E-Book, Deutsch, 66 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm
Reihe: Polizei & Wissenschaft
Lorei Zeitschrift Polizei & Wissenschaft
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-86676-820-8
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ausgabe 3/2023
E-Book, Deutsch, 66 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 297 mm
Reihe: Polizei & Wissenschaft
ISBN: 978-3-86676-820-8
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Kompetentes Handeln basiert allgemein auf der Kombination
praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Grundlage hierfür ist die Kommunikation und Diskussion
zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Dies gilt ganz
besonders für eine moderne Polizei.
Die Zeitschrift Polizei & Wissenschaft bietet die Möglichkeit
zur wissenschaftlichen Kommunikation polizeirelevanter
Themenbereiche. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen
Wissenschaft und Polizei. Durch ihre interdisziplinäre
Ausrichtung werden unterschiedlichste wissenschaftliche
und praktische Perspektiven miteinander vernetzt. Dazu
zählen insbesondere die Bereiche Psychologie, Rechtswissenschaft,
Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin,
Arbeitswissenschaft und Sportwissenschaft. Aber natürlich
wird auch polizeirelevantes Wissen der Disziplinen genutzt,
die nicht klassisch mit dem Begriff Polizei verknüpft sind,
wie z.B. Wirtschaftswissenschaften, Sprachwissenschaften,
Informatik, Elektrotechnik und ähnliche.
Polizei & Wissenschaft regt als breit angelegtes Informationsmedium
zur Diskussion an und verknüpft Themenbereiche.
Sie erscheint vierteljährlich und geht mit ihrer interdisziplinären
Interaktivität über einen einseitigen und fachlich
eingeschränkten Informationsfluss hinaus. Dazu nutzt sie
die Möglichkeiten des Internets und fördert durch die
Organisation von Veranstaltungen auch eine direkte
Kommunikation.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Clemens Lorei, Bernd Grünbaum & Artur Gerlich
Schießen auf bewegte Ziele
Birgitta Sticher & Günter Schicht
Vernehmungsfortbildung für Fortgeschrittene
Stephanie Maier & Kerstin Dittrich-Gessnitzer
Psychische Zustände erkennen, statt Störungsbilder identifizieren
R-J. Gorzka, A-M. Steingräber, N. Brinkmann, A. Fischer, S. Migutin, S. Rahmann, B. Rusch & N. Heim
Beiträge zur Einsatzpsychologie: Selbstreflexion und Vermeidung in der Ausbildung spezialisierter und Spezialkräfte
Dominic Heinz, Georgios Terizakis & Herrmann Groß
Polizei und ihre Verflechtungen: Gordischer Knoten oder neuronales Netzwerk?
Vernehmungsfortbildung für Fortgeschrittene
Konzeption und Evaluation eines dreitägigen Seminars für erfahrene Vernehmende zum erfolgreichen Umgang mit „schwierigen Personen“ Birgitta Sticher & Günter Schicht 1. Einleitung
Vernehmungen durchzuführen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Zunächst lernen die Polizistinnen und Polizisten in der Ausbildung und im Studium die rechtlichen Grundlagen der Vernehmung, v. a. die Pflichten und Rechte von Zeugen und Beschuldigten. Dies ist der Rahmen, der ihr Handlungsfeld absteckt. Hinzu kommt die Kenntnis von polizeilichen Dienstvorschriften und Geschäftsanweisungen sowie von Formularen. All dies ist notwendig, um zunächst gewisse Durchführungsroutinen zu gewinnen. Schnell wird deutlich, dass dadurch noch keineswegs garantiert ist, dass die Vernehmung „erfolgreich“ ist. Zusammenfassung Im Beitrag wird die Gestaltung eines dreitägigen Seminars mit Polizistinnen und Polizisten beschrieben, für die Vernehmungen den Schwerpunkt ihrer Arbeit bilden. Es werden ausgehend von den Erfahrungen der Teilnehmenden mit als ‚schwierig‘ erlebten Zeugen und Beschuldigten hilfreiche Zugänge zu diesen erarbeitet und in Rollenübungen erprobt. Im Zentrum steht die bewusste Gestaltung des Beziehungsaufbaus, um die Vernehmung erfolgreich durchzuführen. Damit dies gelingt, sind die Reflexion über die eigenen Einstellungen zum Erfolg in Vernehmungen, Feedback in der Gruppe sowie psychologisches Wissen über Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen wichtige Bausteine des Seminars. Lernen von Erwachsenen, Einstellungen zum Vernehmungserfolg, Beziehungsaufbau, Persönlichkeit, Persönlichkeitsstörung. Abstract The article describes the organization of a three-day seminar with policemen and policewomen, for whom interrogation/investigative interviewing is the main focus of their work. Based on the experiences of the participants with witnesses and defendants who are experienced as ‘difficult’, helpful approaches to them are developed and tested in role-playing exercises. The focus is on consciously building up the relationship in order to successfully conduct the investigative interview. In order for this to succeed, reflection on one‘s own attitudes towards success in interrogations, feedback in the group as well as psychological knowledge about personality and personality disorders are important components of the seminar. Adult learning attitudes, towards success in interrogation (investigative interviewing), relationship building, personality, personality disorder. Was ist mit „erfolgreich“ gemeint? Die erste Antwort ist schnell gegeben, denn es geht darum, wahre Informationen zu erheben, die die Ermittlungsarbeit voranbringen. Je länger aber Vernehmungen durchgeführt werden, umso deutlicher wird, dass diese Antwort allein nicht ausreicht, um den Vernehmungsablauf und die eigene Rolle in diesem Geschehen zu verstehen und positiv zu gestalten. Diese Gedanken sollen nun im Folgenden aufgegriffen und vertieft werden. Es wird ein dreitägiges Vernehmungsseminar vorgestellt, das speziell für die Vernehmenden entwickelt worden ist, die bereits über Vernehmungsroutinen verfügen und die merken, dass sie durch die Vernehmungen in einer ganz besonderen Art und Weise herausgefordert werden, ihre Gesprächsführungskompetenz zu verbessern. Es handelt sich z. B. um Kriminalbeamtinnen oder Kriminalbeamte einer Mordkommission, die bereits fünfzehn Jahre ermittelnd tätig sind – oder um Schutzpolizistinnen und Schutzpolizisten, die auf den Abschnitten fast täglich Jugendliche vernehmen. Die Teilnehmenden verbindet, dass die Durchführung der Vernehmung für sie nicht eine polizeiliche Tätigkeit neben vielen anderen darstellt, sondern diese in ihrer Arbeit einen hohen Stellenwert einnimmt. 2. Entstehung des Seminars
Die Konzeption dieser Fortbildung basiert auf einer langen Auseinandersetzung der Autorin und des Autors mit dem Thema der Vernehmung. Günter Schicht als Diplom-Kriminalist greift auf eigene Vernehmungserfahrungen zurück, die Ausgangspunkt für eine intensive Beschäftigung mit der Thematik in Lehre und Forschung wurden. Birgitta Sticher ist als Psychologin und Psychotherapeutin in der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten in der Hochschule deutlich geworden, dass viele psychologische Inhalte hilfreich sind, um die Durchführung der Vernehmung zu verbessern. Bei dem Zusammentreffen vor ca. 17 Jahren waren sich beide einig, dass die damalige Situation der Aus- und Fortbildung zum Thema „Vernehmung“ unbefriedigend war und leider bis heute großenteils immer noch ist. Die langjährige Beschäftigung mit dieser Situation führte zu einem Entwurf einer modularen Vernehmungsaus- und -fortbildung zum berufsbegleitenden Erwerb und zur Verbesserung der Vernehmungskompetenz (s. Sticher & Schicht, 2019). Das Vernehmungsseminar für erfahrene Vernehmende ist ein Baustein in diesem Prozess. Gerade im Land Berlin war der Bedarf hierfür groß. Berlin hat zusammen mit den Polizeien der Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Sicherheitskooperation (SiKoop) gebildet und einen gemeinsamen Fortbildungskatalog zusammengestellt. Das Seminar ist zum ersten Mal 2017 durchgeführt worden und findet aktuell aufgrund der hohen Nachfrage zwei Mal jährlich mit ca. 15 bis zu 20 Personen statt. Die Erfahrungen mit den bisherigen zehn Durchgängen des Seminars an der Polizeiakademie Berlin mit Teilnehmenden aus den fünf Bundesländern hat zu Veränderungen in der Seminarkonzeption geführt. So wurde zu Beginn mit abgeschlossenen Fällen aus der polizeilichen Praxis gearbeitet. Auf einen dieser Fälle, den Fall der „Pferdewirtin“, wird zur Veranschaulichung des Vorgehens in diesem Beitrag zurückgegriffen. Das aktuelle Seminarkonzept sieht hingegen fast ausschließlich die Arbeit mit den eigenen Fällen der Seminarteilnehmenden vor. Jeweils am Ende des Seminars wurde mit den Teilnehmenden sehr detailliert ausgewertet, was für sie hilfreich und wichtig an der Seminardurchführung war. Zusätzlich füllte jede Person anonym einen Bewertungsbogen aus, der anschließend ausgewertet wurde und die Grundlage für die Überarbeitung des Konzeptes bildete. Dieser Prozess der kontinuierlichen Weiterentwicklung hat zu einem Seminarablauf geführt, der sich bewährt hat und deshalb hier – zumindest in groben Zügen - vorgestellt werden soll. Ob das Seminar allerdings wirklich dazu beiträgt, die Vernehmungspraxis der Teilnehmenden nachhaltig zu verbessern, kann damit leider nicht gesagt werden. Dies würde eine Evaluation erfordern, die die Vernehmungspraxis der Teilnehmenden vor dem Besuch des Seminars mit der Vernehmungspraxis nach dem Seminar vergleichen würde. Aus den vorliegenden Evaluierungen von Aus- und Fortbildungen von Vernehmungen (z. B. des Peace-Trainings in England, Clarke & Milne, 2001) ist bekannt, dass eben dieser Transfer von Gelerntem in die Vernehmungspraxis oft nicht hinreichend gelingt. Es ist der Autorin und dem Autor bewusst, dass für einen gelingenden Transfer z. B. eine begleitende Supervision über einen längeren Zeitraum sinnvoll wäre. Entscheidend für einen langfristigen Transfer wäre es, dass die Qualität der Vernehmungsdurchführung in der Arbeitsrealität eine hohe Bedeutung hätte, sich z. B. in der Bewertung der Vernehmenden niederschlagen würde und in das System der Personalentwicklung eingebettet wäre. Dieser wünschenswerte Zustand stellt nach hiesiger Überzeugung eine wichtige Rahmenbedingung in der Organisation Polizei für eine kontinuierliche Verbesserung der Vernehmungsrealität und damit der Bearbeitung von Strafverfahren dar. 3. Die Didaktik des Seminars: basale Grundannahmen
Neuere Auffassungen zum Lernen von Erwachsenen haben sich von der alten „Containerpädagogik“ verabschiedet: Die Vermittlung von Inhalten durch Frontalbeschallung hat nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass diese bei den Teilnehmenden „haften“ bleiben, also erfolgreich ist. Selbst wenn Wissen auf diesem Weg aufgenommen wird, ist damit noch keineswegs die Umsetzung in Handeln gegeben. Kompetentes Handeln braucht Kopf (Wissen), Herz (Wollen) und Hand (Können) – und wie bereits verdeutlicht, motivierende Rahmenbedingungen, damit das Können auch im Alltag umgesetzt wird. Lernen ist ein konstruktiver Prozess, der sich in der lernenden Person abspielt. Die Lehrenden können aber viel tun, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Aufnahmebereitschaft der Teilnehmenden erhöht wird und der Lernprozess in Gang kommt. Dies soll hier nur stichpunktartig festgehalten werden (s. Sticher, 2021): Die lernende Person stellt sich die Frage, warum es für sie wichtig sein soll, sich mit den Inhalten des Seminars zu beschäftigen. Die Seminaranbietenden müssen deshalb um die Vorkenntnisse und Erfahrungen der Lernenden wissen bzw. diese erfragen und darauf aufbauend deutlich machen, welche Relevanz...