Linden | Verbitterung und Posttraumatische Verbitterungsstörung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 65, 126 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

Linden Verbitterung und Posttraumatische Verbitterungsstörung

E-Book, Deutsch, Band 65, 126 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

ISBN: 978-3-8444-3200-8
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Den Zustand der Verbitterung als Reaktion auf Ungerechtigkeit, Herabwürdigung und Vertrauensbruch kennt jeder Mensch. Ist die Verbitterung stark ausgeprägt und hält lange an, kann dies zu erheblichem Leid für die Betroffenen und ihre Umwelt führen. Betroffene sind wegen des störungsimmanenten Fatalismus, der Aggressivität und Zurückweisung von Hilfe schwer zu behandeln. Häufig kommen sie aufgrund unterschiedlichster Fehldiagnosen in Behandlung und sind langfristig arbeitsunfähig.
Die Neubearbeitung des Bandes beschreibt die Posttraumatische Verbitterungsstörung und stellt Modelle zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Verbitterungszuständen vor, insbesondere unter Bezugnahme des Konzeptes der Verletzung kognitiver Grundannahmen. Praxisorientiert wird die Behandlung der Verbitterungsstörung mit Methoden der Weisheitstherapie dargestellt, eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie, die die grundlagenwissenschaftlichen Ergebnisse der Weisheitspsychologie für die Psychotherapie nutzbar macht. Patientinnen und Patienten erlernen dabei Strategien, die innere Kränkung zu verarbeiten, um so die Voraussetzung für eine innerliche „Aussöhnung“ mit den verbitterungsauslösenden Ereignissen zu schaffen. Es geht darum, aktiv mit der Vergangenheit abzuschließen, um eine Neuorientierung in die Zukunft zu ermöglichen. Ein Weg, dies zu erreichen, ist eine Um- bzw. Neubewertung des kritischen Ereignisses und seiner Folgen. Die Weisheitstherapie stellt dafür verschiedene Methoden zur Verfügung, die anhand zahlreicher Beispiele beschrieben werden. Abschließend geht der Band noch auf sozialmedizinische und forensische Aspekte ein, z.B. auf Fragen der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit sowie der Schuldfähigkeit.
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Zielgruppe


Psychotherapeut_innen, Klinische Psycholog_innen, Psychiater_innen, Berater_innen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2  Störungstheorien und -modelle
2.1  Verbitterungsreaktionen bei Kränkung und Ungerechtigkeit
Verbitterung ist eine Emotion, die subjektiv wie auch durch Beobachter als negativ erlebt wird und die immer auf äußere Bedingungen attribuiert wird (Alexander, 1966; Linden & Maercker, 2011; Znoj, 2008, 2011). Menschen verstehen auch ohne professionelle Vorbildung, was mit Verbitterung gemeint ist, so wie jeder weiß, was Angst oder Ärger ist. Menschen mit ausgeprägten Verbitterungszuständen wurden schon in der Antike beschrieben – beispielsweise in der Person von Ajax in der Ilias, der Odyssee, bei Ovid und Sophokles. Auch Aristoteles beschrieb die Qualität dieses Affektzustandes: Verbittert ist der schwer zu Versöhnende, der lange Zeit den Zorn festhält; er verschließt die Erregung in seinem Innern und hört damit erst auf, wenn er Vergeltung geübt hat. Denn geübte Vergeltung beschwichtigt die Erregung, indem sie das Gefühl des Schmerzes durch ein Gefühl der Befriedigung ersetzt. Geschieht das nicht, so wirkt der Druck weiter. Denn da die Erregung nicht offen heraustritt, so kann einem solchen auch keiner gut zureden, innerlich aber die Erregung zu verarbeiten, dazu braucht es Zeit. Diese Art von Menschen ist sich selbst und den vertrautesten Freunden die schwerste Last. (Aristoteles, Nikomachische Ethik) Nach dem Alten Testament beginnt sogar die Menschheitsgeschichte mit einer Kränkungs- und Verbitterungsreaktion (Genesis 4, 1?–?16). Kain erschlägt Abel, weil Gott sein hart erarbeitetes und wohlmeinendes Opfer einfach ignoriert und das Opfer seines Bruders stattdessen mit Wohlgefallen aufgenommen hat, was als eine schwere Ungerechtigkeit erlebt wird. |25|Verbitterung entsteht typischerweise als Reaktion auf erlittenes Unrecht, Vertrauensbruch oder Herabwürdigung, verbunden mit der Hilflosigkeit zu funktionaler Gegenwehr. Einer Person eine Ungerechtigkeit zuzufügen und/oder sie herabzuwürdigen, ist eine Form von Aggression. Eine typische Gegenreaktion ist dann ein aggressiver Protest. Handelt es sich jedoch um ein negatives Lebensereignis, das durch eine Gegenaggression nicht verändert oder ungeschehen gemacht werden kann, dann kann es zu einer verbitterten Gegenaggression kommen, d.?h. ein Zurückschlagen „ohne Rücksicht auf Verluste“. Obwohl Verbitterung als Reaktion auf ein als ungerecht oder herabwürdigend erlebtes Ereignis sich immer auf ein in der Vergangenheit liegendes Erlebnis bezieht, muss Verbitterung auch als antizipatorische und zielbezogene Emotion verstanden werden. Der zielbezogene Anteil von Verbitterung spiegelt die Frustration (über ein blockiertes Ziel) oder Enttäuschung (über ein verpasstes Ziel) wider, der antizipatorische Anteil nimmt die emotionale Bewertung zukünftiger Ereignisse vorweg (z.?B. „Nichts kann meine Schmach tilgen“) und ggf. auch die Wiederherstellung von Gerechtigkeit, und sei es durch Rache. Fallbeispiel: Herr S. Herr S. war Manager in einem großen Industriebetrieb. Er war beruflich immer voll engagiert und bei der Sache und hat deswegen auch Karriere gemacht. Er wurde immer wieder mit Projekten betraut, die in Schwierigkeiten geraten waren, so wie auch im aktuellen Fall. Es zeichnete sich ab, dass das Projekt zu scheitern drohte, weshalb Herr S. Tag und Nacht versuchte, zu retten, was zu retten war. Der zuständige Abteilungsleiter war mitverantwortlich für die entstandenen Probleme. Bei einer Projektbesprechung ließ dieser dann den Satz fallen: „Wenn Sie das nicht hinbekommen, dann muss ich einen ‚richtigen‘ Manager hinzuziehen.“ Herr S. reagierte darauf mit akuter Erregung und einem dissoziativen Zustand. Er verließ das Gebäude, konnte aber nicht einmal mehr mit dem Auto nach Hause fahren, sodass ihn seine Frau abholen musste. Ab sofort ging er nicht mehr zur Arbeit. Er fühlte sich zutiefst verletzt und verbittert. Er musste ständig an die erlittene Ungerechtigkeit denken und fühlte sich macht- und hilflos. Er begann einen aussichtslosen juristischen Feldzug gegen die Firma, der sein Vermögen und das seiner Großmutter aufbrauchte. Je weniger Erfolg er hatte, desto stärker wurde sein Hass gegen den Chef. Er schwelgte in gewalttätigen Fantasien, wie er in der Firma Feuer legen könnte, um sich ggf. danach selbst umzubringen – um seinen Frieden zu haben, aber auch um ein Fanal zu setzen, damit die Welt auf die Ungerechtigkeit in der Arbeitswelt aufmerksam würde. |26|2.2  Emotionstheoretische Überlegungen
Nach kognitiven Emotionstheorien (Scherer, 2004) stehen Emotionen in Zusammenhang mit kognitiven Bewertungsprozessen. Wichtige kognitive Variablen, die das Auftreten einer Emotion erklären, sind Einschätzungen der Zielrelevanz und Zielkongruenz sowie Zuschreibungen der Kontrollierbarkeit. Nur wenn eine Situation für die eigene Person Relevanz besitzt, löst sie eine emotionale Reaktion aus. Ob diese emotionale Reaktion negativ oder positiv ausfällt, hängt damit zusammen, ob das bedeutsame Ereignis als kongruent oder inkongruent mit den eigenen Zielen, Wünschen und Normen eingeschätzt wird. Während zielkongruente Ereignisse positive Emotionen auslösen (z.?B. Freude, Stolz oder Dankbarkeit), lösen zielinkongruente Ereignisse negative Gefühle aus (z.?B. Angst, Wut, Enttäuschung). Weitere wichtige Kognitionen sind Einschätzungen der Verantwortlichkeit und der Kontrollierbarkeit eines Ereignisses. Entsprechend entsteht eine Emotion infolge eines zweistufigen Bewertungsprozesses. Zum Beispiel entsteht Scham, wenn ein persönliches Ziel nicht erreicht wird, dieses Ziel aber als wichtig bewertet wird, und wenn in einem zweiten Bewertungsprozess die Tatsache, dass man dieses Ziel nicht erreicht hat, dem eigenen Versagen zugeschrieben wird. Folgt man kognitiven Emotionstheorien, resultiert Bitterkeit aus: einer Zurückweisung oder erlebten Ungerechtigkeit, die als Bedrohung wahrgenommen wird, einem Verlust von Ressourcen, Personen, wichtigen Zielen oder körperlicher Funktionsfähigkeit und aus der Einschätzung, dass die Möglichkeiten, die Situation bewältigen zu können, gering sind. In Anlehnung an die Konzepte von Plutchik (Plutchik & Conte, 1997; Znoj, 2011) kann Verbitterung in ein Circumplex-Modell mit den orthogonalen Dimensionen Hoffnung/Verzweiflung (Kann die Situation verändert werden oder nicht?) und internale/externale Verursachung (Liegt die Verantwortung bei mir oder anderen?) integriert werden (vgl. Abbildung 3). Ausgehend von einem zielinkongruenten Ereignis können auf diesen beiden Achsen den Quadranten vier emotionale Zustände zugeordnet werden: (a) Hoffnung/Herausforderung, (b) Wut und Aggression, (c) Entfremdung, Verbitterung und Hass, (d) Resignation, Schuld und Depression. Verbitterung steht zwischen Aggression und Depression. Diese Kategorie hilft, die spezifische Reaktion von Menschen zu verstehen, die von sozial belohnenden Situationen abgeschnitten sind und die Ursache dieser Beschneidung in externalen Ursachen (andere Personen, Schicksal) sehen. Verbitterung kann als Endstadium einer Folge von aufeinander aufbauenden und miteinander verflochtenen Emotionen verstanden werden: |27| Wenn etwas schiefgeht, reagieren Menschen mit Frustration. Kommt hinzu, dass eine andere Person schuld war, dann entsteht Ärger. Wenn diese Person es hätte anders machen können, dann kommt Zorn auf. Wenn der andere es mit Absicht gemacht hat, dann entsteht Aggression. Kann man sich nicht wehren und nichts dagegen tun, dann führt dies zu Hilflosigkeit. ...


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