E-Book, Deutsch, 167 Seiten
Lipp Gut Regenbogen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-1027-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Von Hexen, Einhörnern und anderen magischen Wesen
E-Book, Deutsch, 167 Seiten
ISBN: 978-3-7554-1027-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
... Sleipnir steht neben mir. 'Ich habe es zu erklären vergessen, du darfst kein Einhorn-Horn von einem Kind berühren. Es hat viel Kraft, aber es nimmt auch Kräfte, die Zauberkräfte weg. Hat das dein Hund gewusst? ...
Autoren/Hrsg.
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Auf Galapagos
Die erste Zeit auf der Insel Wir haben unser Zelt am hinteren Ende des Platzes. Rund herum sind Zäune, die recht stabil aussehen. Als ich nachfrage, werde ich aufgeklärt, dass das gegen die Warane helfen soll, aber auch gegen andere Tiere, die gerne Fleisch fressen. Ich bekomme Gänsehaut, Warane habe ich bisher nur im Fernsehen gesehen, aber dabei leider auch, wie diese Raubtiere so eine Ziege ruck-zuck vertilgt haben. Na gut, also keine Dusche, ich benutze kein Deo, also passe ich bald zu den anderen Menschen hier, die auch nicht unbedingt gewaschen sind. Aber wir sind ja nicht zum ‚Schönsein‘ sondern zum Forschen hier. Bald rieche ich wie die Umgebung und kann mich in Flora und Fauna relativ unbemerkt bewegen. Immer wieder fotografiere ich, ohne Blitz natürlich, meine Umgebung. Jeden Tag entdecke ich Neues: Orchideen und andere Blühpflanzen, Grünpflanzen, Flechten, Pilze. Ich beobachte den Riesenbambus, der bis zu zwei Meter am Tag wachsen kann, manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dabei zusehen kann. Und es gibt hier Schlingpflanzen, die, wenn man nicht darauf achtet, einen einwickeln. Die Tiere sehen mich auch nach ein paar Tagen als jemand an, der dazu gehört. Manchmal sitze ich nur herum, beobachte, mache mir Notizen und Bilder. Ein, zweimal meine ich Klappern von Hufen zu hören, aber ich bin mir nicht sicher. So gehe ich hier in der wunderschönen unberührten Natur meinen Studien nach und vergleiche alles Mögliche mit dem Zustand von zuhause. Ich fotografiere mir unbekannte Flechten, Pilze und Pflanzen, skizziere und zeichne. Nehme Proben davon. Es ist für die Forscher ein großes Rätsel, warum es Pflanzen und Tiere gibt, die eigentlich nicht hierher gehören. Und gerade deshalb befindet sich hier diese Forschungsstation. Mir fällt ein, es gibt eine Schleichkatzenart, die rohe Kaffee-bohnen frisst und diese auch wieder als Ganzes ausscheidet. Kopi Luwak heißt der seltene Kaffee, und diese Katze heißt Fleckenmusang. Diese natur-fermentierten Kaffeebohnen werden dann gesammelt, geröstet und für viel Geld nach Europa verkauft. Er soll nach Schokolade schmecken, doch ob ich das probieren will? Aber das bringt mich auf eine Idee, ich sah heute Morgen einen typischen Pferdeapfel. Langsam gehe ich meinen Weg zurück, da liegen einige solcher Pferdeäpfel fast genau am Zelt. Ich tüte sie ein und nehme sie mit. Es riecht beinahe genauso, wie der Misthaufen auf Gut Regenbogen. Aber noch ein anderer Geruch ist dabei. Ich habe eine sehr ‚anrüchige‘ Aufgabe vor mir. Die anderen Forscher sehen mich mitleidig an. Sie suchen jeden Tag in der Pflanzenwelt, was die Einhörner fressen könnten. Vorsichtig nehme ich den Pferdedung auseinander, auch hier sind unverdaute Kerne dabei. Ich lege sie beiseite, mikroskopiere, untersuche, katalogisiere. Es riecht nicht angenehm. Vom Meer kommt wieder eine kühle Brise. Obwohl wir am Äquator sind, machen sich die kalten Meeresströmungen bemerkbar. Es ist zum Aushalten und der ‚Pferdeapfelgeruch‘ wird auch weggeblasen. Es dauert, bis ich fertig bin, und ich kann noch immer nicht alles zuordnen. Es wird aber alles untersucht und eingetütet. Ein paar von den nicht gebrauchten Pferdeäpfeln und die untersuchten Reste werfe ich wieder unter einen Baum in der Nähe meines Zeltes. Jeden Abend gibt es ein gemeinsames Abendessen samt Brainstorming. Erfahrungsaustausch. Noch bin ich nicht bereit, meine Ideen mit den anderen Forschern zu teilen oder zu besprechen. Schließlich bin ich das erste Mal dabei, andere forschen schon jahrelang. Ich bin kein Forscher, kein Professor, sondern nur eine kleine Hexe mit einem Studium in Medizin. Human-Medizin. Aber ansonsten werde ich hier nur als die Kleine von nebenan angesehen. Bei diesen gemeinsamen Abendessen mit den Forschern, Angelica, oh, natürlich nur Lica, meine Tante und Freundin ist da auch dabei, lerne ich immer unheimlich viel. Lica ist gelangweilt, aber sie bleibt in meiner Nähe. Meine Doktormutter wird stolz auf mich sein, ich bringe mich mit vielen Fragen und Ideen ein. Es ist schön, soviel lernen zu dürfen, meine Neugierde ist aber immer noch unstillbar. Jeder um uns herum hat andere Wissensgebiete. So gibt es Biologen, Geologen, Gärtner, Pflanzenforscher, alle sind Hexen und Hexer. Das Neueste, was ich lernen durfte, ist, dass manche Kakteensäfte natürlicher Sonnenschutz sind. Nicht nur Sonnenbrandpflege, sondern schon der Schutz davor. So muss ich nicht mehr jeden Tag mit langen Hosen und Ärmeln herumlaufen. Dieser Sonnenschutz hält den ganzen Tag an und nicht nur ein paar Stunden. Und die Insekten mögen den Geruch auch nicht. Herrlich, so kann ich mit Shirts und Shorts durch die Hitze gehen. Die anderen sind in Khaki-Grün und Camouflage gekleidet, um die Einhörner nicht zu erschrecken. Ich habe nur bunte Shirts dabei, das mit der Tarnkleidung hatte mir natürlich keiner vorher gesagt. Natürlich lachen sie mich aus ‚Papagei‘ nennen sie mich, weil ich so bunt bin, auch schleiche ich nicht mit Tropenhelm herum. Nur die festen Schuhe sind mir immer eine Pflicht, ich muss meine Füße schützen, wenn ich den ganzen Tag draußen bin. Im Unterholz Diesen Morgen bin ich wieder im Urwald unterwegs. Ich habe ja keine Verpflichtungen, wie die anderen. Ich dachte, ich hätte schon wieder ein paar Hufe klappern gehört. Natürlich gehe ich diesem Geräusch nach. Sehr laut sind meine Schritte hier im Unterholz. Nach einiger Zeit lehne ich mich an einen Baum. Es ist anstrengend, so auf die Füße zu achten. Immer wieder stolpere ich über Ranken und Äste. Jetzt brauche ich einen Moment, um mich auszuruhen. Ich setze mich auf eine moosbewachsene Wurzel und schließe kurz die Augen. Es raschelt über meinem Sitzplatz, ich öffne die Augen und sehe eine dicke Schlange, die sich vom Baum auf mich herunter lässt. Im gleichen Moment bekomme ich von hinten einen Stoß, so dass ich von der Wurzel falle und die Schlange nicht auf mich, sondern auf die Stelle, auf der ich gerade noch gesessen bin. Ein dunkler Huf tritt auf den Schlangenschwanz, und dieses große gefährliche Tier macht sich zischend davon. Ich bin total verblüfft und sehe neben dem Baum ein Einhorn stehen. Es ist wie verschmolzen mit dem Hintergrund. Ein mattgoldenes Horn, das auch das Licht irgendwie einsaugt, absorbiert und nicht reflektiert, befindet sich am Kopf. Dahinter schöne Ohren, die sich schnell vor und zurückdrehen, sich dann aber in meine Richtung wenden und so bleiben. Dunkle Augen, sogar feine Wimpern erkenne ich, so nah steht es bei mir. Diese Augen sehen mich sehr neugierig an. Was mache ich jetzt? Das Einhorn scheint nicht bösartig zu sein. Es wirkt gütig, naja meiner Meinung nach. Ich strecke die Hand aus und zucke sofort wieder zurück. Darf man ein Einhorn überhaupt streicheln? Was, wenn es beißt oder mir das Horn in den Bauch schiebt? Oder gar mit den Hufen nach mir tritt? Aber ich habe keine Angst, nochmal strecke ich vorsichtig die Hand aus und warte. Das schwarzblaue Einhorn kommt mit seinen Nüstern ganz nah. Ich fühle seinen Atem und berühre vorsichtig den Nasenrücken. Was für ein magischer Moment. Tonlos und atemlos sage ich zu ihm: »Du bist aber schön.« Unsere Augen halten einander fest. Dann hebt das Einhorn den Kopf, und auf einmal sehe ich vier oder fünf Einhörner, die um uns herumstehen. Alle sehen mich an, drehen sich dann um und gehen langsam in den Dschungel zurück. Ein paar Schritte lang sehe ich sie noch, aber dann sind alle im Dickicht verschwunden. Ich blicke verwundert hinterher. Alles ist still, kein Zweig bewegt sich, ich kann nichts mehr sehen oder hören. Einer meiner Forscherkollegen kommt angelaufen »Ich sah dich stürzen, ist alles in Ordnung?« Ich sehe ihn an, hat er die Einhörner wirklich nicht gesehen? Dann erzähle ich ihm von der Schlange, die sich auf mich hat fallen lassen. Und dass ich geistesgegenwärtig ausgewichen bin. Das mit den Einhörnern behalte ich für mich, warum auch immer. Er geht wieder, nachdem ich mich für seine Aufmerksamkeit bedankt habe. Ich schaue erst nochmal den Platz an, an dem ich gesessen war und dann meine Hand. Diese hat das Einhorn an den Nüstern, an dem Nasenrücken gestreichelt. Die Hand sieht wie immer aus. Sie glänzt nicht, ist nicht größer geworden und hat keine andere Farbe. Etwas benommen bin ich dann doch. Eine Schlange würde ich nicht berühren wollen, aber die ist ja weg. Mein Herz pocht immer noch sehr stark. Tja, schade dass ich nur so kurz auf Gut Regenbogen gewesen war. Jetzt tut es mir leid, dass ich nicht schon mehr über Einhörner gelernt habe und auch, dass mich Einhörner und Pferde bisher nie sonderlich interessiert haben. Ich habe mich ja auch nicht um diesen Praxisplatz gerissen, meine Doktormutter hat mir diesen Weg geebnet. Schon als Kind waren mir Huftiere nicht ganz geheuer. Sie sind Fluchttiere, wie ich auch. Wenn ich mich nicht wohlfühle, ziehe ich mich auch zurück. Meistens körperlich, manchmal aber auch einfach nur in meine eigene...