Loinig / Zehetmayer | Aufhebenswert | Buch | 978-3-901635-64-9 | sack.de

Buch, Deutsch, 313 Seiten

Loinig / Zehetmayer

Aufhebenswert

150 Jahre NÖ Landesarchiv. 200 Jahre NÖ Landesbibliothek. Katalog zur Ausstellung des Niederösterreichischen Landesarchivs und der Niederösterreichischen Landesbibliothek, 13. Juni bis 12. November 2013 in der NÖ Landesbibliothek
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-901635-64-9
Verlag: Niederösterreichisches Institut für Landeskunde

150 Jahre NÖ Landesarchiv. 200 Jahre NÖ Landesbibliothek. Katalog zur Ausstellung des Niederösterreichischen Landesarchivs und der Niederösterreichischen Landesbibliothek, 13. Juni bis 12. November 2013 in der NÖ Landesbibliothek

Buch, Deutsch, 313 Seiten

ISBN: 978-3-901635-64-9
Verlag: Niederösterreichisches Institut für Landeskunde


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Erinnerung ist nach Jean Paul das einzige Paradies, aus dem der Mensch nicht vertrieben werden kann. Allerdings erinnern wir uns an manches gerne, an anderes ungern und an manches gar nicht mehr! Wir erinnern uns vornehmlich „kontrolliert“, und vor allem dort, wo Erinnerung Tradition, Identifikation, Legitimation und auch Zukunft verspricht, sei es für ein Individuum selbst, für eine Familie, eine lokale oder regionale Gemeinschaft und natürlich auch für ein Land und seine Bewohner.
Voraussetzung für „das Erinnern“ ist jedenfalls ein intaktes Gedächtnis und die Fähigkeit, die in diesem vorhandenen unterschiedlichen, oft auch widersprüchlichen Bruchstücke zu einem Bild des Vergangenen zu formen, das uns schlüssig erscheint. Dieses Gedächtnis muss jedoch funktionieren und seine Inhalte müssen auch abrufbar sein. Womit wir bei Archiven, Bibliotheken und Museen angelangt wären, jenen öffentlichen Informationsspeichern, die uns „das Erinnern“ überhaupt erst ermöglichen. Diese sind natürlich nicht frei vom Bedürfnis nach Selbstidentifikation und – notabene sie vornehmlich dem weiten Feld der Geisteswissenschaften angehören! – auch nicht frei von der Notwendigkeit, ihre Existenz zu legitimieren. Nicht zuletzt deswegen haben Jubiläen als Kristallisationspunkte der Erinnerung für sie eine nicht zu leugnende Bedeutung.
Das gilt natürlich auch für das Niederösterreichische Landesarchiv, das heuer sein 150-jähriges Jubiläum feiert, und es wäre wohl nicht „branchengerecht“, wenn dieses Datum nicht sofort „hinterfragt“ werden würde. In der Tat ist es nur eines von vielen Jubeljahren, das man feiern könnte. Ein „Briefgewölb“ ist 1513 beim Ankauf des Alten Landhauses in der Herrengasse nicht genannt, es wird aber wohl schon vorhanden gewesen sein. 1518 erfährt man jedenfalls, dass es existierte. Wäre es also legitim 2013 „500 Jahre Landesarchiv“ zu feiern? In den folgenden Jahrhunderten häufen sich die Anlässe – 1522, 1705, 1861, 1863, 1893, 1894, 1897, horribile auch 1940, 1945 –, und jeder dieser Termine wäre möglich und aufs Vortrefflichste zu begründen. Die große Schwierigkeit ist zunächst jene, dass dieses Archiv aus zwei historischen Registraturen, nämlich aus jenen der Stände und der Regierung entstanden ist, die auch noch als zwei verschiedene und vor allem getrennte Archive eingerichtet wurden. Den Zeitpunkt der tatsächlichen Vereinigung dieser beiden Archive, nämlich 1940, zu feiern, ist wohl nicht opportun. Dazu kommt, dass das Archivwesen in seiner Begrifflichkeit weitere Fallstricke bietet: Wir unterscheiden nämlich sehr genau zwischen Registratur und Archiv und erst die Transformation von ersterer in zweiteres schafft jene Institution, die wir auch als solche akzeptieren. Sowohl bei der Ständischen Registratur, aus der das „Niederösterreichische Landesarchiv“ wurde, als auch bei der Registratur der Statthalterei und ihrer Vorgänger, die das „k.k. Archiv für Niederösterreich“ hervorbrachte, sind diese „Übergänge“ allerdings keine punktuellen Prozesse, sondern es handelt sich um kürzere oder längere Entstehungsphasen. 1863 wurde die „historische“ Ständische Registratur aus der neuen Registratur der 1861 entstandenen Selbstverwaltung herausgelöst und ein Archiv-Fachdienst eingerichtet. Das „Niederösterreichische Landesarchiv“ ist, zumindest diese Tatsache ist unbestreitbar, jenes der beiden „Mutterarchive“, das 1863 als erstes errichtet, als wissenschaftliche Anstalt definiert wurde, weshalb es durchaus legitim erscheint, sich 2013 des institutionellen Beginns des Hauses als Archiv lege artis zu erinnern.

Die 2013 ebenfalls jubilierende Niederösterreichische Landesbibliothek hat es nur scheinbar leichter, ihre Ursprünge festzumachen. Zwar verwahrt das Landesarchiv den Gründungserlass von 1813, die „Ständische Büchersammlung“ blieb aber eine Art Provisorium und war Bestandteil der Registratur. 1823 erfolgte eine Erweiterung um die Bibliothek des Ritterstandes, aber erst mit der Übernahme der Leitung durch den Dichter Ignaz Franz Castelli im Jahr 1833 wurde aus der Sammlung eine Bibliothek mit einem geregelten Ankaufsprogramm, der allerdings nicht vor 1842 ein fixes Erwerbungsbudget – 100 fl. p.a. – zur Verfügung stand. 1861 erfolgt die offizielle Umbenennung in „Niederösterreichische Landesbibliothek“, 1863 die Trennung von der Registratur. Bibliothekare sind, was Daten betrifft, weniger diskussionsfreudig als Archivare. 1813 als Zeitpunkt des Beginns der Landesbibliothek war daher immer unbestritten.

2013 feiern also beide Häuser gemeinsam ihre Jubiläen. Ein Blick in die Verwaltungsgeschichte des Landes lehrt, dass dies so abwegig nicht ist. Trennung und Wiedervereinigung von Archiv und Bibliothek waren in den vergangenen 150 Jahren die Regel. Man stand fallweise unter einer gemeinsamen Leitung, war oft auch in denselben Räumlichkeiten untergebracht und teilte auch oft das gemeinsame Schicksal, von der Kulturverwaltung „geschluckt“ zu werden. 1955 wurden Landesarchiv und Landesbibliothek als gemeinsame Abteilung III/3 erstmals wieder selbständig, nur um acht Jahre später wieder unter die Kulturabteilung zu treten. 1983/84 erfolgte eine neuerliche Trennung von dieser. Es gab nun zwei eigene Abteilungen, und zwar „III/3-NÖ Landesarchiv und NÖ Institut für Landeskunde“ und „III/4-NÖ Landesbibliothek“. Die Einführung der Gruppengliederung im Amt der NÖ Landesregierung im Jahr 1996 veränderte nur die Bezeichnungen – nunmehr K2 und K3, die zur Gruppe „K-Kultur, Wissenschaft und Unterricht“ gehören. Im Mai 2011 wurden beide Institutionen nach 28 Jahren wieder zur nunmehr bestehenden Abteilung „K2-NÖ Landesarchiv und NÖ Landesbibliothek“ zusammengelegt.

Das heurige Jubiläum, und damit kann man auch wieder über Sinn und Zweck solcher Feiern trefflich disputieren, ist daher nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch einer in die Zukunft. Gemeinsamkeiten, Synergien, Bündelung der Kompetenzen sind eine Seite, der Erhalt der Eigenheiten, der Identität und der spezifischen Fähigkeiten die andere. Die Translatio der Erinnerung und des Wissens in ein Zeitalter, das zusehends instabile, flüchtige und oft nur noch materiell determinierte Bezugssysteme bietet, daher auch die Sorge um die Bewahrung der Bestände und damit um die Rechtfertigung der eigenen Tätigkeit sind jene Herausforderungen, die beide Institutionen begleiten und ihre Zukunft bestimmen werden. In diesem Sinne ist es auch legitim, diesen Weg gemeinsam zu gehen, nicht nur als Gralshüter der Vergangenheit, sondern auch als Verbündete mit historischen Wurzeln und Traditionen, aber mit einem klaren Blick in die Zukunft. Und so anachronistisch es auch klingen mag, gerade der rapide Fortschritt der elektronischen Erschließungs- und Präsentationsmöglichkeiten bietet Archiven und Bibliotheken ungleich bessere Präsenz und Wirksamkeit, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Die Zukunft wird also arbeitsreich und vielfältig, aber keineswegs aussichtslos sein.

Willibald Rosner



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