E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Lippke / Smidt Verbunden statt einsam
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7495-0555-5
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wege zu mehr Resonanz mit sich und anderen
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0555-5
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Christiane Smidt ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Master Business Coach (DVNLP), Mediatorin und Dozentin in der Erwachsenenbildung. Sie arbeitet in eigener Praxis in Bremen.
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Einleitung
Verbundenheit und Resonanz mit anderen sind seit Menschengedanken existenzielle Grundbedürfnisse. Werden sie nicht erfüllt, fühlen wir uns unwohl, isoliert und allein. Alleinsein ist nicht in jedem Fall eine Belastung: Eine gewisse Zeit allein zu Hause, in einer abgelegenen Berghütte oder an einem schönen See zu verbringen, kann zur Erholung beitragen, seelische Entlastung und mehr Resonanz mit uns selbst ermöglichen. Dies sind wichtige Voraussetzungen dafür, sich auch mit anderen verbunden zu fühlen. Doch wann erwächst aus dem Alleinsein Einsamkeit – und damit das Gegenteil von Verbundenheit?
Einsamkeit ist ein Zustand, der im Widerspruch zu unseren eigenen Bedürfnissen und Wünschen steht. Er wird als Mangel empfunden. Einsamkeit und das Gefühl von Mangel, ein Verlust oder der Wunsch nach Änderung kann jeden und jede von uns (be-)treffen. Mit diesem Buch richten wir uns insbesondere an die Menschen, die unter Einsamkeit leiden und Ansätze zur Selbsthilfe suchen. Wir wollen aber auch diejenigen ansprechen, die von Menschen in ihrer Umgebung wissen, die unter Einsamkeit leiden, und die ein Gespür für die möglichen Gründe bekommen und die Betroffenen unterstützen möchten. Denn: Einsamkeit ist keine Krankheit, aber sie kann einschränken oder sogar krank machen. Es gibt kein Medikament, das direkt gegen Einsamkeit wirkt.
Erinnern Sie sich an die extremen Einschränkungen während der Coronapandemie? Durch die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, die primär aus Kontaktbeschränkungen und freiwilliger Isolation bestanden, erfuhr ein Großteil der Menschheit, was es heißt, nicht nur allein, sondern auch einsam zu sein. Denn das Gefühl, mit anderen Menschen gut verbunden zu sein, wurde empfindlich getroffen. Nachdem die Impfkampagnen langsam Fahrt aufgenommen hatten und wir uns unter Auflagen wieder begegnen konnten, war es wie ein kollektives Aufatmen. Die meisten Menschen hatten ein verändertes Bewusstsein für den Wert ihrer sozialen Kontakte. Familie, Freunde, Gemeinschaft – vieles wurde intensiver wahrgenommen. Für viele Menschen war es wie die Wahrnehmung der Natur nach einem reinigenden Regen. Alles war auf einmal klarer und schärfer, und bisher Selbstverständliches wurde wie eine neue Errungenschaft gefeiert.
Diese Dimension der Einsamkeit unter Pandemiebedingungen war neu. Lockdown und Co. haben das Phänomen Einsamkeit für viele Menschen „fühlbarer“ gemacht. Als leidvolles Symptom kursierte es bereits lange vor Corona in unserer Gesellschaft. Die paradox anmutende Tatsache lautet nämlich: Wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, zu diesem Buch gegriffen haben, weil Einsamkeit in Ihrem Leben eine Rolle spielt, dann sind Sie damit nicht allein.
Gemäß bevölkerungsrepräsentativen Umfragen in Deutschland gaben im Jahr 2019 ungefähr 18 Prozent der Befragten und im Jahr 2020 ca. 39 Prozent an, an einem oder mehr Tagen pro Woche einsam zu sein.1 Im Jahr 2024 fühlten sich laut einer Umfrage ca. ein Drittel der befragten Erwachsenen in Deutschland mehrfach pro Woche oder täglich einsam (vgl. auch Abb. 1.1).2
Dabei darf Einsamkeit nicht mit selbst gewähltem Alleinsein oder sozialer Isolation verwechselt werden. Unter „den Einsamen“ finden sich neben Menschen, die sich (nach einer persönlichen Krise oder einer längeren Krankheit) ausgeschlossen fühlen, auch Personen, die sozial gut eingebunden sind, aber dennoch darunter leiden, sich mit niemandem wirklich in Resonanz zu fühlen. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein und mithilfe dieses Buchs werden sie sichtbarer und damit bearbeitbar.
Mit diesem Ratgeber haben wir Ihnen eine „Schatzkiste“ aus Informationen und Informationsquellen, Anleitungen, Tipps und Empfehlungen zum Thema Einsamkeit und Resonanz zusammengestellt. Wir bieten Ihnen Antworten auf eine Vielzahl von Fragen, die sich einsame Menschen unserer Erfahrung nach oft stellen. Unsere Ausführungen können Sie bei der Bewältigung von Problemen und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Einsamkeit unterstützen. Auch wollen wir Ihnen helfen, Ihre persönlichen Ziele zu erreichen und das Erreichte langfristig aufrechtzuerhalten.
Ein Ratgeber verfolgt klassischerweise das Ziel, praktische Informationen und Handlungsoptionen bereitzustellen, um die Lesenden zu befähigen, ihre individuellen Herausforderungen zu bewältigen. Zudem wollen wir dazu beitragen, Ihr Wissen und Ihr Verständnis zu dem Themenkomplex Einsamkeit zu erweitern. Wir freuen uns, wenn Sie verstehen, warum und wieso bestimmte Tipps gegeben werden und welche Ermutigungen hilfreich sein können bzw. wieso bestimmte Ratschläge, die andernorts erteilt werden, evtl. nicht zum Erfolg führen. All das erfolgt aufbauend auf Erkenntnissen aus der Beratungspraxis und der wissenschaftlichen Forschung.
Unser Ziel ist es, dass Sie nach der Lektüre dieses Ratgebers und der Umsetzung der für Sie passenden Handlungsimpulse zufriedener sind, weil Sie folgendes für sich erreicht haben:
- Sie haben für sich wertvolle soziale Kontakte und Beziehungen gefunden, sodass Sie sich nicht einsam fühlen. Einsamkeit wird hier als emotionaler (= gefühlter) Zustand verstanden, der entstehen kann, wenn Sie das Gefühl haben, mit anderen nicht (ausreichend) in Verbindung zu stehen oder von anderen nicht (so, wie Sie es sich wünschen) verstanden zu werden.
- Sie können besser einschätzen, ob Ihre Wünsche bzgl. Kontakten und Beziehungen wirklich „Ihre eigenen“ sind oder durch ein vermeintliches Ideal – suggeriert beispielsweise in den Medien oder durch soziale und kulturelle Normen – geformt wurden und damit gar nicht zu Ihnen passen.
- Sie sind in der Lage, zu differenzieren, ob Sie wirklich neue Kontakte knüpfen und mehr Beziehungen aufbauen sollten, oder ob die Beziehungsqualität mit einigen Mitmenschen vielleicht auch durch die Reflexion Ihrer eigenen Verhaltensweisen verbessert werden kann.
- Sie fühlen sich als Teil einer Gruppe und dieses Wirgefühl haben Sie fest verinnerlicht. Das Gefühl dieser sog. sozialen Identität ist größer als das Gefühl für sich selbst und dafür, wie wir uns selbst als „ich“ wahrnehmen. Entstehen kann die soziale Identität aufgrund von Gemeinsamkeiten wie Sport, kulturellen Aktivitäten, Religion oder anderen gemeinsamen Merkmalen.
- Sie kennen mindestens eine Person, von der Sie Unterstützung, Hilfe und Verständnis bekommen und der Sie ebenfalls gerne zur Seite stehen. Diese soziale Unterstützung ist gegeben, wenn Sie wissen, auf wen Sie sich verlassen können, wenn es Ihnen mal schlecht geht oder Sie Hilfe brauchen, und wem Sie diese Unterstützung auch zurückgeben mögen.
- Sie haben ein soziales Netzwerk bzw. sind in eines eingebunden. Ein soziales Netzwerk umfasst die Gesamtheit der Beziehungen und Verknüpfungen, die Sie zu anderen Menschen haben. Dies können Freunde und Freundinnen, Familie, Kollegen und Kolleginnen sowie andere Kontakte umfassen, die Einfluss auf Ihr Leben haben oder mit Ihnen bestimmte Eigenschaften teilen.
- Sie gehen in Resonanz mit anderen Menschen. Der Begriff „Resonanz“ leitet sich ab vom lateinischen resonare und bedeutet „widerhallen“. In der Psychologie meint Resonanz das Mitansprechen von Gefühlen und den „Widerhall, den Gefühle oder Gedanken in einem anderen Menschen finden“3. Das bedeutet, dass wir mit anderen in Interaktion treten und mit ihnen „erfüllend“ kommunizieren. Wir hören zu und sind „da“, d. h., wir sind nicht abgelenkt durch andere Einflüsse. Wenn wir anderen Menschen zuhören, diese beobachten und wahrnehmen, dann ist dies auch immer ein Streben nach einem Verstehen von uns selbst. Resonanz ist ein dynamischer Prozess mit anderen Menschen – aber es geht auch um das subjektive Erleben von uns selbst mit anderen, um in Verbindung zu treten und gut verbunden zu bleiben.
Nun aber zurück zu ganz grundlegenden Fragen: Was ist überhaupt Einsamkeit? Wie und warum entsteht sie? Warum bzw. wann ist Einsamkeit unangenehm? Was ist der Nutzen von Einsamkeit und was sind die negativen Seiten, die die Einsamkeit mit sich bringen kann? Wie kann (mehr) gute Verbundenheit entstehen und gepflegt werden? Um diese Fragen wird es im Folgenden gehen und sie sollen auf Basis der aktuellen Evidenz (Wissen aus wissenschaftlichen Studien) und bewährten Erfahrungen aus der Praxis bestmöglich beantwortet werden. Die Perspektive der angewandten Forschung und des Wissenschaftstransfers (d. h. Menschen in der Praxis motivieren und befähigen, wissenschaftlich fundiert zu agieren) wird zusammengebracht mit der aus der Praxis des Coachings, der Betriebsführung und der Persönlichkeitsentwicklung. Angereichert durch persönliche Erkenntnisse zeigen wir Ihnen damit nicht nur die Problemfelder auf, sondern bieten auch verschiedene Lösungswege an – Wege, Ansätze und Hilfen für Betroffene und die ihnen nahestehenden Menschen. Diese Unterstützung können und müssen individuell ausgewählt und angepasst werden, denn es gibt keine Patentlösung.
Eine Welt, die von existenziell bedrohlichen Krisen gebeutelt wird (Fehl- und Desinformation, gesellschaftliche Spaltung, Cyberunsicherheit, bewaffnete Konflikte und Kriege, extreme Wetterereignisse und Umweltverschmutzung, demografischer Wandel, soziale Unsicherheit), verstärkt auch das Gefühl von persönlichen Krisen und damit bei einigen Menschen die Einsamkeit. In der psychotherapeutischen und Coaching-Praxis erleben wir Menschen, die das Weltgeschehen als bedrohlich empfinden und aus der Überforderung heraus in den ungewollten...