Lohmer / Möller / Benecke | Psychoanalyse in Organisationen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 254 Seiten

Lohmer / Möller / Benecke Psychoanalyse in Organisationen

Einführung in die psychodynamische Organisationsberatung

E-Book, Deutsch, 254 Seiten

ISBN: 978-3-17-036541-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Freud' s work on cultural theory and 'mass psychology' and his insights into group behaviour and the unconscious relationship between leaders and followers paved the way for fruitful involvement of psychoanalysis in the dynamics and counselling of individuals, groups, and organizations. This introductory textbook shows the ways in which coaching, supervision and organizational counselling, as forms of psychodynamic counselling, can contribute to greater understanding and room for manoeuvre within organizations. The authors vividly illustrate the way in which psychoanalytically oriented consultants and managers can use the basic elements of psychoanalytic working methods in their approach to their work: transference and countertransference, abstinence and containment. This edition also discusses phenomena such as 'new work', agility, life balance, the 'war for talents' and mentalization in counselling.
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Vorwort zur ersten Auflage
      Wir, die Autoren des Bandes »Psychoanalyse in Organisationen. Einführung in die psychodynamische Organisationsberatung«, Mathias Lohmer und Heidi Möller, sind Psychoanalytiker1. Seit mehr als 20 Jahren beraten wir Organisationen aus dem Profitbereich, Verwaltungssysteme, Einrichtungen des Gesundheitswesens, Schulen, Universitäten und psychosoziale Dienstleister. Dies tun wir vor dem Hintergrund unserer psychoanalytischen Grundhaltung und Identität. Um der Komplexität organisationalen Handelns gerecht zu werden, bedarf es jedoch mehr als den rein psychoanalytischen Wissensbeständen. Wir nutzen soziologische Rollenkonzepte, Mikro- und Makrosoziologie, arbeits- und organisationspsychologisches Wissen, Erkenntnisse aus der Klinischen Psychologie, der Sozialpsychologie, der Allgemeinen Psychologie, die pädagogische Psychologie des Lernens, Organisations- und Managementtheorien aus der Betriebswirtschaftslehre u. v. m. Dennoch gehen wir davon aus, dass die psychodynamische Organisationsberatung ihre ganz eigene Handschrift trägt. Dieser Band versucht die USP (unique selling proposition), also das Alleinstellungsmerkmal Psychodynamischer Beratung von komplexen Systemen herauszuarbeiten. Was unterscheidet uns von den anderen zahlreichen Beratungsangeboten der nahezu unüberschaubar gewordenen Beratungslandschaft? 1              Die systematische Nutzung von Übertragungs- Gegenübertragungsphänomenen als Diagnostikum in der Beratung
Die subjektive Verfasstheit der Berater gilt als Königsweg der Erkenntnis in der psychodynamischen Organisationsberatung. Unsere Befindlichkeit in der Kontaktaufnahme zu einem zu beratenden System und die spezielle Art der Beziehungsgestaltung werden von uns aufmerksam verfolgt und sind für uns wesentliche Anhaltspunkte zur Klärung der Frage: »Was ist los in dieser Organisation?« Wir gehen davon aus, dass gerade zu Beginn eines Beratungsprozesses vieles, was in der Organisation geschieht, noch nicht versprachlicht werden kann, sich sehr wohl aber in der Beziehungsgestaltung zwischen Beraterin und Klientin vorbewusst artikuliert. Wir nutzen uns selbst als Resonanzkörper für unbewusste Organisationsdynamiken. Das setzt voraus, das wir über eine hohe Sinnerfassungskapazität verfügen. In der psychoanalytischen Theorie unterscheiden wir die konkordante und die komplementäre Gegenübertragung (Racker, 2002). Im konkordanten Gegenübertragungsmodus identifiziert sich der Coach mit der Coachee. Im komplementären Gegenübertragungsmodus hingegen identifiziert er sich mit den signifikanten Interaktionspartnern in Biographie und aktueller Lebenswelt. Psychodynamische Organisationsberater achten höchst sensibel auf ihre emotionale und leibliche Befindlichkeit. Sie nehmen Phantasien und Assoziationen ernst, die sie im Laufe der Beratungsprozesse entwickeln. Damit wird der Person der Beraterin sicher ein höherer Stellenwert beigemessen, als dies in verschiedenen anderen Beratungszugängen der Fall ist ( Kap. 2). Fallbeispiel
In zahlreichen Coachings mit Führungskräften aus einer großen Behörde gerate ich jeweils in einen immensen Druck, in der Beratung schnell zu sein und ganz viele Themen erfolgreich zu behandeln. Häufiges Thema in den Beratungen ist eine nicht gelungene Work-Life-Balance, und die Coachees wollen an ihrem Zeitmanagement arbeiten. In konkordanter Gegenübertragung nehme ich das Tempo der Klienten auf, mir gelingt eine Einfühlung in deren Arbeitsalltag und ich kann mich – nach dem Verstehen dieser Befindlichkeit als Gegenübertragungsphänomen – aus dieser affektiven und leiblichen Befindlichkeit befreien. In der Konsequenz auf der Interventionsebene heißt dies, mich dem Wunsch nach Zeitoptimierung der Klienten zu entziehen. Auf diese Weise kann es gelingen, an die Allmachtsphantasien zu gelangen. Die Illusion, der die Klienten folgen ist die, dass sie alles nur richtig machen müssen und sich mehr noch anstrengen, um all den Anforderungen nach Übersollerfüllung nachzukommen. Üblich in dieser Behörde ist nämlich nicht eine Zufriedenheit mit einer 100 %-Zielerreichung, sondern unter 130 %-Sollwert sind sie allesamt unglücklich. Keinem der Klienten gelang bisher die Hinterfragung dieser Orientierungsgröße. Sicher räumen die Kunden ein, an einem zu hohen Maß an Perfektionismus zu leiden, da sind sie selbstkritisch. Ohne jedoch an der inneren Überzeugung zu arbeiten, dass es ihnen potenziell gelingen könnte, alles perfekt und über Soll zu erledigen, würde jede Maßnahme eines optimierten Zeitmanagements scheitern. Die Allmachtsphantasie, über keinerlei Grenzen im Leistungsbereich zu verfügen, muss im Coaching angegangen werden, sonst schlagen die Interventionen fehl. Nur in der Anerkennung von eigenen Grenzen kann die Abgrenzung von überhöhten Ansprüchen erfolgen. Hintergrund dieser Dynamik auf der organisationalen Ebene ist die Geschichte der Institution. Lange in der Öffentlichkeit gescholten und in Frage gestellt, nahm sie sich Steuerungsstrategien aus dem Business zum Vorbild, ohne auf die Sinnhaftigkeit dieser Analogiebildung zu achten. Im Modus des »Höher-Schneller-Weiter«, mit Hilfe maximaler Adaption von Managementprinzipien aus bestimmten Wirtschaftssparten, sollte der organisationale Selbstwert korrigiert werden. Diese narzisstische Problematik spiegelte sich in den Seelen der Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Gegenübertragungsanalyse ist zunächst einmal ein diagnostischer Zugang. Das szenische Verstehen (Lorenzer, 2006) hilft uns in der Erkenntnisgewinnung. Szenisches Verstehen bedeutet das Verstehen von Interaktionsprozessen, es soll entschlüsselt werden, wie die Coachee die Beraterin in ihre täglichen Szenen in der Arbeitswelt einbindet. Die Coach steht dabei also nicht in Distanz zu der Szene, sondern muss sich auf das Spiel der Kunden einlassen. Die Kundin bringt in die Szene abgewehrte Erlebnisse ein. Sie agiert durch einen Wiederholungszwang ständig mit dem gleichen Muster. Aufgabe der Coach ist es nun, die ursprüngliche Szene bewusst zu machen und zu rekonstruieren. Lorenzer formuliert es für den Therapieprozess folgendermaßen: »Der Analytiker steht nicht in beschaulicher Distanz zum Patienten, um sich – wie aus einer Theaterloge – dessen Drama anzusehen. Er muss sich aufs Spiel mit dem Patienten einlassen, und das heißt, er muss selbst die Bühne betreten. Er nimmt real am Spiel teil« (1974, S. 138). Die technische Frage des Umgangs mit diesen Phänomenen, die Frage ob wir unsere Wahrnehmungen veröffentlichen und dem zu beratenden System zur Verfügung stellen, und vor allem wann wir dies tun, – die berühmte Frage des Kairos also – ist abhängig von den jeweiligen Beratungskontrakten und den Zielen, die die jeweilige Beratung verfolgt. Bei der Frage, in welcher Form wir dies tun, ist sicherlich Taktgefühl gefragt (Buchholz, 2012). Die beraterische Prämisse ist es, die Gegenübertragungsphänomene in nicht kränkender, offener Form, die zum Weiterdenken einlädt, zur Verfügung zu stellen. Gegenübertragungsphänomene sind keine Wahrheiten. Erst wenn die Klienten diese ratifizieren, ihnen das Verständnis der Phänomene für ihre Arbeit weiterhilft und sie mit ihnen ins konstruktive Problemlösen gelangen, haben sie ihre Funktion der Nützlichkeit für den hermeneutischen Prozess erfüllt. 2              Die Analyse kollektiver Abwehrmechanismen
Kollektive (oder psychosoziale) Abwehrmechanismen in Organisationen wie die der Bagatellisierung, der Dramatisierung, der Verleugnung, der Idealisierung und Entwertung, der Affektisolierung, der Emotionalisierung oder Rationalisierung, wie sie sich uns in der jeweiligen Organisation darstellen, müssen wir zunächst gewahr werden. Neben der Wahrnehmung der spezifischen Abwehrkonstellation gilt es sie zusammen mit dem zu beratenden System auf ihre Funktionalität hin zu überprüfen. So ist die Affektisolierung einer Chirurgin bei der Operation einer Patientin sicher sinnvoll, bei der Überbringung einer todbringenden Diagnose ist sie es nicht. Die Beratung hat zum Ziel, Abwehrmechanismen abzumildern und rigide Formen aufzuweichen, um den Organisationsmitgliedern situativ angemessenes Verhalten zu ermöglichen. Die wiederum technische Frage der Thematisierung organisationaler Abwehrprozesse ist eine beraterische Entscheidung über die situative Angemessenheit. So kann es in Krisensituationen sinnvoll sein, die Abwehr zu stabilisieren, in anderen Fällen nützlich sein, die Abwehr zu senken, um der Organisation eine Weitung ihrer Deutungs- und Handlungsmuster zu ermöglichen ( Kap....


Dr. Mathias Lohmer, Institute of Psychodynamic Organizational Consulting Munich (IPOM), M19 Manufaktur für Organisationsberatung. Dr. Heidi Möller, Professor of Theory and Methodology of Consulting, University of Kassel.


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