem treibenden Boot wird eine Frau gefunden, ein Stilett in der Brust. Die Tote hat eine goldene Münze im Mund – so wie bereits drei andere Mordopfer. Kommissar Lorenz Leuwen wird mit den Ermittlungen beauftragt, doch Gemeinsamkeiten zwischen den Toten scheint es nicht zu geben – abgesehen von der goldenen Münze.
Dann erfährt Leuwen, dass seine Tochter Isabell eine identische Münze gekauft hat. Kurz darauf verschwindet Isabell. Kann er sie finden, ehe es zu spät ist?
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Das Treffen der Ex-Partner »Wirklich, Lorenz, du solltest mit ihr reden!« »Ich rede doch mit ihr.« »Nicht die paar belanglosen Sätze, die du gelegentlich mit ihr wechselst, sondern richtig reden!« »Und warum?«, fragte er. »Was ist denn los?« »Isa hat mich angerufen und es gefällt mir nicht, wie sie spricht.« »Wie spricht sie denn?«, fragte Lorenz und schabte den Rest Erdnussbutter aus dem Glas, während er gleichzeitig die Überschriften auf der Neuen Kasseler Zeitung las, die er eigens geholt hatte, um die Berichterstattung zum Fall zu verfolgen. »So lethargisch. So hoffnungslos.« »Ist das so?« Er klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter und strich die Erdnussbutter auf den Toast. Von der Erdbeermarmelade war nur noch ein winziger Rest übrig und den bekam er nicht aus dem Glas. Das Messer klapperte dagegen. Sofort wirkte Melanie noch ärgerlicher, offensichtlich hatte sie das Geräusch gehört. »Lorenz, würdest du das bitte ernst nehmen!« »Tu ich. Aber unsere Isabell ist ein vernünftiges Mädchen. Sie hat immer alles hingekriegt, auch wenn sie vorher gejammert hat. Und in der späten Pubertät kann die Psyche schon mal ein bisschen Achterbahn fahren.« »Möglich. Ich fürchte eben, dass es darum geht. Sie hat aus ihrer Sicht eben nicht alles hingekriegt. Sie hatte sich schon so gefreut, ihren Umzug nach Dublin vorbereitet, sich eine WG dort gesucht und dann …« »Ach komm«, sagte Lorenz. »Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass Isa tranig und melancholisch wird, bloß, weil sie bei einer Aufnahmeprüfung einen Blackout hatte! Ich bin damals bei Elektrotechnik auch nicht reingekommen, weil ich Mathe nicht geschafft habe. Keine Ahnung wieso. Ich hätte sie schaffen müssen. Dass man trotzdem durchfällt, passiert alle Tage und im Nachhinein erweist sich das oft genug als gut so.« »Mag sein. Nur sieht sie das nicht so. Sie möchte nicht einmal darüber sprechen, sondern über solche vorgeschobenen Themen wie das Artensterben und einen möglichen Super-GAU in der Ukraine.« »Vorgeschoben ist wohl kaum das passende Wort. Isa ist sensibel. Ja, insofern würde ich dir recht geben. Sie sieht nicht gern, wie es um die Welt steht. Aber sie zerbricht weder an vagen Ängsten noch an einer verpatzten Prüfung. Innerlich ist sie stark …« »Das kann alles sein, aber ihr Zustand gefällt mir wirklich nicht.« »Ich verstehe nicht, was du von mir erwartest, Melanie«, sagte Lorenz kauend. »Isa packt das.« »Ich erwarte, dass du ein Vater bist, der diese Bezeichnung verdient.« »Das klingt, als sei ich das nicht. Aber nehmen wir an, du hättest recht und ich sollte mir mehr Mühe geben – was genau könnte ich denn aus deiner Sicht unternehmen?« »Dich um Isabell kümmern und das nicht irgendwann, sondern jetzt! Sag ihr, was du eben zu mir gesagt hast! Dass eine verpatzte Prüfung in einem berühmten College nicht bedeutet, dass man nichts wert ist!« »Wegen mir«, gab Lorenz nach. »Natürlich. Ich rufe sie nachher von unterwegs aus an. Und ich wette, sie wird sich ganz schnell wieder beruhigen. Aber jetzt mal was anderes, Melanie. Ich habe aktuell einen Fall, bei dem antike Dinge eine Rolle spielen. Unter anderem ein Dolch. Ich dachte, ich könnte dir mal Fotos zeigen. Mit deiner Expertise im Bereich Antiquitäten kannst du mir sicher etwas dazu sagen. Von wann er stammt und ob etwas daran von Bedeutung sein könnte. Ein Gestaltungsmerkmal beispielsweise.« »Klar, warum nicht?« »Gut, dann treffen wir uns nachher. Oder heute Abend. Ich kann dir die Fotos nicht schicken. Das würde eventuell später Probleme bringen. Okay?« »Treffen?« Es gab eine winzige Pause, ehe sie anfügte: »Gut, okay. Was schlägst du vor? Ich habe heute Zeit. Daran soll es also nicht scheitern.« Damit gab sie ihm die Gelegenheit, etwas Nettes, Entgegenkommendes zu sagen, oder immerhin etwas Verbindliches, aber wie er nun mal war, ignorierte er das und sagte nur: »Ich hole dich ab. In vierzig Minuten. Wenn du willst, fahren wir zum Eisladen. Den magst du ja.« Und da Unpünktlichkeit nicht zu seinen Schwächen gehörte, klingelte Lorenz bereits nach 37 Minuten an der Tür der kleinen Wohnung, die Melanie seit der Scheidung bewohnte. »Kommst du?«, drängte er. Sie nahm ihre Handtasche und folgte ihm zum Auto. Er fuhr schweigend bis zum Eisladen und sagte: »Such schon mal einen Platz. Ich parke da drüben.« Sie wählte denselben Tisch wie immer, links am Fenster. Und die Bedienung lächelte und fragte: »Zwei Cappuccino? Kein Zucker?« »Ja, genau. Danke.« Lorenz kam über die Straße, die Jacke über dem Arm, energisch, der Blick scharf. Melanie seufzte. Gut aussehend wie immer. Nur schade, dass man sich davon absolut nichts kaufen konnte. Ein Mann, der wirkte, als würde er keine Herausforderung scheuen, der es aber nicht mal geschafft hatte, die kaputte Markise auf der Terrasse zu richten. Vier Monate lang, bis Melanie schließlich einen Handwerker geholt hatte. »Wozu?«, hatte Lorenz gefragt. »Damit es erledigt wird«, hatte sie geantwortet. »Wenn du deine Arbeit bei der Polizei auch so engagiert machst …« Und er war tödlich beleidigt gewesen. Im Grunde war er ein guter Kerl und liebte ohne Zweifel nicht nur Isabell, sondern hatte auch sie geliebt. Vielleicht war sie ihm auch jetzt nicht egal. Nur fiel es ihm eben schwer, das zu zeigen. Zunehmend schwerer. Und so war es zur Trennung gekommen. Gespräche danach hatte er nicht genutzt, um sie zurückzugewinnen, und beinahe hatte sie schon gedacht, er habe eine andere. Vielleicht sogar Helena, seine fähige rechte Hand. Doch nein, er war einfach zu sehr mit seiner Arbeit verheiratet, kniete sich zu intensiv in seine Fälle. Sie dachte an einen Abend, als er plötzlich aufgestanden war und das Haus verlassen hatte, um einer Idee zu folgen, ohne ihr zu sagen, wohin er ging … Egal. Erinnerungen, die auch nichts änderten. Jetzt setzte er sich Melanie gegenüber, wartete, bis der Cappuccino gebracht worden war, und zog dann zwei große Hochglanzfotos aus einer Mappe. »Hier!« Melanie betrachtete die beiden Aufnahmen. »Oh, ein Misericordia!« »Ein was?«, fragte Lorenz. Gestochen scharf war auf den Fotos eine Stichwaffe zu sehen. Die Klinge war schlank, der Griff kunstvoll gedrechselt. Der danebengelegte Maßstab gab die Gesamtlänge der Waffe mit zweiundvierzig Zentimetern an. »Ein Gnadendolch.« Sie strich mit dem Finger über die glänzende Oberfläche des großformatigen Fotos. »Im Mittelalter waren die Todesarten für Verurteilte teilweise außerordentlich brutal und aus dieser Zeit stammen diese Dolche. Man nannte sie auch Gnadgott.« »Wieso Gnadendolch?«, wollte Lorenz wissen. Melanie lächelte. »Der Henker konnte immer ein wenig drehen, was die Dauer der Hinrichtung anging. Sei es, weil ihm der Verurteilte leidtat, sei es, weil er dafür Geld von einem Verwandten des Verurteilten bekam. Es war eine Methode, jemandem längere Leiden zu ersparen, und bestand darin, ihm einen solchen schlanken Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Schnell und unbemerkt. Die Menge wäre nämlich absolut nicht begeistert gewesen, wenn sie das mitgekriegt hätte. Die wollte ja unterhalten werden. So wirkte es aber, als habe der Verurteilte aufgrund der Schmerzen das Bewusstsein verloren. Deswegen musste der Stich schnell und möglichst unauffällig erfolgen.« Melanie musterte den Dolch, der auf verstörende Weise schön war, schlicht, aber elegant. Nacheinander betrachtete sie gründlich alle Einzelheiten, die sich erkennen ließen. »Soweit sich das von den Aufnahmen her sagen lässt, ist der Griff aus schwarzem Horn gedrechselt. Das war recht üblich bei dieser Art von Waffe. Ich würde diese hier grob in die Zeit der Renaissance einordnen. Ursprünglich gehörten solche sehr schlanken Dolche zur Ausstattung eines Ritters. Mit der schmalen Klinge konnte man nämlich unter Umständen sogar ein Kettenhemd durchstechen. Oder sie durch eine Fuge im Harnisch bohren. Es war ein heimtückisches Ding in einem Kampf um Leben und Tod.« Sie wies auf die Klinge. »Hohlgeschliffen, wie du siehst. Sie war also saumäßig scharf, aber nicht extrem robust – du musst wissen, wohin du stichst, sonst bricht die Klinge womöglich. Sie sollte nicht auf Knochen oder Stahl treffen, denn dabei könnte sie beschädigt werden.« Lorenz sah stirnrunzelnd auf das Foto. »Das ist ein guter Hinweis. Beschädigt war die Klinge nicht und sie ging sauber zwischen zwei Rippen hindurch. Also haben wir jemanden, der eine Waffe wählt, die gewisse Kenntnisse und praktische Fähigkeiten erfordert. Das haben meine Kollegen auch so geschlossen. Meinst du denn, es könnte eine besondere Bewandtnis mit dem Gnadendolch haben? Die Tötung als ein Akt der Gnade?« »Möglich. Aber wer tötet aus Barmherzigkeit?«, fragte Melanie. »Nun, unserer Theorie nach könnte es Tötung auf Verlangen sein. Aber das hast du bitte nie gehört!« »Habe ich nicht«, versprach Melanie. »Und ich sehe deinen Punkt. Wenn du sterben willst und nicht weißt, wie du das anstellen sollst, und jemand ist bereit, dich zu töten, ja, dann kann man das als einen Akt der Gnade auffassen. Besonders, wenn derjenige unheilbar krank war oder andere schwere Lasten zu tragen hatte.« »Und daher der Gnadendolch«, überlegte Lorenz. »Das würde Sinn ergeben. Dann hat das Ganze für den Täter aber auch bereits einen moralischen...