Buch, Deutsch, 299 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 141 mm x 216 mm, Gewicht: 402 g
Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter
Buch, Deutsch, 299 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 141 mm x 216 mm, Gewicht: 402 g
ISBN: 978-3-593-39296-7
Verlag: Campus Verlag GmbH
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Ideologien Konservativismus
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Politische Soziologie
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Ideologien Faschismus, Rechtsextremismus
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Kultur Politische Soziologie und Psychologie
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
Weitere Infos & Material
InhaltDaniel Schmidt/Michael Sturm"Wir sind die, vor denen Euch die Linken immer schon gewarnt haben": Eine Einleitung7Nicolai Hannig/Massimiliano LiviNach der Revolte: 1968 als Ausgangspunkt eines bewegten Jahrzehnts in Italien und Deutschland31Linde ApelDie Opposition der Opposition: Politische Mobilisierung an Oberschulen jenseits der Protestgeneration57Anna von der GoltzEine Gegen-Generation von 1968? Politische Polarisierung und konservative Mobilisierung an westdeutschen Universitäten73Nikolai WehrsProtest der Professoren: Der Bund Freiheit der Wissenschaft und die Tendenzwende der 1970er Jahre91Thomas KleinknechtDemokratisierung als Staats- oder als Lebensform: Konservative Einreden in den Cappenberger Gesprächen der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft in den 1970er Jahren113Bernhard SchmidZwischen Metapolitik und Marsch durch die Institutionen: Die Nouvelle Droite in Frankreich131Bernhard Weidinger1968 und die Reaktion(en): Neuer akademischer Kulturkampf und rechter Richtungsstreit an österreichischen Universitäten um 1970147Paola BernasconiZwischen Aktivismus und Gewalt: Die Wurzeln des italienischen Neofaschismus171Loredana Guerrieri"Faschisten der Gegenwart": Rechte Jugend und die 1968erProtestbewegung in Italien191Giancarlo FalcioniVor der Diaspora: Mobilisierung und Systemopposition im italienischen Neofaschismus der 1970er Jahre209Fabian VirchowFaschistische Tatgemeinschaft oder weltanschauliche Kaderschmiede? Systemoppositionelle Strategien der bundesdeutschen Rechten nach 1969229Christoph KopkeDie Aktion Widerstand 1970/71: Die "nationale Opposition"zwischen Sammlung und Zersplitterung249Literatur263Autorinnen und Autoren287Dank293Personen- und Ortsregister295
Wir sind die, vor denen Euch die Linken immer schon gewarnt haben:Eine EinleitungDaniel Schmidt/Michael SturmJunge Menschen in Abendgarderobe stehen vor der barocken Kulisse eines Schlosses, in ihrer Mitte ein schnittig-mondäner Sportwagen. Lächelnd prosten sie mit ihren Sektgläsern in die Kamera. "Wir sind die, vor denen Euch die Linken immer schon gewarnt haben", ist darüber zu lesen, darunter befindet sich das Logo des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Mit diesem Wahlplakat warb der RCDS an der Wende zu den 1980er Jahren um Wählerstimmen - mit selbstironischen Hinweisen auf das "entzückende kleine Lustschlößchen", das als Zweiggeschäftsstelle diene, sowie auf das "schnuckelige Zweitauto" sollten die Vorurteile der Kommilitoninnen und Kommilitonen entkräftet werden. Tatsächlich konnte der christdemokratische Studentenverband, nicht zuletzt indem er sich bestimmte politische Praktiken seiner Gegner aneignete, durchaus bemerkenswerte Erfolge vorweisen: Bei den Wahlen zu den Studentenparlamenten im Jahr 1976 errang der RCDS beispielsweise rund ein Fünftel der Stimmen. Noch weitaus erfolgreicher waren seine Mutterparteien CDU/CSU, die bei der Bundestagswahl im selben Jahr mit 48,6 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik erzielten. Nicht nur die ungeahnten Höhenflüge der Unionsparteien bei Bundes- und Landtagswahlen, auch ihre rasant steigenden Mitgliederzahlen lassen auf eine beachtliche Attraktivität schließen. Vor allem junge Menschen engagierten sich zunehmend in der Union oder ihren Vorfeldorganisationen - der Politisierungsschub der 1970er Jahre wirkte sich also in allen politischen Lagern aus.Trotz der offenkundigen Evidenz dieser Mobilisierungs- und Politisierungsprozesse im christdemokratisch-konservativen Spektrum sind die 1970er Jahre im kollektiven Gedächtnis der Deutschen als ein Jahrzehnt verankert, in dem die Linke zwischen den beiden Polen SPD und RAF die politische und kulturelle Szenerie maßgeblich prägte. Die neuen sozialen Bewegungen gelten ebenso als ein dem linken Spektrum zuzuordnendes Phänomen wie die sich neu ausformenden Jugendsubkulturen, beispielsweise der Punk. Insbesondere Gerd Koenen hat dazu beigetragen, dieses Deutungsmuster zu verfestigen, indem er die Dekade zwischen 1967 und 1977 als ein rotes Jahrzehnt interpretierte. Dabei nahm er Topoi auf, die schon die zeitgenössische Diskussion bestimmt hatten, und spitzte sie in seiner Konzentration auf die (linken) Akteure jener "kleinen deutschen Kulturrevolution" erneut zu. Tatsächlich konzentrierte sich die bundesdeutsche Gesellschaft in den 1970er Jahren in ihrer Selbstwahrnehmung auf Phänomene, die - ein breites Verständnis dieses Begriffs vorausgesetzt - als links gelten können. Dies verdeutlichen beispielsweise die Ausdrücke, die von der Gesellschaft für deutsche Sprache in die Liste der "Wörter des Jahres" aufgenommen wurden. Neben dem Wortfeld Terrorismus, das vor allem in den späten 1970er Jahren mit Begriffen wie "Terrorismus/Terrorist", "Sympathisant" (1977), "konspirative Wohnung" (1978) oder "Rasterfahndung" (1980) dominierend war, finden wir vor allem auch Wörter, die die wachsende Bedeutung der neuen sozialen Bewegungen bzw. des linksalternativen Milieus im öffentlichen Bewusstsein unterstreichen, so unter anderem "Umweltschutz", "Umweltverschmutzung" (1971), "Szene" (1977), "Die Grünen" (1978), "alternativ" (1979) oder "Instandbesetzer" (1980).Der erste zeithistorische Zugriff auf die 1970er Jahre wurde durch diese zeitgenössischen Wahrnehmungen und Deutungen geprägt. Ausgangspunkt einer Sichtweise, die sich vor allem auf die roten Elemente der 1970er Jahre konzentriert, sind die Protestereignisse, die zwischen 1967 und 1969 Westdeutschland und die Welt bewegten und die in der Chiffre "1968" verdichtet wurden. Die Interpretationen dieses Wunderjahrs divergieren; bereits Zeitgenossen, die keineswegs ausschließlich oder überwiegend konservativ oder gar reaktionär waren, artikuli