Lorret | Ein Wüstling und kein Gentleman? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 140, 400 Seiten

Reihe: Historical Gold Extra

Lorret Ein Wüstling und kein Gentleman?


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7515-1115-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 140, 400 Seiten

Reihe: Historical Gold Extra

ISBN: 978-3-7515-1115-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nachforschungen in einem Bordell? Nicht einmal davor macht Enthüllungsautorin Jane Pickerington halt! Heimlich dringt sie in das Etablissement ein - und wird entdeckt! Zum Glück rettet sie ein attraktiver Fremder, der eine wilde Erotik verströmt, aus der misslichen Lage. Obwohl der geheimnisvolle Raven wie ein Lord gekleidet ist, kann er unmöglich zur feinen Gesellschaft gehören. Janes Neugier ist geweckt! Deshalb sagt sie sofort zu, als Raven sie bittet, ihm alles beizubringen, was ein echter Gentleman wissen muss. Doch wer garantiert ihr, dass sich hinter seinem verführerischen Äußeren nicht wahre Abgründe verbergen?



Bestsellerautorin Vivienne Lorret liebt Liebesromane, ihren pinkfarbenen Laptop, ihren Ehemann und ihre beiden Teenagersöhne (nicht zwingend in genau dieser Reihenfolge ...). Sie beherrscht die Kunst, unzählige Tassen Tee in Wörter zu verwandeln, und hat sich mittlerweile mit zahlreichen wunderbaren Regency-Romances in die Herzen ihrer Leserinnen und Leser geschrieben.
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1. KAPITEL

Oktober

Nur wenige Männer würden sich um drei Uhr früh zu Fuß durch Londons Straßen wagen, fein herausgeputzt in schwarzem Zwirn, gestriegeltem Filz und blank polierten Stiefeln. Raven wusste, dass er nach leichter, fetter Beute aussah, genau die Sorte Gentleman, der er als kleiner Knirps die Taschen geplündert hatte. Oder die man hin und wieder an den Ufern der Themse fand, aller irdischen Güter beraubt, einschließlich ihres Lebens.

Doch er war unbesorgt. Fast jeder Tag seiner achtundzwanzig Jahre hatte ihn gelehrt, was man über das Dickicht dunkler Gassen, über krumme Geschäfte, Betrüger und Halsabschneider wissen musste. Und trotz seiner unrühmlichen Herkunft hatte er es im Leben zu etwas gebracht.

Damit das auch so blieb, brauchte man sich eigentlich bloß an ein paar einfache Regeln zu halten. Raven folgte dieser aus vier Punkten bestehenden Lebensphilosophie schon seit Jahren, und sie hatte ihm gute Dienste geleistet.

Erste Regel: Immer wachsam sein.

Zweite Regel: Seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken.

Dritte Regel: Gut auf sich selbst und die Seinen samt ihrem Besitz aufpassen.

Vierte Regel: Anonym bleiben.

Man könnte meinen, dass die vierte Regel für einen im Findelheim aufgewachsenen Waisenjungen eigentlich kein Problem darstellen sollte. Weit gefehlt. Allein sein bloßes Dasein hatte ihm schon so viel Ärger eingehandelt, dass er früh gelernt hatte, sich bedeckt zu halten und nicht weiter aufzufallen.

Eine nützliche Fähigkeit, die ihm auch jetzt wieder sehr zupass kam.

Die frühen Morgenstunden waren die Hochzeit der Taschendiebe und Taugenichtse, der Streuner und Herumtreiber. Ein heftiger Regenguss ein paar Stunden zuvor hatte zwar letztere an die wärmenden Feuer der Hinterhöfe getrieben, aber wer Böses im Schilde führte, ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, in den verlassenen Gassen auf den verräterischen Klang des Reichtums zu lauern – das Klimpern von Münzen, das Rascheln von Geldscheinen oder auch nur der unverkennbare Tritt fein gestiefelter Sohlen auf regennassen Pflastersteinen.

Um sich nicht dergestalt zu erkennen zu geben, stimmte Raven seine Schritte auf die des auf der anderen Straßenseite patrouillierenden Nachtwächters ab. Die genau bemessenen Auftritte hallten im Nebel wider, der sich in feinen weißen Schwaden übers bucklige Pflaster schlängelte und jeden im Dunkel lauschenden Tunichtgut in die Irre führen würde.

Ein Stück die Straße hinauf saß ein altes Bettelweib im Schein einer Laterne, ihren Korb mit welken Veilchen auf dem Schoß. Als sie ihn mit zusammengekniffenen Augen durch die diesigen Schleier ausmachte, schickte sie ihm ein zahnloses Lächeln entgegen. „Da schau an, zieht es den feinen Herrn das zweite Mal in einer Woche in die Arme des Verderbens?“

„Könnte es nicht die Versuchung sein, in den süßen Blüten Ihres Bauchladens zu schwelgen?“, erwiderte er und lupfte galant den Hut.

„Pah“, schnaubte sie. „Zwei Häuser weiter wollen Sie. Hier, da haben Sie Ihre süßen Blümchen.“

Er gab sich brüskiert. „Aber Bess, wann hätte mir denn je ein Sträußchen genügt? Drei müssen es schon sein. Ich habe gewissen Damen mein Wort gegeben, und ein Gentleman steht zu seinen Versprechen.“

Sie schnalzte mit der Zunge und fischte drei kümmerliche Gebinde aus dem Korb. „Drei Mädchen in einer Nacht, eine Schande ist das. Früher, als ich jung war, hätte ich Sie so kräftig rangenommen, dass Sie danach keine Lust mehr auf eine andere gehabt hätten. Zwei Ehemänner hab ich unter die Erde gebracht und die waren selbst nicht zimperlich. Waren natürlich längst nicht so feine Herren, wie Sie einer sind.“

Raven lächelte in stiller Genugtuung, denn ihr schien nicht bewusst zu sein, wie oft sich ihre Wege schon gekreuzt hatten, wenn er nicht seinen feinen Zwirn trug, sich nicht als Gentleman ausgab.

Sonst sah sie ihn in Hemdsärmeln und einem Anzug aus derber Wolle, den er zur Arbeit in Sterlings Spielhalle trug, wo er so etwas wie ein Faktotum war, ein Mann für alles. Oft kam es nicht vor, dass er sein schwarzes Haar gescheitelt und pomadiert trug und sich, wie jetzt, noch mit einem Zylinder krönte. Auch Kragen und Krawatte trug er eher selten zur Schau.

Doch er hatte früh gelernt, dass die Menschen meist nur sahen, was sie sehen wollten, und das machte er sich zunutze.

„Wie könnte ich einem so vollmundigen Versprechen widerstehen?“, fragte er mit einem tiefen Blick in ihre Augen und hob ihre ledrige Hand an seine Lippen. „Brennen Sie mit mir durch, Bess.“

Sie riss ihre Hand zurück und lachte rau, doch trat ein rosiger Hauch auf ihre runzligen Wangen und ihr Atem schwebte zwischen ihnen wie feine Schleierwolken im flackernden Schein der Laterne. „Passen Sie auf, was Sie sagen, junger Mann. Selbst auf meine alten Tage könnte ich einem Grünschnabel wie Ihnen noch was beibringen. Hier, nehmen Sie Ihre Blümchen, Sie können alles haben, was noch da ist, das kauft mir heute sowieso keiner mehr ab. Aber …“, sie hielt die schlaffen, mit grober Schnur gebundenen Sträußchen noch zurück, „… sollten Sie mal eine neue Köchin brauchen in ihrem schicken Palast, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden.“

Da er annahm, es wäre Ihre Art den Preis hochzutreiben, fischte er einen Silberling aus der Jackentasche und ließ die Münze in ihre ausgestreckte Hand fallen. Sie biss kräftig darauf und ließ sie dann in ihrem grau zerschlissenen Mieder verschwinden.

„Natürlich. Sie stehen ganz oben auf meiner Liste“, versprach er ihr, tippte kurz an seinen Hut und setzte seinen Weg fort.

Sowie er außer Sichtweite war, steckte er die Veilchensträuße in seine Rocktasche. Im Freudenhaus wusste niemand welke Souvenirs zu schätzen, aber Bess konnte sich jetzt wenigstens ein, zwei ordentliche Mahlzeiten leisten ohne dabei ihre Würde zu verlieren.

Denn Stolz, das wusste Raven aus eigener Erfahrung, war oft das Einzige, was einem Menschen noch blieb.

Mit einem wachsamen Auge auf seine Umgebung ging er weiter, denn sich von der Ruhe dieser frühen Morgenstunden in Sicherheit wiegen zu lassen, wäre gleichermaßen dumm wie fatal gewesen.

Doch es ließ sich nicht abstreiten, dass die Stadt in dieser Herrgottsfrühe etwas von der gedämpften, feierlichen Stille einer Kathedrale hatte. Auf der Straße ratterte in einsamer Prozession eine gelbe Droschke vorbei und strebte einem im dichten, andächtig gesenkten Nebel nur zu erahnenden Altar entgegen. Klipp-klopp, klipp-klopp schlugen die Hufe der Pferde den Takt, während die Kutschräder auf dem Pflaster sangen und das Riemenzeug schwang wie Kirchenglocken. Jeder Laut hallte wider von den Backsteinmauern und Schindelfassaden der Mietshäuser und Ladengeschäfte, die wie Beichtstühle voller armer Sünder düster erhaben ihren Weg säumten. Und wie Weihrauch regnete von den Schornsteinen der Ruß in feinen Schwaden herab, legte sich wie eine graue Decke auf alles und mischte sich mit den feuchten, fauligen Gerüchen der Gosse.

Raven sog all das tief in sich auf – die Geräusche, die Gerüche, den Anblick seiner vertrauten Welt.

Seine Schritte führten ihn unter drei Holzschildern entlang, die an ihren kunstvoll geschmiedeten Bögen still vor den dunklen Läden hingen, während die braven Kaufleute im Stockwerk darüber den Schlaf der Gerechten schliefen. Raven mochte diesen Teil Londons. Stadthäuser, Mietskasernen und Ladengschäfte reihten sich hier in bunter Folge und es fand sich alles beisammen, was ein Mann zum Leben brauchte: Barbier und Herrenschneider, Tuchhändler und Freudenhaus.

Nur dass bei Moll Dawson kein Ladenschild aushing. Nicht den kleinsten Hinweis gab es, und das brauchte es auch nicht.

Moll führte das exklusivste Bordell Londons, das der Hautevolee vorbehalten war und ausschließlich geladenen Gäste Zutritt gewährte. Laut der Dame des Hauses waren ihre Mädchen unberührt von den Händen des Pöbels und hatten die hohe Kunst ihres Metiers bei den besten Kurtisanen aus aller Welt erlernt.

Raven fiel eindeutig nicht in diese Kategorie, er war so gewöhnlich wie der Dreck auf den Straßen. Doch als er vor drei Jahren anfing, für Sterling zu arbeiten, war Moll mit einer Offerte und der Bitte um Diskretion auf ihn zugekommen.

Er erhalte Zutritt zu ihrem Etablissement, auch zu den in Seide gewandeten und reich parfümierten Mädchen, wenn er die Gewinner des Abends von Sterlings Kasino direkt zu ihr führe statt zur Konkurrenz.

Nachdem er sein Lebtag von wohlgeborenen Stutzern mit Verachtung gestraft worden war, hatte Raven diesem Angebot nicht widerstehen können. Jedes Mal, wenn er Molls Bordell besuchte, sah er zu, dass er seiner Rolle gerecht wurde und wie ein Gentleman auftrat. Er beherrschte die kleinsten Gesten und diesen Hauch von Arroganz, den er sich bei der Klientel im Sterling abgeschaut hatte.

Aber Moll sorgte schon dafür, dass er seinen Stand nie vergaß. Seine Anwesenheit verdankte sich allein ihrer Gunst.

Es hätte ihm gleich sein sollen. Ein Mann von seiner bescheidenen Herkunft konnte nicht mehr erwarten. Und doch hatte ihn schon immer nach mehr verlangt.

Raven schob den Gedanken beiseite, wie er es meist tat, und wartete einen Moment im Schatten des Hofdurchgangs, um die Lage zu sondieren.

Vor dem Haus standen zwei edle Gespanne, die im Dunkel aufleuchtende Glut einer Zigarette ließ oben auf dem Bock einen der Fahrer erkennen. Die Fenster auf Straßenebene...



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