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E-Book

Lindqvist Menschenhafen


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7620-2
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 3, 556 Seiten

Reihe: Die Horror-Romane von Schwedens Bestsellerautor John Ajvide Lindqvist

ISBN: 978-3-7517-7620-2
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein verschwundenes Kind. Ein verzweifelter Vater. Und ein dunkles Geheimnis.

»Papa, was ist das? Da drüben auf dem Eis?« Ein strahlend schöner Wintertag. Anders steht mit seiner sechsjährigen Tochter Maja auf dem Leuchtturm der Insel Gåvasten und schaut aufs Meer hinaus. Eis, überall Eis. Und Schnee. Was hat seine Tochter in der Ferne erspäht? Da ist doch nichts. Kurz darauf läuft Maja hinaus, um nachzusehen - und der Alptraum beginnt. Obwohl sie auf der freien Eisfläche nicht verschwinden kann, passiert genau das. Plötzlich ist sie weg. Spurlos verschwunden. Anders und seine Frau haben kein Kind mehr ...

Zwei Jahre später kehrt Anders als gebrochener Mann in das verlassene Haus seiner Familie auf der Insel zurück. Bald stellt er fest, dass Majas Verschwinden nur eines von vielen seltsamen Ereignissen ist und dass die Dorfbewohner viel mehr wissen, als sie sagen. Er scheint einem dunklen und tödlichen Geheimnis auf der Spur. Mysteriöse Botschaften erreichen ihn. Ist Maja noch am Leben?

Spannung pur von John Ajvide Lindqvist. »Schwedens Antwort auf Stephen King.« Daily Mirror

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.



John Ajvide Lindqvist, geboren 1968, ist aufgewachsen in Blackeberg, einem Vorort von Stockholm. Dort leben auch die Helden seines weltweit erfolgreichen Romandebüts "So finster die Nacht", das für das internationale Kino verfilmt wurde. Der Autor begann seine Karriere als TV-Stand-up-Comedian und verfasst seit einigen Jahren literarische Thriller mit Horrorelementen. Mit großem Erfolg. Er zählt zu den größten Talenten der schwedischen Literaturszene und wurde 2008 mit dem "Selma-Lagerlöf-Preis" ausgezeichnet. Menschenhafen ist sein dritter Roman.

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ÜBER SMÄCKET


Denn Fohlen, die weder Sporen noch Peitsche vertragen,

finden das Leben schwierig. Jeder Schmerz, der

sie ereilt, lässt sie durchgehen, auf wilden Wegen hin

zu gähnenden Abgründen.

SELMA LAGERLÖF – DIE GESCHICHTE VON GÖSTA BERLING

Farn (Oktober 2006)

Den Ausschlag hatte der Farn gegeben.

Anders hatte ihn zwanzig Minuten angestarrt und währenddessen zwei Zigaretten geraucht. Er betrachtete den Farn durch einen Schleier aus Rauch und Staubpartikeln, die sich in schmutzigem Sonnenlicht drehten. Das Fenster war schon lange nicht mehr geputzt worden, und unregelmäßig verteilte Fettabdrücke befleckten die Glasfläche, Spuren der zahlreichen Abende, an denen Anders mit der Stirn gegen das Glas gelehnt gestanden, auf den Parkplatz hinabgesehen und darauf gewartet hatte, dass etwas passieren würde, das eine Veränderung herbeiführen konnte. Irgendetwas, ganz gleich was, ein Wunder.

Der Farn stand auf der Fensterbank über dem Heizkörper. Ein langer Zweig wedelte in der aufsteigenden Warmluft. Die Blätter waren klein und braun, vertrocknet.

Anders zündete sich eine weitere Zigarette an, um schärfer denken zu können, vielleicht aber auch als Belohnung dafür, dass er einen richtigen Gedanken, einen klaren Gedanken zustande gebracht hatte. Seine Augen brannten vom Rauch, er hustete und musterte weiter den Farn.

Er ist tot.

Die meisten Zweige klebten, hellbraun bis rötlich, an der Wand des Blumentopfs. Die Erde, in der die Pflanze stand, war so trocken, dass sie fast weiß aussah. Anders nahm einen tiefen Zug und versuchte sich zu erinnern: Wie lange hatte der Farn so ausgesehen, wie lange war er tot gewesen?

Er durchforstete seine Erinnerung auf der Suche nach früheren Tagen und Abenden, an denen er auf der Couch gesessen hatte oder durch die Wohnung gewankt war oder am Fenster gestanden hatte. Sie verschwammen zu einem Nebel, und er war unfähig, durch den Dunst einen vertrockneten Farn zu sehen. Als er genauer überlegte, konnte er sich nicht einmal erinnern, wann er den Farn angeschafft hatte, warum er überhaupt auf die Idee gekommen war, eine lebende Pflanze zu kaufen.

Hatte er sie geschenkt bekommen?

Möglich.

Er stand von der Couch auf, seine Beine trugen ihn nicht richtig. Er überlegte, eine Flasche mit Wasser zu füllen und den Farn damit zu gießen, wusste jedoch, es stand so viel schmutziges Geschirr in der Spüle, dass er die Flasche nicht unter den Hahn halten können würde. Im Waschbecken ließ sich die Flasche andererseits nicht so anwinkeln, dass Wasser hineinlief. Folglich würde er den Duschkopf abschrauben müssen …

Er ist sowieso tot.

Außerdem konnte er sich nicht aufraffen.

In dem Blumentopf fand er acht Zigarettenkippen. Einige waren halb in die harte Erde gedrückt. Folglich musste er hier gestanden und geraucht haben. Erinnern konnte er sich daran nicht. Als er mit den Fingern über die trockenen Zweige strich, lösten sich einige Blätter und taumelten zu Boden.

Wo kommst du her?

Ihm kam der Gedanke, dass die Pflanze genauso einfach in die Welt gefallen war, wie Maja aus ihr herausgefallen war. Durch einen Spalt in der Raumzeit war sie plötzlich aufgetaucht, so wie seine Tochter plötzlich nicht mehr da gewesen war. Verschwunden.

Was hatte Simon noch gesagt, wenn er für sie zauberte?

Nichts hier, nichts da … dann hatte er auf seinen Kopf gezeigt … und absolut nichts da.

Bei dem Gedanken an Majas Gesichtsausdruck, als Simon, nur zwei Monate vor ihrem Verschwinden, zum ersten Mal für sie gezaubert hatte, verzog Anders das Gesicht. Ein Schaumgummibällchen in Simons Hand hatte sich in Luft aufgelöst, und aus dem einen Bällchen, das Maja kurz zuvor noch in der Hand gehalten hatte, waren zwei geworden. Maja hatte Simon weiterhin erwartungsvoll angesehen: Aha? Und jetzt?

Magie ist nicht das gleiche Wunder, wenn man fünf ist. Eher etwas Natürliches.

Anders drückte die Zigarette im Topf aus, machte damit aus den acht Kippen neun und erinnerte sich im gleichen Moment: Mutter.

Seine Mutter hatte ihm die Pflanze mitgebracht, als sie ihn vor vier Monaten besuchte. Sie hatte die Wohnung für ihn geputzt und den Farn dorthin gestellt. Er war in einer seiner apathischen Phasen gewesen, hatte nur auf dem Bett gelegen und ihr zugesehen. Danach war sie zu ihrem Leben in Göteborg zurückgekehrt.

Der Farn hatte nicht zu den Dingen gehört, die unbedingt gebraucht wurden, also hatte er ihn vergessen, ihm kaum mehr Beachtung geschenkt als einem Fleck auf der Tapete.

Aber jetzt sah er ihn. Jetzt betrachtete er ihn. Jetzt dachte er nochmals den Gedanken.

Das Ding ist das Hässlichste, was ich je in meinem Leben gesehen habe.

Ja. Das war ihm in den Sinn gekommen, als ihm der Farn endlich ins Auge gefallen war. Der einsame, tote Farn auf dem staubigen Fensterbrett vor einem Hintergrund aus schmutzigem Sonnenlicht, das durch ein nicht geputztes Fenster hereinfiel. Dass dies das Hässlichste war, was er jemals gesehen hatte.

Ausnahmsweise machte der Gedanke an diesem Punkt nicht Halt, sondern lief weiter und schweifte über das Leben, das ein solches Monster hervorbringen konnte: Es war ein hässliches Leben.

Er konnte ertragen, dass sein Leben hässlich war. Das wusste er, denn er hatte es so eingerichtet, er hatte sich daran gewöhnt und war darauf gefasst, als Folge seines hässlichen Lebens binnen weniger Jahre zu sterben.

Aber der Farn …

Der Farn war einfach zu viel. Er war unerträglich.

Anders musste husten und schleppte sich ins Schlafzimmer. Es kam ihm vor, als wäre seine Lunge auf die Größe einer Faust zusammengeschrumpft. Einer fest geballten Faust. Er nahm das Foto von Maja vom Nachttisch und trug es zum Fenster.  

Die Aufnahme war an ihrem sechsten Geburtstag entstanden, zwei Wochen vor ihrem Verschwinden. In die Stirn geschoben trug sie eine Maske, die sie im Kindergarten gebastelt hatte und Teufelstroll nannte. Er hatte genau in dem Moment den Auslöser betätigt, in dem sie die Maske hochschob und ihn mit erwartungsvollen Augen ansah, um zu schauen, welche Wirkung ihre »Erschreckung«, wie sie sagte, gehabt hatte.

Die Lachgrübchen auf ihren Wangen traten deutlich hervor, und ihre dünnen, braunen Haare waren von der Maske so zurückgeschoben worden, dass man ihre leicht abstehenden Ohren sah. Die Augen, sonst ungewöhnlich klein, hatte sie weit aufgerissen, und sie blickten unverwandt in seine.

Er kannte dieses Bild in- und auswendig, jedes einzelne minimale Partikel, das die Linse erfasst und als weißen Punkt festgehalten hatte, jedes Flaumhaar auf ihrer Oberlippe. Wenn er wollte, konnte er es jederzeit heraufbeschwören.

»Maja«, sagte er. »Ich kann nicht mehr. Hier. Sieh mal.«

Er drehte das Foto so, dass Majas Augen den Farn betrachteten.

»Das geht nicht.«

Er stellte das Foto neben dem Farn ab und öffnete das Fenster. Seine Wohnung lag im vierten Stock, und als er sich hinauslehnte, konnte er bis zum Zentrum von Haninge und zur Pendelzugstation sehen. Er blickte hinab. Bis zum Asphalt des Parkplatzes waren es gut zehn Meter, es war kein Mensch in der Nähe.

Er griff erneut nach dem Foto und presste es an sein Herz. Rauchkringel fanden den Weg ins Sonnenlicht, schwebten aufwärts.

»Das geht einfach nicht mehr.«

Er packte den Rand des Topfs und hob den Farn aus dem Fenster. Dann ließ er los. Kurz darauf hörte man ein fernes Krachen, als der Topf auf dem Erdboden zersplitterte. Er wandte sein Gesicht der Sonne zu und schloss die Augen.

»Das muss ein Ende haben.«

Der Anker

Auf dem Friedhof von Nåten liegt in Ufernähe ein Anker. Ein riesiger, gusseiserner Anker mit einem Stock aus geteertem Holz. Er ist größer als jeder Grabstein, größer als alles andere auf dem Friedhof, ausgenommen die Kirche. Fast alle, die den Friedhof besuchen, kommen früher oder später zu diesem Anker, bleiben stehen und betrachten ihn kurz, ehe sie weitergehen.

In Kopfhöhe ist auf dem Ankerstock eine Plakette angebracht, auf der geschrieben steht: »Zur Erinnerung an alle, die auf dem Meer verschwanden.« Der Anker ist also ein Denkmal für all jene, deren Körper man nicht der Erde übergeben, deren Asche man nicht in Hainen verstreuen konnte. Die hinausfuhren und nie mehr wiederkehrten.

Der Anker ist viereinhalb Meter lang, wiegt gut neunhundert Kilo.

Man stelle sich das Schiff vor! Wo mag es jetzt sein?

Vielleicht läuft eine unsichtbare Kette von diesem Anker auf dem Friedhof von Nåten zum Himmel hinauf, in die Erde hinab oder aufs Meer hinaus. Und dort, am anderen Ende der Kette, finden wir das Schiff. Besatzung und Passagiere sind die Verschollenen. Sie wandeln auf Deck und spähen zum leeren Horizont.

Sie warten auf den, der sie finden wird. Das Geräusch eines Dieselmotors oder eine Mastspitze in weiter Ferne. Ein Augenpaar, das kommen und sie sehen wird.

Sie wollen ihre Reise fortsetzen und endlich ankommen, sie wollen ins Grab, sie wollen brennen. Aber sie sind mit einer unsichtbaren Kette an die Erde gebunden und können nur auf ein ödes Meer in ewiger Windstille schauen.

Zurück


Als das Zubringerboot vom Schiffsanleger ablegte, hob Anders die Hand, um Roger am Fahrerplatz zu grüßen. Sie waren im selben Alter, hatten privat aber nie miteinander zu tun gehabt. Dennoch grüßten sie sich, so wie sich alle auf der Insel grüßten, wenn sie...


Lindqvist, John Ajvide
John Ajvide Lindqvist, geboren 1968, ist aufgewachsen in Blackeberg, einem Vorort von Stockholm. Dort leben auch die Helden seines weltweit erfolgreichen Romandebüts "So finster die Nacht", das für das internationale Kino verfilmt wurde. Der Autor begann seine Karriere als TV-Stand-up-Comedian und verfasst seit einigen Jahren literarische Thriller mit Horrorelementen. Mit großem Erfolg. Er zählt zu den größten Talenten der schwedischen Literaturszene und wurde 2008 mit dem "Selma-Lagerlöf-Preis" ausgezeichnet. Menschenhafen ist sein dritter Roman.

John Ajvide Lindqvist, geboren 1968, ist aufgewachsen in Blackeberg, einem Vorort von Stockholm. Dort leben auch die Helden seines weltweit erfolgreichen Romandebüts "So finster die Nacht", das für das internationale Kino verfilmt wurde. Der "schwedische Stephen King" (Dagens Nyheter) begann seine Karriere als TV-Stand-up-Comedian und widmet sich seit einigen Jahren ganz dem Schreiben von Thrillern mit Horrorelementen. Mit großem Erfolg. Er zählt zu den größten Talenten der schwedischen Literaturszene und wurde 2008 mit dem "Selma-Lagerlöf-Preis" ausgezeichnet. ?Die Bewegung? stand auf der Shortlist des schwedischen Literaturpreises 2016. Weitere Informationen auf: www.johnajvide.com.



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