Lindemann / Gansel | BEICHTE | Buch | 978-3-947965-10-6 | www.sack.de

Buch, Deutsch, Band 1, 191 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 200 mm, Gewicht: 265 g

Reihe: Literarische Entdeckungen

Lindemann / Gansel

BEICHTE

Ein Lebensbericht
Erste Auflage
ISBN: 978-3-947965-10-6
Verlag: Okapi-Verlag ein Imprint der Leetspeak Media GmbH

Ein Lebensbericht

Buch, Deutsch, Band 1, 191 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 200 mm, Gewicht: 265 g

Reihe: Literarische Entdeckungen

ISBN: 978-3-947965-10-6
Verlag: Okapi-Verlag ein Imprint der Leetspeak Media GmbH


Werner Lindemann wuchs im Gutsdorf Altjeßnitz bei Wolfen auf und musste noch als Siebzehnjähriger im Zweiten Weltkrieg kämpfen. Diese Erfahrung hat ihn ein Leben lang geprägt. Der hier herausgegebene Text hat sich im Nachlass des Autors wiedergefunden und wird erstmals publiziert. Die autobiographisch grundierte Geschichte führt in die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges und die ersten Monate des Friedens zurück. Immer wieder durchbrochen durch Erinnerungen an Kindheit, Jugend und die Schrecknisse des Krieges werden sodann die Zeiten des Neuanfangs nach 1945 erfasst. Dieser Teil der Geschichte zeichnet den Weg des jungen Will bis zum Studium nach. Das Buch wird ergänzt durch ein umfangreiches Gespräch mit Gitta Lindemann.

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Weitere Infos & Material


Zu Hause.
Die Nebelwerferstellung-Batterie-Stellung.
In der Nähe von Beeskow.
Dämmerung.
Fünfzig Kilometer.
Angst.
Die beängstigende Nachricht.
Aljoscha.
Die Muldebrücke.
Endlich wieder zu Hause.
Zur Erholung.
Glanz und Elend der schönen Bäume.
Der Irrgarten.
Das Geheimtreffen.
Der Oktober jubelt.
Schulferien.
Der Brand.
Die Mulde.
Das Gespräch.
Die ALMA MATER HALLENSIS.
Das erste Gedicht.
Will an der Futterkrippe.
Das Gespräch mit Bergmann.
Die Wunschliste.
Die Prüfung.
Die Grünanlage.
Das Jahr neunundvierzig.
Die rasende Zeit.
Der sonnige Augusttag.

Carsten Gansel und Gitta Lindemann
„Und Schreiben, das war wirklich sein Leben“ — Ein Gespräch über Werner Lindemann


Zu Hause.

Zwei Tage zu Hause in Alt-Jähnitz.
Und doch nicht zu Hause. Will schläft auf dem Heuboden über dem Schweinestall.
Ironie!
Nicht in seinem so lang vermissten Bett ruht der heimgekehrte Soldat Will, nein, im Haferstroh kampiert er.
Alt-Jähnitz ist ein Grenzdorf. Seit zehn Tagen scheppern Panjewagen über das Katzenkopfpflaster der Linden-Hauptstraße.
Im Schloss des Barons — der Mann ist vorsorglich mit seinen zwei Hannoveranerstuten und der beladenen Kutsche westwärts gerollt — reagiert der Kommandant Towarisch Iwan, mit ihm ein Stab Männer, die, soweit sie kein Bett gefunden haben, kurzerhand Stroh auf die Parkettfußböden geschüttet haben, worauf sie diesen verdammten Krieg aus den Knochen schlafen. Im Schlosspark unter den Blutbuchen, Platanen und Eiben grasen dürre, struppige Pferde, pflichtbewusste vierbeinige Soldaten, die einen schweren Weg hinter sich haben.
An den Ufern der Mulde, die das Dorf in einem weiten Bogen umarmt, wachen Posten, vor allem an der hölzernen Brücke, die den Fluss überspannt.
Diesseits stehen die, die den roten Stern an der Mütze tragen, Sonnenblumenkerne kauen und die Spelzen in hohem Bogen ausspucken.
Jenseits, wo sich die Kleinstadt Jähnitz ausdehnt, stehen die mit den weißen Sternen an den Helmen, Männer mit lässigen Bewegungen, Männer, die Kaugummi zwischen den Zähnen traktieren.
Alt-Jähnitz wird nicht nur von fremden Lauten beherrscht, sondern auch von Angst vor diesen Siegersoldaten aus dem Osten. Jeden Augenblick kann damit gerechnet werden, dass sie von Haus zu Haus stiefeln, krakeelend an Türen und Hoftore schlagen, um in Stuben und Kellern, Scheunen und Ställen alles auf den Kopf zu stellen, um nach versprengten Hitlersoldaten zu suchen.
Dabei bleibt nicht selten an ihren Fingern hängen, was sie gebrauchen können: Stiefel, Uhren, Musikinstrumente. Vor allem aber Lebensmittel. Was Borsten, Federn und Felle trägt, geht ebenso mit wie Mehl, Zucker, Reis.
Zwei sind es. Zwei junge Burschen.
Der eine hat verwegen das Käppi in den Nacken geschoben und trägt eine erbeutete 08-Pistole am Koppel. Der andere, rundlicher, hat eine Kalaschnikow mit dem Lauf nach unten über die Schulter gehängt.
Der Pistolenschütze donnert mit der Stiefelspitze an die Hoftür und schreit: Otkiwaitje — poschli!
Wills kleine flatternde Mutter jagt ihren wiedergewonnen Herzenssohn auf den Stallboden. Dann hebelt sie, bleich vor Angst, den Querbalken von der Tür. Die zwei Milchgesichtigen rücken kühn auf den Hof.
Will hockt hinter der Lukentür und linst durch ein Astloch, bereit, sich in die Strohkuhle gleiten zu lassen, sollte einer der Eindringlinge zum Stall kommen.
Will bebt vor Erregung. Will ballt die Fäuste. Da stehen seine Feinde auf dem Hof, vor seiner Mutter stehen sie, und er kann nichts tun. Im Gegenteil, ihm ist zum In-die-Hosen-Scheißen.
Die Russen hacken auf die Mutter ein wie Meisen auf ihren kranken Gefährten. Mutter, die kein Wort versteht, zuckt mit den Schultern und ruft mit abweisender Härte immer: Nix verstehen.
Haut doch endlich ab, denkt Will und schließt ohnmächtig vor Wut die Augen.
Die Soldaten ziehen Mutter zur Haustür. Will erkennt die Gesichter der Burschen, glatt und oval. Strohblondes Haar. Ihre Köpfe hätte Lehrer Schmidt als arisch bezeichnet, germanische Rasse, nordisches Profil.
Die Russen ziehen Mutter zur Haustür.
Will möchte vom Strohboden springen, aber, wie oft in den vergangenen Monaten: Angst?… Angst.


Lindemann, Werner
Werner Lindemann (1926–1993) gehörte in der DDR zu den renommierten Kinderbuchautoren, der vor allem durch seine Lyrik für Kinder einen großen Leser- und Fankreis erreichte. In den 1980er Jahren entstanden auch Prosabände.

Werner Lindemann (1926–1993) gehörte in der DDR zu den renommierten Kinderbuchautoren, der vor allem durch seine Lyrik für Kinder einen großen Leser- und Fankreis erreichte. In den 1980er Jahren entstanden auch Prosabände, darunter die Geschichtensammlung »Aus dem Drispether Bauernhaus« (1981) und »Die Roggenmuhme« (1986). 1988 erschien sein Buch »Mike Oldfield im Schaukelstuhl«, das im Untertitel »Notizen eines Vaters« heißt. Hier geht es um das mehrmonatige Zusammenleben eines Ich-Erzählers mit seinem neunzehnjährigen Sohn. Einzigartig subtil werden die Momente von Distanz und Nähe zwischen beiden erfasst.



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