Lorenz | Anders ist eine Variation von richtig | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 174 Seiten

Lorenz Anders ist eine Variation von richtig

PEP und Kunsttherapie bei Autismus

E-Book, Deutsch, 174 Seiten

ISBN: 978-3-8497-8250-4
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Menschen mit einer autistischen Beeinträchtigung stehen aufgrund einer anderen Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung im Hinblick auf Kommunikation und Sozialverhalten besonderen Schwierigkeiten gegenüber. In der Folge kämpfen sie nicht nur mit einem erhöhten Stresslevel, sondern leiden häufig auch unter einem geringen Selbstwertgefühl sowie an Depressionen und Ängsten.

Die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie, kurz PEP, stellt hier eine Reihe von nützlichen Techniken und Interventionsstrategien bereit. Sie helfen Betroffenen, mit heftigen Gefühlen oder belastenden Erlebnissen umzugehen und hinderliche Beziehungsmuster, Glaubenssätze und Überzeugungen zu überwinden. Die strukturierte und vorhersehbare Vorgehensweise bei PEP kommt den Bedürfnissen von Autisten und Menschen mit Asperger-Syndrom entgegen.

Kunsttherapeutische Interventionen helfen zusätzlich, die eigene Kreativität zu entdecken, Stärken und Ressourcen zu erkennen und diese wertschätzen zu lernen. Der verbreiteten Defizitorientierung im Zusammenhang mit Autismus wird eine Haltung entgegengesetzt, die diese Stärken und Fähigkeiten würdigt und unterstützt, ohne autismusspezifische Probleme zu vernachlässigen.

Anhand von zahlreichen Behandlungsbeispielen vermittelt Josephin Lorenz die notwendigen Grundlagen sowie konkrete Vorgehensweisen für unterschiedliche Therapiesituationen und -ziele.
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Zielgruppe


Kinder-und Jugendlichentherapeuten
Psychotherapeuten
Pädagogen
Betroffene


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1»Der will nur nicht!« – autismusspezifische Wahrnehmung
Wie oft habe ich diesen Satz von verzweifelten Eltern und Lehrern gehört. Ihr Sohn oder der Schüler wolle partout nicht im Stuhlkreis sitzen, störe die Klasse, werde frech und sei respektlos. Diese Kinder gelten als unerzogen und schwierig. Zuschreibungen wie »starrköpfig«, »unkooperativ« oder »ungehorsam« werden zur Beschreibung autistischer Menschen jeden Alters häufig benutzt. Ihr Verhalten entspricht nicht den gesellschaftlichen Regeln, wirkt befremdlich und löst Unsicherheit oder sogar Ängste bei den Menschen im Umfeld aus. Was dem Verhalten allerdings vorausgeht – nämlich die Schwierigkeit, mit neuen Situationen oder Reizüberflutung zurechtzukommen –, bleibt für die Umgebung unsichtbar. Oft bekommen Eltern den Rat, man müsse doch nur mal konsequent sein, dann würde dieses Verhalten schon aufhören. Leider wird das unerwünschte Verhalten jedoch durch sogenannte pädagogische Konsequenz oft noch schlimmer. Was passiert da? Warum kann sich ein autistischer Junge, ein autistisches Mädchen nicht genauso verhalten wie alle anderen auch? Um das zu verstehen, ist es wichtig, die unterschiedlichen Arbeitsweisen unseres Gehirns zu kennen. Reize aus der Umwelt, die wir mit unseren Sinnesorganen aufnehmen, werden bei autistischen Menschen auf andere Art verarbeitet als bei Menschen ohne Autismus-Diagnose – oder wie die Wissenschaftler sagen: den »neurotypischen« Menschen. Mit bildgebenden Verfahren lässt sich manches von diesen Unterschieden sichtbar machen. Betrachten neurotypische Personen Fotos von Gesichtern, sind andere Hirnareale aktiv als bei Menschen mit Autismus. Dadurch, dass die Sinnesreize im Gehirn anders verarbeitet werden, kommt es bei Letzteren oft zu unterschiedlichen Reizempfindlichkeiten, wie z. B. zu •hoher Empfindlichkeit oder Anfälligkeit für Reizüberflutung im akustischen und visuellen Bereich •Über- oder Unterempfindlichkeiten gegenüber sensorischen Reizen •Schwierigkeiten, Reize zu filtern oder zu differenzieren und/oder sensorische Informationen gleichzeitig zu verarbeiten •gesteigerter Wahrnehmung von körpereigenen Geräuschen •höherer Empfindlichkeit für leichte oder unerwartete Berührungen. Auch wenn Autisten – wie alle anderen Menschen auch – einzigartig sind, weisen sie im Allgemeinen einige autismusspezifische Eigenschaften auf wie •Besonderheiten in den verschiedenen Wahrnehmungsbereichen •unübliches Lern- und Problemlösungsverhalten •fokussiertes Denken und Spezialinteressen •atypische (manchmal repetitive) Bewegungsmuster •Bedürfnis nach Beständigkeit, Routine und Ordnung •Schwierigkeiten im Sprachverständnis und -ausdruck •Schwierigkeiten im Verständnis und Ausdruck typischer sozialer Interaktionen. Diese Eigenschaften führen jedoch auch zu besonderen Fähigkeiten, die aufgrund der autistischen Wahrnehmung in der Regel ausgeprägter sind als bei Menschen ohne Autismus, z. B.: •Gegenstände oder Situationen nicht als »Ganzes« zu erfassen, sondern in ihren Details •eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten wahrzunehmen und darauf zu fokussieren •verborgene oder hintergründige Muster oder Figuren zu erkennen •visuell-fotorealistisch, gegenständlich und assoziativ zu denken •Wörter in Bilder umzuwandeln, Bilder zu speichern und wie eine Suchmaschine abzurufen •visuell-strukturhaft, mathematisch, räumlich und assoziativ zu denken •Dinge oder Wörter in Muster zu transferieren, zu speichern und abzurufen •mit unerwarteter Kreativität zu beeindrucken •eindrucksvolle Spezialinteressen zu entwickeln und in beachtenswerte Leistungen umzusetzen •Stress oder belastende Situationen durch ein mentales oder physisches »Stimming«2 zu kompensieren bzw. zu bewältigen. Die Kommunikation mit anderen ist für viele Autisten im Alltag eine Herausforderung, da sie die nonverbalen Signale (Mimik, Gestik) oft nicht so schnell deuten oder Doppeldeutigkeiten nicht erkennen können. Von außen wirkt es so, als hätten Personen aus dem Autismus-Spektrum wenig »Empathie«. Sie können sich nicht (gut) in neurotypische Personen hineinversetzen. Allerdings ist das andersherum genauso: Für viele Menschen ohne Autismus-Diagnose ist es ebenso schwierig, die autistische Wahrnehmung nachzuempfinden. Für Nichtautisten ist es also auch eine Herausforderung, diesen Perspektivwechsel zu vollziehen. Wenn ich von der speziellen autistischen Wahrnehmung erzähle, können Zuhörer ohne Autismus es immer wieder kaum glauben, dass man die Welt auch so anders wahrnehmen kann. Würden wir in diesem Fall dann ebenso von einem »Empathiedefizit» reden? Bei allen Unterschieden zwischen Menschen mit und ohne Autismus gibt es jedoch eine Gemeinsamkeit: Autistische und nichtautistische Personen reagieren auf Stress. Allerdings geraten autistische Personen wegen ihrer Reizempfindlichkeiten schneller in Stress. So kann zum Beispiel eine einfache Stundenplanänderung im schulischen Alltag das Stresslevel eines autistischen Schülers so extrem ansteigen lassen, dass es in seinem Gehirn zu einem »Absturz« kommt. So erklärte es mir ein Therapiekind: »Wenn das passiert ist, brauche ich 10 Minuten, um meinen ›Computer‹ (damit meinte er sein Gehirn) wieder für das nun stattfindende Fach ›hochzufahren‹!« Bereits als Kinder haben Autisten wiederkehrende Schwierigkeiten, Beziehungen zu Gleichaltrigen zu knüpfen. Besonders die unausgesprochenen Regeln der menschlichen Kommunikation bereiten ihnen zahllose Schwierigkeiten. Das gesprochene Worte, die Mimik, den Tonfall oder die Körpersprache ihres Gegenübers richtig zu deuten ist eine große Herausforderung – und sie reagieren daher oft auch nicht auf solche nonverbalen Signale. Die eigenen Emotionen über Mimik, Gestik oder Stimmlage so zu transportieren, dass es für Nichtautisten leichter verständlich wäre, ist ihnen kaum möglich. Eine große Anzahl von Menschen aus dem Autismus-Spektrum können aufgrund ihrer Schwierigkeiten kein eigenständiges Leben führen und sind auf Hilfe, zum Teil auf intensive Betreuung, angewiesen. Manche lernen das Sprechen nie richtig, neigen zu selbstverletzendem Verhalten oder Wutausbrüchen. Andere leiden zusätzlich unter anhaltenden Schlafproblemen, Ess-Störungen oder Phobien. Es gibt aber auch Autisten, die die gleichen Berufe ausüben wie Nichtautisten und ohne fremde Hilfe ihren Alltag leben. Inzwischen gibt es immer mehr Jugendliche und Erwachsene, die im Internet oder in Büchern über ihr Leben mit Autismus schreiben, bloggen oder die ihre Kunst veröffentlichen. Bei ihnen wird anschaulich, dass sie durch den Begriff »Autist« auf diesen einen Aspekt reduziert werden. Eine passendere Benennung zu finden, die die positiven Seiten im Sinne von autismuskompetenten Menschen betont, wäre hier wünschenswert. Tiefgreifende Entwicklungsstörung, Wrong-planet-Syndrom oder doch eine Superkraft?
Viele dieser Erwachsenen stören sich sehr an dem Begriff »Autismus-Spektrum-Störung«. Denn für sie ist ihre Wahrnehmung keine falsche, sondern eben eine andere Art der Wahrnehmung. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg geht recht offen mit ihrem Asperger-Autismus um. »Ich habe Asperger, und das bedeutet, dass ich manchmal ein wenig anders bin als die Norm«, schrieb sie auf Facebook. »Doch unter den richtigen Umständen ist es eine Superkraft, anders zu sein.« Für die Weltgesundheitsorganisation ist es eine psychische Krankheit, die Experten sprechen von einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung des Gehirns. Es wird von einer fehlenden »theory of mind« ausgegangen – der Fähigkeit, sich in ein Gegenüber hineinzuversetzen, die autistische Klienten nicht entwickeln. All das klingt für Personen mit Autismus und ihre Eltern erschreckend, düster und abwertend. Denn tatsächlich konzentriert sich die Diagnose auf die Schwächen autistischer Menschen. Auticon, eine Firma, die sich auf die Anstellung von Menschen aus dem Autismus-Spektrum spezialisiert hat, spricht von: »Autismus ist kein Systemfehler, sondern ein anderes Betriebssystem.« Fragt man...


Josephin Lorenz, Dipl.-Designerin, Psychoanalytische Kunsttherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, zertifizierte PEP®-Anwenderin. Dozentin beim Kinder- und Jugendlichen-Curriculum und dem Zentrum für Autismus Kompetenz Hannover (ZAK). Freiberufliche Kunsttherapeutin und Supervisorin. Seit 2013 in eigener Privatpraxis mit Schwerpunkt Autismus in Kooperation mit dem Jugendamt der Stadt und Region Hannover.


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