E-Book, Deutsch, 450 Seiten
Lowell Der weite Horizont Australiens
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-225-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 450 Seiten
ISBN: 978-3-98952-225-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Elizabeth Lowell ist das Pseudonym der preisgekrönten amerikanischen Bestsellerautorin Ann Maxwell, unter dem sie zahlreiche ebenso spannende wie romantische Romane verfasste. Sie wurde mehrfach mit dem Romantic Times Award ausgezeichnet und stand bereits mit mehr als 30 Romanen auf der New York Times Bestsellerliste. Die Website der Autorin: elizabethlowell.com Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre historischen Liebesromane »Begehrt von einem Ritter«, »Verführt von einem Ritter« und »Geküsst von einem Ritter« sowie ihren Thriller »48 Hours - Rette dein Kind« Außerdem veröffentlichte sie ihre Romantic-Suspense-Romane »Dangerous Games - Dunkles Verlangen«, »Dangerous Games - Tödliche Gier« und die Donovan-Saga mit den Bänden »Thrill of Desire«, »Thrill of Seduction«, »Thrill of Passion« und »Thrill of Temptation«.
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Kapitel 3
»Wie lange sind die beiden Chinesen jetzt schon tot?«
Die Stimme, die selbst durch die Satellitenverbindung und den Verzerrer ihren Ton von Herablassung behielt, war Jason Street zuwider. Hugo van Luik war ein breit gebauter Holländer mit einem runden Kopf voll weißer Haare. Seine Stimme klang für australische Ohren zischend und unangenehm. Street nahm einen tiefen Schluck Bier und stellte die große, kalte Dose auf seinen Schreibtisch. Dann antwortete er: »Zwölf Stunden, vielleicht etwas länger.«
»Warum hat sich Ihr Bericht verzögert?«
»Wollen Sie, daß ich unsere Angelegenheiten über ein öffentliches Telefon herausposaune?« gab Street zurück. »Denken Sie dran, hier ist Australien, verdammt. Jeder, der einen Empfänger hat, kann bei Funktelefongesprächen mithören. Ich habe die beiden Schläger begraben und Abes Haus auseinandergenommen. Von dort rufe ich an.«
Zwanzigtausend Kilometer entfernt, im fünften Stock eines grauen Gebäudes an der Pelikanstraat, der Hauptstraße des Diamantenhandels in Antwerpen, schloß Hugo van Luik die Augen, weil ihn rasende Kopfschmerzen überfielen. Im Augenblick war er allein in seinem Büro, also erlaubte er sich den Luxus, sich gehenzulassen. Übelkeit drehte ihm den Magen um und ließ urplötzlich wieder nach. Er holte dankbar tief Atem. Van Luik war ein mächtiger Mann, sowohl was seine Statur als auch seine berufliche Position betraf, aber er mußte den Preis der Macht bezahlen. In letzter Zeit schien der immer weiter zu steigen.
»Nun gut«, sagte van Luik. »Dann will ich zusammenfassen: Das handschriftliche Testament, der Samtbeutel und die Blechdose waren fort, als Sie ankamen. Zehn Jahre Arbeit – umsonst.«
»Verdammt richtig. Sie hätten zustimmen sollen, daß ich Abe Windsor auf meine Art zum Reden bringe. Dann hätte er sein Geheimnis schnell ausgespuckt.«
»Mag sein. Aber höchstwahrscheinlich hätte ein Mann in seinem Alter die Folter nicht überlebt und das Geheimnis seinen Erben hinterlassen. Damals schienen die Risiken zu groß.«
»Jetzt nicht mehr, mein Freund. Jetzt sind sie verflucht klein.«
»Ihre Einsicht in die Vergangenheit ist bewundernswert.«
Street antwortete nicht. Er haßte den korrekten Holländer, dessen Macht hinter dem einfachen, bedeutungslosen Titel Direktor für Sonderunternehmungen der Diamantenverkaufsorganisation DSD versteckt war. Aber er haßte ihn nicht nur, er fürchtete ihn auch.
»Nun denn«, sagte van Luik. »Dann gehen wir es noch einmal von Anfang an durch.«
Das war seine beliebteste Taktik bei einem so harten Typen wie Jason Street. Wiederholung verstärkte den Eindruck der Unterlegenheit und ließ gleichzeitig kleine Unstimmigkeiten erkennen, wenn Informationen zurückgehalten oder Lügen aufgetischt wurden.
Street kannte den Trick genausogut wie van Luik. Er trank noch einen Schluck Bier und rülpste ins Telefon. »Da gibt’s wirklich nicht viel zu sagen. Abe hatte schon seit ein paar Tagen gesoffen und war voll bis oben hin. Soweit nichts Neues. Vor drei Tagen dann ist er durchgedreht, hat sich eine Schaufel gegriffen und ist ab in den Busch. Dabei hat er gebrüllt, er würde sein eigenes Grab schaufeln gehen.«
»War das ungewöhnlich?«
»Nein, verflucht noch mal. Das kam bei ihm einmal im Monat vor, wie bei Frauen die Periode. Aber diesmal hat’s gestimmt. Er muß draußen im Busch gestorben sein. Seine Leiche sah aus, als hätte man sie langsam auf dem Spieß gegrillt. Tot wie Fisch in der Dose, roch aber viel strenger.«
Van Luik spürte wieder Übelkeit aufsteigen, allerdings nicht wegen Streets Schilderung. Tod und Verwesung machten dem Holländer nicht das geringste aus. Was ihm Übelkeit bereitete, war das Gefühl der Machtlosigkeit. »Wie ist die Leiche zurück zur Station gekommen?« fragte er.
»Die Powerpoints müssen ihn gefunden haben.«
»Powerpoints?«
»Chinks, Wogs, Chinesen«, sagte Street ungeduldig. Van Luik beherrschte vier Sprachen, konnte – oder wollte – sich aber einfach nicht den australischen Slang merken, den Street zu sprechen pflegte. »Sie haben ihn herausgeholt.«
»Woher wissen Sie das? Hat Ihr Informant auf der Station es Ihnen gesagt?«
»Sarah? Die war schon längst verschwunden. Sie hatte wie immer mit Abe zusammen gesoffen und war dabei umgefallen. Als sie wieder nüchtern war und Abe immer noch nicht zurück, hat sie mich angerufen und sich dann aus dem Staub gemacht.«
»Warum?«
»Sie wußte, daß ich sie umbringen würde, wenn Abe wirklich tot war.«
»Also woher wissen Sie dann, daß die Chinesen Windsor gefunden haben?«
»Es gab keine frischen Spuren zur Station. Der Koch muß den Hubschrauber gerufen haben, als Abe nicht zurückkam. Vielleicht ist er Abe auch gefolgt und hat ihn irgendwo in der Sonne zur Rede gestellt von wegen der geheimen Minen.«
Van Luik ließ sein Schweigen um die halbe Welt gehen.
Street sprach weiter. »Der verfluchte Koch muß ein Spitzel gewesen sein, genau wie Sarah. Eine Menge Leute wußten, daß Abe ein paar schöne Steine unter dem Kopfkissen hatte. Nicht nur wir waren hinter ihm her.«
Van Luik rieb sich den Nasenrücken, um den Kopfschmerz zu lindern. »Reden Sie weiter.«
»Die Powerpoints müssen Abe draußen im Busch gefunden und zurückgebracht haben. Danach haben sie die Station durchsucht, was bedeutet, daß Abe ihnen nichts erzählt hat, bevor er gestorben ist.«
»Das will ich auch sehr hoffen. Unglücklicherweise wußten die ›Powerpoints‹ ja wohl genug, um auch die Blechdose mitzunehmen, nicht nur die Diamanten, oder?«
Jason Street nahm einen kräftigen Schluck Bier und antwortete nicht. Er hatte gehofft, van Luik würde nicht so schnell begreifen, was es bedeutete, wenn auch die Blechdose fehlte.
»Oder?« fragte van Luik noch einmal etwas schärfer.
»Ja, sie haben die verdammte Dose mitgenommen.«
»Also müssen wir davon ausgehen, daß sie mindestens so gut informiert sind wie wir. Ihnen wird klar sein, daß der Inhalt des Beutels sicher nur einen Bruchteil des Wertes besitzt, den der Inhalt der Dose bei richtiger Anwendung haben könnte.«
Die verzerrte Satellitenverbindung summte und schien nur darauf zu warten, daß Street dem Offensichtlichen zustimmte.
»Ich nehm’s an«, erwiderte der Australier widerstrebend.
Van Luik blickte über die feuchten grauen Dächer hinaus, unter denen die geschicktesten Diamantenschleifer und die rücksichtslosesten Juwelenhändler der Welt zu Hause waren. Manchmal ließ das Stechen im Kopf nach, wenn er in die Ferne sah. Manchmal mußte er es einfach ertragen.
Er schloß die Augen und ertrug, versuchte über den blendenden Schmerz hinauszudenken, der hinter seinen Augen seinen Herzschlag spürbar machte. Jason Street war vor zehn Jahren mit den besten Empfehlungen zu ConMin gekommen, als er gerade erst dreißig war. Seitdem war nichts geschehen, das bei van Luik Zweifel an seinen Fähigkeiten oder seiner Loyalität gerechtfertigt hätte.
Bis jetzt. Jetzt stimmte etwas nicht. Street log oder hielt irgendeine wichtige Information zurück. Und van Luik wußte nicht, ob er das tat, um ConMins Zorn zu entgehen, oder ob es einen anderen, weniger offensichtlichen Grund dafür gab.
»Konnten Sie irgendetwas über den Hubschrauber in Erfahrung bringen?« fragte van Luik vorsichtig.
»Ich habe jeden, der in Westaustralien oder dem nördlichen Territorium Hubschrauber vermietet, überprüft. Ohne Erfolg. Auch keine Spur von derartigen Flügen bei der Luftüberwachung. Muß eine private Maschine gewesen sein.«
»Finden Sie den Hubschrauber!« Van Luik würgte fast wegen des plötzlich mit seinem Ausruf ins Unerträgliche gewachsenen Schmerzes. Einen Augenblick lang atmete er ganz flach durch den Mund. Als er wieder sprach, war seine Stimme beherrscht und ruhig. »Wir müssen herausfinden, wer die Gedichte und die Steine hat.«
»Bin schon bei der Arbeit, Kumpel.«
Van Luik nahm den Hörer in die linke Hand und massierte sich die rechte Schläfe. Licht glitzerte am kleinen Finger seiner rechten Hand, an dem er einen fünf Karat schweren, reinweißen, lupenreinen Diamanten im Smaragd-Schliff trug. Der Stein war in Platin gefaßt. Er war der einzige Schmuck, den van Luik trug. In Antwerpen war dieser Stein wie eine Visitenkarte und machte seinen Träger sofort als Mitglied der internationalen Diamanten-Bruderschaft erkennbar.
»Sie haben natürlich eine Kopie von ›Chunder from Down Under‹, oder?« fragte van Luik.
»Sarah hat sie noch eine Woche vor Abes Tod mit dem Original verglichen. Seit ich Ihnen das letzte Mal eine Kopie geschickt habe, hat er nichts mehr geändert.«
»Ich nehme nicht an, daß sie es geschafft hat, auch das Testament abzuschreiben, oder?« Van Luiks Stimme klang ruhig und fast vorwurfsvoll. Als Street nicht antwortete, fragte der Holländer: »Konnte sie es nicht wenigstens ansehen?«
Street holte tief Luft und nahm sich vor, van Luik zu sagen, was er schon wußte: »Abe hat ›Chunder‹ immer auf seinem Nachttisch liegenlassen, aber sein Testament war sein ganz persönliches verdammtes Geheimnis, das er sogar noch sorgfältiger hütete als die Steine um seinen Hals.«
Van Luik grunzte. Er öffnete die Akte auf dem Schreibtisch vor sich und sah sich einige Fotos an. Es waren grobkörnige Vergrößerungen von den winzigen Negativen einer Minox, Seite um Seite einer spinnenfeinen, altmodischen Handschrift auf grobem, liniertem Papier. Bedeutungslose Kritzeleien oder die klug versteckten Hinweise eines Toten auf die Lage einer unbekannten Diamantenmine? Immer noch war ihm nicht klar, was in diesen »Gedichten« eigentlich stand.
»Sie haben eine Kopie bei...




