E-Book, Deutsch, 380 Seiten
Lowe Damn Right: Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen von Berkshire Hathaway mit Charlie Munger
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98609-238-2
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit einem Vorwort von Warren Buffett
E-Book, Deutsch, 380 Seiten
ISBN: 978-3-98609-238-2
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Janet Lowe war eine Autorität auf dem Gebiet der Wertanlagetheorie und wurde für ihre Tätigkeit als Autorin und Journalistin mehrfach ausgezeichnet. Besonders bekannt sind Ihre Biografien über amerikanische Führungspersönlichkeiten. Lowes freiberufliche Artikel sind in mehr als 100 Publikationen erschienen, darunter etwa Newsweek, Los Angeles Times und Dallas Morning News. Lowe wuchs in Kalifornien und Nevada auf. Sie studierte in Las Vegas und San Diego Business and Economics sowie Massenkommunikation und absolvierte ein Stipendium der Wharton Business School.
Weitere Infos & Material
Erstes Kapitel
Zwei außerordentlich kluge Köpfe
Ich stehe nun schon so lange an der Seite von Warren (Buffett), dass ich dachte, ich käme unter ferner liefen.2
Charles T. Munger, als er 1993 zum ersten Mal auf der Forbes-Liste der reichsten Amerikaner stand
»Meine Beziehung zu Charlie Munger ist in gewisser Hinsicht sehr eng, aber recht eigenartig«, erklärte Katharine Graham, Ex-Verlegerin der Washington Post im Ruhestand. »Anfangs wandte ich mich an ihn, weil ich nicht nur für ein Unternehmen verantwortlich war, sondern auch für Treuhandfonds von Kindern und Enkeln, womit ich keine Erfahrung hatte. Ich bat Warren um Rat und der reagierte wie üblich. ›So denke ich darüber, aber sprich doch noch mit meinem Partner Charlie. Meistens sind wir einer Meinung.‹
Also suchte ich Charlie in seinem Büro in Los Angeles auf. Natürlich fand ich ihn interessant und ausgesprochen klug. Ich zog einen Schreibblock hervor und machte mir Notizen. Warren lachte darüber. Bis heute zieht er mich damit auf, wie ich Charlies weise Worte schriftlich festhielt.«
Der milliardenschwere Investor Warren Buffett aus Omaha arrangierte ein Treffen zwischen Graham und Munger. Dazu Graham: »Charlie und ich korrespondierten über einen langen Zeitraum rege miteinander, und das war wirklich nicht alltäglich.«
Die Briefe bewahrte Graham in einem Ordner auf und las sie noch einmal, als sie an ihrer mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Biografie Personal History arbeitete. »Ich sah unseren Briefwechsel durch, der mein hauptsächlicher und engster Kontakt zu ihm war. Ich weiß gar nicht mehr, wie das eigentlich angefangen hatte, doch wir korrespondierten über rund zehn Jahre. Bildlich gesprochen hatten wir dabei keine Hand am Lenker, produzierten uns voreinander und trieben Schabernack.«
Graham, die in ihrer schüchternen, zurückhaltenden Art stets in Sorge war, ihr Bestes sei nicht gut genug, merkte irgendwann, dass Munger ihr im Grunde die meiste Zeit über »versicherte, dass ich besser war, als ich dachte.
Es ist übrigens wirklich erstaunlich, wie ähnlich sich Warren und Charlie anhören. Die Stimme, das Gebaren, der Humor«, berichtete Graham. »Ein Wort gibt das andere und sie frotzeln miteinander. In meinen Augen sind sie zwei außerordentlich kluge Köpfe.«
»Von Charlie Munger hörte ich das erste Mal im Jahr 1957«, erzählte Buffett, der Jahre später der reichste Mann Amerikas werden sollte. »Damals verwaltete ich in Omaha bescheidene 300 000 US-Dollar. Dorothy Davis war die Frau von Edwin Davis, dem bekanntesten Arzt der Stadt. Unsere Familien kannten sich. Ich besuchte die Davis zu Hause. Mrs. Davis war eine hochintelligente Frau. Ich erklärte ihr, wie ich an die Kapitalverwaltung heranging. Dr. Davis hörte gar nicht zu. Als ich meine Ausführungen beendet hatte, berieten sich die beiden – und beschlossen dann, mir 100 000 US-Dollar anzuvertrauen. Ich sagte zu Dr. Davis: ›Aber Sie haben mir doch gar nicht richtig zugehört. Warum wollen Sie mir trotzdem Ihr Geld geben?‹ Und er entgegnete: ›Sie erinnern mich an Charlie Munger.‹ Darauf sagte ich, Charlie Munger sei mir zwar unbekannt, aber bereits sympathisch.«
Als Munger in den 1920er- und 30er-Jahren in Omaha aufwuchs, waren die Davis seine Nachbarn und enge Freunde der Familie. Der Arzt war ein bisschen exzentrisch, »ein komischer Kauz, aber ausgesprochen fähig. Und die Anlage bei Buffett hat sich für die Familie Davis bestimmt bezahlt gemacht«, so Munger. Die Davis hatten Buffett den Großteil ihres Vermögens überlassen.
»Eddie Davis war tatsächlich etwas speziell, und mit zunehmendem Alter immer mehr«, räumte Buffett ein. »Am Ende wurde er auch ein bisschen senil. Als er später noch mehr Kapital bei mir anlegte, stellte er seine Schecks auf Charlie Munger aus. Da sagte ich zu Eddie: ›In vieler Hinsicht ist mir gleich, ob Sie uns verwechseln. Aber Ihre Schecks stellen Sie bitte demnächst auf meinen Namen aus.‹«
Zwei Jahre nachdem Buffett zum ersten Mal von Munger gehört hatte, lernten sich die beiden persönlich kennen. »1959 starb Charlies Vater und er kam zurück, um dessen Angelegenheiten zu regeln. Die Davis arrangierten ein gemeinsames Abendessen. Wir hatten sofort einen guten Draht zueinander«, erzählte Buffett.
Bei den »Davis«, von denen Buffett sprach, handelte es sich nicht mehr um den Arzt und seine Frau, sondern um deren Kinder, mit denen Munger als Kind gespielt hatte. Beide Davis-Söhne, Eddie und Neil, wurden Mediziner und die Tochter Willa Davis heiratete den Unternehmer Lee Seemann aus Omaha. Neil Davis hatte das Essen im alten Omaha Club angeregt. Mit dabei waren Willa und Lee Seemann, Joan und Neil Davis, Charlie Munger und Warren Buffett. »Es war toll, wie der Funke übersprang«, erinnerte sich Willa.
Auch Munger hatte schon von Buffett gehört, erwartete sich aber nicht viel von dem Treffen. »Ich kannte die ganze Familie Buffett, nur Warren nicht«, sagte Munger. Damals fielen ihm gleich mehrere Eigenheiten des jungen Brillenträgers auf. »Er hatte einen Bürstenschnitt. Er arbeitete im Wintergarten seines Hauses und ernährte sich von Pepsi und gesalzenen Nüssen. Gemüse verweigerte er.«3 Dazu Charlie, der sich diesbezüglich für recht tolerant hält: »Sogar ich bin immer wieder überrascht, wenn ich sehe, was Warren frühstückt.«
Mit seinen geringen Erwartungen an das Zusammentreffen lag er aber falsch. Der sonst in seinem Urteil eher zurückhaltende Munger war schwer beeindruckt. »Ich muss sagen, mir war praktisch auf Anhieb klar, was für ein außergewöhnlicher Mensch Warren ist.«4
Munger begann sofort, Buffett mit Fragen nach seiner beruflichen Tätigkeit zu löchern. Die Antworten faszinierten ihn. Am folgenden Abend waren die beiden bei einem weiteren gemeinsamen Freund, Dick Holland, zum Essen eingeladen. Der damals 29-jährige Buffett und der 35-jährige Munger kamen erneut ins Gespräch. Munger war so bei der Sache, dass er jedes Mal, wenn er einen Schluck aus seinem Glas nahm, abwehrend die Hand hob, damit ja niemand das Gespräch unterbrach.
Die beiden lernten sich zu einem schicksalhaften Zeitpunkt kennen. Charlie Munger hatte gerade seinen geliebten Vater verloren und Buffetts Mentor Benjamin Graham hatte sich aus dem Investmentgeschäft zurückgezogen und war von New York nach Los Angeles umgesiedelt. Dass sich Graham nicht mehr so für Investmentprobleme interessierte, bekam Buffett schmerzlich zu spüren. Er brauchte einen neuen Resonanzboden. Munger fand er vermutlich gleich interessant, weil er ihm so ähnlich war – nämlich ehrlich, realistisch, grenzenlos neugierig und absolut unkonventionell in seinem Denken.
»Ich glaube, Charlie hat mit Ben Graham viel mehr gemein, als ihm bewusst ist«, kommentierte Louis Simpson, Ko-Vorsitzender von GEICO und der Mann, der einspringen könnte, falls Buffett oder Munger Berkshire Hathaway irgendwann nicht mehr leiten können. »Charlie geht akademisch an die Dinge heran und hat breit gefächerte Interessen. Bei Büchern ist sein Geschmack sehr vielseitig.«
Buffett, der sich bekanntlich nur für das Investmentgeschäft interessiert, erinnerte Munger in seiner Vielseitigkeit ebenfalls an Graham. »Charlie ist da viel breiter aufgestellt als ich. Er liest mehr Biografien, Hunderte im Jahr. Er saugt sie förmlich auf und behält alle Einzelheiten im Kopf.«
Als Fidel Castro in Kuba die Macht übernahm und in den USA der junge John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt wurde, waren Buffett und Munger bereits »Partner im Geiste« – in einer Beziehung, die zumindest anfangs ganz ohne Verträge oder offizielle Titel auskam. Sie verhielten sich eher wie Brüder als wie Geschäftspartner, wie Buffett es beschrieb. Auf der Grundlage wechselseitigen Vertrauens festigte sich diese Bindung mit jedem Gespräch, jedem Treffen und jedem Geschäft.5
Munger war zwar nur ein paar Straßen vom Haus der Buffetts in Omaha entfernt aufgewachsen und hatte als Jugendlicher sogar im Familienbetrieb der Buffetts ausgeholfen, doch durch die sechs Jahre Altersunterschied hatten sie sich in unterschiedlichen Kreisen bewegt. Dennoch hatten sie so viel gemeinsamen Hintergrund, dass sie sich auf Anhieb verstanden.
»Als Jungen müssen sich Charlie und Warren sehr ähnlich gewesen sein«, mutmaßte Mungers älteste Tochter Molly. »Sie hatten ähnliche Eltern, ähnliche Werte und lebten in derselben Stadt. Das allein ist schon ein gutes Fundament für eine Freundschaft.«
Doch Munger und Buffett verband noch mehr. »Ich hatte wie Warren die große Leidenschaft, reich zu werden«, erzählte Munger, der sein Geld anfangs als Anwalt verdiente. »Nicht, weil ich Ferraris gewollt hätte – ich wollte Unabhängigkeit. Ich sehnte mich verzweifelt...