E-Book, Deutsch, Band 2, 184 Seiten
Reihe: Kati
Lindgren Kati in Italien
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-86274-472-5
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 184 Seiten
Reihe: Kati
ISBN: 978-3-86274-472-5
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kati und ihre Freundin Eva gewinnen dreitausend Kronen im Fußballtoto und beschließen nach Italien zu reisen - sehr zum Entsetzen von Katis Freund Jan, der befürchtet, seine Liebste an einen feurigen Italiener zu verlieren. Gut, dass er nicht weiß, dass es im Süden nicht nur Italiener, sondern auch sehr nette Schweden gibt!
Erfrischend und unkonventionell: das zweite Abenteuer von Kati, ein früher Roman von Astrid Lindgren.
Astrid Lindgren (1907?-?2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die 'wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten' (DIE ZEIT) wurde u.?a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
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KAPITEL 3
Jede Frau müsste einmal die Möglichkeit haben, sich ein eigenes Heim einzurichten, ganz unabhängig davon, ob sie heiratet oder nicht. Der ihr innewohnende Trieb, Handtücher zu säumen und kleine irdene, feuerfeste Formen zu kaufen und Spitzenstreifen an den Wandbrettern anzubringen, müsste ohne Rücksicht auf ihren Familienstand befriedigt werden. Wie die Dinge jetzt liegen, kann ein Mädchen sich von ihrem Verlangen nach all diesen Beschäftigungen leicht zu dem Glauben verleiten lassen, in irgendeinen Unglücksmann verliebt zu sein. In irgendeinen beliebigen Mann, der ihr die Möglichkeit verschafft, ihre Einrichtungsgelüste zu befriedigen, und der ihr zugleich den Titel Frau gibt. Dieser letzte Punkt ist natürlich nicht der unwichtigste. Ich entwickelte Eva meinen Standpunkt, wenn wir abends Vorhänge säumten. »Der Einrichtungshang und der Hang nach dem Frauentitel haben manches Mädchen zu Fall gebracht«, sagte ich weise. »Ja, ja, es ist vielleicht gar nicht so sonderbar.« »Na«, sagte Eva, »so schrecklich wundervoll kann es wohl doch nicht sein, plötzlich zum Beispiel Frau Johansson zu heißen. Und für den armen Johansson mag es auch nur mäßig ergötzlich sein, wenn er dahinter kommt, wie die Rangordnung der Frau ist: Zuerst kommen die Handtücher, dann kommt das Silberbesteck, dann das Kaffeeservice, dann kommt eine Weile gar nichts und schließlich kommt Johansson.« Uns tat dieser unbekannte Herr Johansson unsagbar Leid und wir waren sehr zufrieden, weil wir so prächtige Ansichten hatten und weil wir keinen Mann zur Ehe zu drängen brauchten mit dem heimlichen Hintergedanken an gepunktete Voilegardinen. Wir hatten auch so die wunderbare Freiheit, Volants zu säumen. Und das taten wir mit Eifer. Meter für Meter. Und nicht nur das! Wir richteten die Wohnung neu her, sodass Tante das Gesicht in strenge Falten gelegt haben würde, wenn sie es gesehen hätte. Jan half uns, mein netter, wenn auch damals etwas verbitterter Jan. Es konnte nicht so lustig für ihn sein, Abend für Abend Tapeten überzustreichen oder auf allen vieren zu liegen und Fußböden zu firnissen, wenn er die ganze Zeit daran denken musste, dass er ja an Evas Stelle hier hätte einziehen können, wenn ich nicht so störrisch gewesen wäre. Er fand mich ungewöhnlich albern und sagte mir dies auch mehr als einmal, während er mit seinem Malerpinsel energisch Tantes dunkle Wände bearbeitete. Und obwohl er Eva im Grunde gern mochte, konnte er natürlich ihre Anwesenheit in der Wohnung nicht mit besonders freundlichen Augen ansehen. »In einem Jahr fliegst du hier raus, dass du es nur weißt«, sagte er zu ihr. »In einem Jahr kann viel passieren«, sagte Eva. Diese Worte hörte ich zum zweiten Mal und ich zuckte in einer geheimen Erwartung zusammen, obwohl ich mir um keinen Preis hätte vorstellen können, was passieren sollte. Aber ich schob schnell alle Gedanken an die Zukunft beiseite und konzentrierte mich darauf, Tantes altväterliches Sofa so vorteilhaft wie möglich aufzustellen und meine Bücher auf dem neuen Regal zu ordnen, das Jan uns getischlert hatte. Meine lieben, alten Bücher! »Lies nicht so viel, Kati«, sagte Eva immer wieder. »Lebe lieber!« Aber ihre Ermahnungen waren nutzlos. Ich war ein Bücherwurm und würde es bleiben. Das Leben in den Büchern war für mich wirklicher als das wirkliche Leben. Ich hatte, solange ich denken konnte, Bücher gesammelt und mit einer stillen inneren Freude brachte ich sie jetzt an ihrem neuen Platz unter. Die Juniabende waren lang und hell und wir arbeiteten bis spät in die Nacht. Aber wir wurden trotzdem nicht müde – wahrscheinlich weil wir so viel Spaß hatten. Das hielt lange an. Punkt fünf setzten Eva und ich die Hauben auf unsere Schreibmaschinen, warfen den Stenogrammblock in eine Schublade, zogen die Jacken über und stürzten uns in das Gewühl der Kungsgatan. Und so schnell die Beine uns tragen wollten, liefen wir nach Hause in unsere Wohnung. Wir ließen uns kaum Zeit zum Essen. Wir vernachlässigten auch alles andere. Es war die Zeit der hellen Nächte. Die Zeit der gesegneten hellen Nächte. Die Absicht des lieben Gottes, als er die Stockholmer hellen Nächte machte, war sicherlich die, dass die jungen Männer und Mädchen der Stadt diese Nächte zu melancholischen Sommernachtsspaziergängen unter den Eichen des Tiergartens benutzen sollten und zu verträumten Streifzügen an den stillen, blauen Seen, Arm in Arm und fest umschlungen. Aber was taten wir? Wir säumten nur Vorhänge. Und gegen acht Uhr abends kam Jan, zunächst etwas mürrisch, etwas widerborstig, allmählich aber gepackt von der Begeisterung des Architekten, zwei kleine, dunkle, enge Mansarden in etwas zu verwandeln, was hell und geräumig wirkte und worin man atmen konnte. Um Mitternacht tranken wir Tee und besichtigten die Erfolge des Tages. Dann ging Jan nach Hause zu der Witwe auf Kungsholm, und wenn ich seine Schritte auf den Treppen verhallen hörte, wurde ich jedes Mal von Gewissensbissen befallen, aber das ging schnell vorbei. Schließlich war alles fertig und eines schönen Abends luden wir Jan zum Einweihungsessen ein. Ich hatte entdeckt, dass es eigentlich gar nicht so schwer war, Essen zuzubereiten, wenn man sich nur genau nach dem Kochbuch richtete. Und Eva hatte angeborene kulinarische Talente. »Das Beste an Eva sind ihre Fleischklöße«, sagte Jan und legte sich einen ganzen Haufen auf den Teller. Er sagte nicht, dass das Beste an mir meine gedämpften Morcheln seien, aber ich fand selbst, dass sie fantastisch gut schmeckten. Und auch die Stimmung war gut. Sogar Jan ließ sich mitreißen und lachte so herzhaft, dass die Fensterscheiben klirrten. Gerade als es am allerlustigsten war, klingelte es. Ich öffnete. Vor mir stand ein wildfremder junger Mann mit fröhlichen blauen Augen und einer Laute in der Hand. Er trat auf uns zu und sagte: »Ist das hier ein Jubel und Juchhei, liebe Freunde! Warum darf ich nie dabei sein, wenn es lustig hergeht? Und warum bekomme ich nichts zu essen?« »Wir dachten, Sie hätten schon gegessen«, sagte ich. »Außerdem vermuteten wir, Morcheln würden Ihnen nicht bekommen«, meinte Eva. »Übrigens: Wer sind Sie eigentlich?« »Albert natürlich«, sagte der Blauäugige munter. »Seit ein paar Wochen Ihr nächster Nachbar!« »Angenehm«, sagte Eva. »Ich sitze schon eine ganze Weile in meinem Zimmer und höre Ihnen zu«, fuhr Albert fort. »Man hört Sie alle ausgezeichnet, kann ich Ihnen versichern. Aber dann hat irgendein heimtückischer Schuft so leise gesprochen, dass ich nur noch jedes zweite Wort verstehen konnte, und dann kapiert man die Zusammenhänge nicht mehr. Da dachte ich, das Beste ist, ich komme gleich selber.« »Unbedingt«, sagte Eva. Nun aber war Jan zum Leben erwacht. Er musterte den Eindringling von oben bis unten, so einladend wie ein offenes Grab. »Mit welchem Recht …«, begann er. »Einen Augenblick, Jan«, sagte ich warnend. »Dies ist meine Wohnung und ich möchte Albert gern zu Morcheln einladen.« »Im Namen der heiligen Nächstenliebe«, sagte Eva und holte einen vierten Teller. »Ja, wenn Sie mich so nötigen …«, sagte Albert. Er stellte die Laute hin und ließ sich ohne Ziererei am Tisch nieder. Er war munter, ungezwungen und laut und kümmerte sich keinen Deut darum, dass Jan anfangs etwas mürrisch war. Albert erzählte, er habe ein Zimmer bei dem alten Ehepaar, das Wand an Wand mit uns wohne. Er sei Schauspieler und erst kürzlich von einer langen Gastspielreise durch die Provinz zurückgekehrt. Wir erinnerten uns Rollenfotos von ihm in den Zeitungen gesehen zu haben. Er habe den »Vater« in Strindbergs Stück gespielt, sagte er. Und Jan bemerkte, wenn das arme Provinzpublikum Albert als Vater gesehen habe, so müsse die Langeweile hinterher doppelt drückend gewesen sein. Aber Albert lachte nur und nahm sich noch einen Fleischkloß. Die ganze Zeit stand die Laute in der Ecke wie eine düstere Bedrohung unserer Fröhlichkeit. »Glaubst du, er will singen?«, flüsterte ich ängstlich. »Ich wüsste nicht, wie du ihn daran hindern könntest«, flüsterte Jan zurück. Eigentlich ist Gesang zur Laute schön – schon weil es so herrlich ist, wenn er aufhört. Aber die meisten Lautensänger tun alles, um diesen genussreichen Augenblick so lange wie möglich hinauszuschieben. Und mir wird immer so beklommen zu Mute, wenn große, starke Männer mit einem Körper wie ein Preisboxer sich hinstellen, auf der Laute klimpern und verkünden: »Ich bin ein Mädchen, das in Lumpen geht …«, und dann nach einigem »Hopsassa, hopsassa!« weitersingen: »Jetzt holen wir Bier, ja Bier, ja Bier …« Eva aber, die ein gewisses Interessse für Albert gefasst zu haben schien und weiß, wie man einem Mann am besten schmeichelt, wartete offenbar nur auf eine Gelegenheit, ihn zum Singen zu ermuntern, während Jan und ich die Kaffeetassen auf den Tisch stellten. Denn Albert erhob sich plötzlich und sagte mit gespielter Schüchternheit: »Jemand hat mich gebeten zu singen.« »Was war das für ein Idiot?«, fragte Jan. Albert ließ sich aber nicht irremachen. Er stimmte mit voller Kraft an und Eva saß neben ihm mit blitzenden Augen, und schließlich holte er dann wirklich »Bier, ja Bier«. Aber da ging ich mit Jan in die Küche und setzte das Kaffeewasser auf. Und Jan küsste mich und sagte, wenn ich nicht so eine dumme, unverständige kleine Närrin gewesen wäre, könnten wir jetzt verheiratet sein und hätten unser eigenes Heim ohne Lautenschläger und alles wäre gut. In diesem Augenblick war...