Lukas | Asche ist furchtlos | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Edition Periplaneta

Lukas Asche ist furchtlos

Roman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95996-197-4
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Edition Periplaneta

ISBN: 978-3-95996-197-4
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Ihre Schönheit war unerträglich. Mit einer plötzlichen, überdeutlichen Klarheit sah ich, dass diese Frau sich niemals in irgendeiner Form binden würde. An keinen Mann, keine Frau, keinen Ort. Sie war der Flügel des Schmetterlings, den niemand berühren durfte. Und doch wünschte ich mir genau das."

Ciri hat ihre Mutter nie richtig kennengelernt. Alle haben ihr bisher die Umstände ihres Verschwindens verschwiegen, allen voran ihr Vater. Was soll man auch erzählen, wenn die große Liebe eine von allen hofierte Dealerin der Berliner Clubszene war und man selbst nur ein geduldeter Zaungast? 
Als Jonas nach 15 Jahren endlich zu reden beginnt, begreift er nach und nach das Ausmaß seiner grenzenlosen Verklärung. Doch da haben seine und Ciris verdrängte Dämonen längst alle Macht über ihre Gegenwart.

Ein großer Roman über Obsessionen, die zerstörerische Kraft der Liebe und über die Abgründe der Berliner Clubszene.

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Weitere Infos & Material


*
„Ich habe Nora in einem Club kennengelernt, natürlich, wo sonst. Ja, sie hat Drogen verkauft. Und war deshalb jede Nacht unterwegs. Das hat sie einfach geliebt. Die vielen Menschen. Der Lärm und der Schweiß. Freigetränke an jeder Bar. Von einer Party zur nächsten. Ich war da anders. Es hat mich immer Überwindung gekostet, unter Leute zu gehen. Und mit Drogen hatte ich überhaupt nichts am Hut. Im Grunde war ich das genaue Gegenteil von deiner Mutter.“ „Warum bist du dann aus dem Haus gegangen, wenn alles so schlimm war?“, frag ich. „Wegen Dorian. Ich sag ja, ich muss weiter ausholen. Er hat mich an den Wochenenden in die Nächte hinaus geschleift. Ohne ihn hätte ich Nora wahrscheinlich nie kennengelernt.“ Dorian. Der verrückteste Mensch, den ich kenne. Früher war er bestimmt noch viel krasser. Hab mich immer gefragt, was er an meinem Vater gefunden hat. „Ich bin damals nach Berlin gekommen, weil ich professioneller Künstler werden wollte. Was auch immer ich mir darunter vorgestellt habe. Ich meine, ich kannte niemanden in der Stadt, hatte keine einzige Anlaufstelle. Meine beiden Koffer waren voller Farben und Bücher. Ich habe vermutlich gedacht, es reicht, wenn ich male. Irgendjemand würde meine Genialität dann schon entdecken und alles weitere regeln. Ist natürlich anders gekommen. Ich musste ziemlich schnell feststellen, dass es Unmengen von Künstlern wie mir gibt. Die in jedem Café, jeder Kneipe herumlungern. Interessante Typen. Zu denen ich mich gerne gezählt hätte. Leider fanden die Galerien uns nicht so interessant. Nach ein paar Wochen hatte ich kein Geld mehr. Ich musste mir einen Job suchen. Fing als Tellerwäscher bei einer Zeitarbeit-Firma an. Schlimm war das. Bei der Einstellung haben sie mir einen Katalog mit Benimmregeln gegeben. Dass man sich die Haare waschen soll. Und überhaupt regelmäßig duschen. Und dass man nicht ungefragt reden soll, sondern nur, wenn man angesprochen wird. Egal, ich will dich nicht langweilen. Ein Gutes hatte der Job jedenfalls. Ich wurde fast jeden Tag woanders eingesetzt. Bei Caterings überall in der Stadt. Allein habe ich mich ja kaum raus getraut. Ich musste zwar den Hintereingang benutzen, aber immerhin durfte ich auf die Art die Teller der erlesensten Gesellschaften spülen. Bei Botschaftsempfängen oder Filmpremieren. Manchmal auch bei einer Vernissage, wo ich mir dann nach Feierabend die Bilder angeschaut habe und nicht verstehen konnte, was daran toll sein soll. Ich glaube, es war im Bundesrat. Dort habe ich Dorian zum ersten Mal getroffen. Es gab da so einen winzigen Verschlag für die Spülmaschinen. Man kam nur durch eine Art Tapetentür rein. Ich stand da im Dampf und konnte mich kaum bewegen. Und plötzlich zwängt sich dieser Typ noch dazu. Anfang dreißig, blutunterlaufene Augen, Geheimratsecken. „Willst du die Hirschkalb-Abschnitte?“, schrie er mich an. „Magst du was trinken? Hier, trink. Sei nicht so bescheiden!“ Er hatte eine Kochjacke mit Monogramm, also dachte ich, dass er mindestens Souschef sein müsse. Beiköche lassen sich ihre Jacken nicht besticken, soweit ich weiß. Ich erzähle das nur, weil sich bis dahin kein Koch dazu herabgelassen hat, mit mir zu sprechen. Da waren sie total elitär. Ich hab gedacht, er will mich verarschen. „Magst du nicht?“, fragte er. „Ich weiß, Veuve Cliquot ist scheiße. Aber das Zeug ist umsonst! Die haben hier massenweise davon!“ Wie sich dann später herausstellte, war er sogar der Chefkoch. Und er wollte mich nicht vorführen, sondern einfach nur trinken und quatschen. In seiner Kontaktfreudigkeit war er ja immer ein überzeugter Demokrat. „Was machst du nachher?“, wollte er irgendwann wissen. „Kommst du noch mit?“ „Ich weiß nicht, wie lange wir arbeiten müssen“, sagte ich. „Das Dessert geht gleich raus. Kann nicht mehr lang dauern. Die quatschen eh nur die ganze Zeit, die Spasten. Vorhin haben sie die Urmöhren zurückgehen lassen, weil sie dachten, die Karotten wären verbrannt.“ Dabei lachte er so laut, dass sie ihn mit Sicherheit draußen hören konnten. „Fick mich, wie kann man so dämlich sein?“ Nachdem sie alles geschickt hatten, mussten seine Köche mir beim restlichen Geschirr helfen. Anscheinend waren sie daran gewöhnt, auch beim Spülen mit anzupacken. Er selbst hat Besteck poliert. Auf die Art waren wir draußen, bevor es dunkel wurde. „Wo willst du denn hin?“, fragte ich auf der Straße. Eigentlich hatte ich keine Lust auf einen Absturz, weil ich am nächsten Morgen zur Frühschicht eingeteilt war. „Irgendwo wird schon was los sein“, rief er und ging einfach los. „Keine Ahnung, da müssen wir Paula fragen. Paula kennst du noch gar nicht, oder? Fick mich, natürlich kennst du sie nicht. Paula ist toll. Die meisten haben Angst vor ihr.“ Naja, du weißt, wie er spricht. Ich kann das nicht so gut nachmachen. Auf jeden Fall habe ich mich von seinem Interesse geschmeichelt gefühlt. Und seine Euphorie reißt sowieso jeden mit. Wir blieben an dem Abend in der erstbesten Kneipe hängen. Dorian fand es toll, dass ich Künstler sein wollte. Beziehungsweise hat er das einfach so akzeptiert. Ich hätte alles Mögliche erzählen können. Aber von da an war ich ein Maler für ihn. Wir kannten uns erst ein paar Stunden, aber er fühlte sich schon verantwortlich für mich. Hat alles gezahlt und ununterbrochen geredet. Dass ich mich nicht verkriechen dürfe, dass ich unter Menschen soll. Und dass er mir ein Berlin zeigen würde, das ich in unsterblichen Bildern verewigen müsse. Dabei kam er immer wieder auf diese Paula zu sprechen. Anscheinend eine Art Zauberwesen, an das wir uns nur zu hängen brauchten, um in die tiefsten Kreise des Infernos geführt zu werden. Ich lernte sie kurz darauf kennen: Hübsch, intelligent, gnadenlos in ihren Scherzen, desertiert aus der Werbebranche. Besitzerin einer Neuköllner WG. Sie war die Königin ihres privaten Partyhügels. „Tobi legt heute in der Panne-Bar auf“, rief sie in die versammelte Runde. „Aber Dorian will seinen neuen Freund mitbringen und den kriegen wir nicht an der Tür vorbei. Deshalb gehen wir ins Gomorrha, die lassen ja manchmal auch solche Schönheiten vom Lande rein.“ Laut Dorian meinte sie solche Sachen nicht böse. Und ich tat so, als wüsste ich nicht, wovon sie redet. Natürlich hatte ich davon gehört, dass es nicht leicht war, in die angesagten Clubs eingelassen zu werden. Aber ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, es zu versuchen. „Mach dir keine Gedanken“, sagte Dorian. „Wir kriegen dich da schon rein.“ Ich fragte mich, warum er so großen Wert auf meine Begleitung legte. Besonders unterhaltsam kann ich wirklich nicht gewesen sein. Natürlich drängte sich der Gedanke auf, dass er schwul sein könnte. Aber den hat er gleich am ersten Abend aus dem Weg geräumt: „Ich wäre so gerne schwul. Fick mich, du kannst dir gar nicht vorstellen, WIE GERN ich schwul wäre. Ich krieg dauernd Angebote von Männern. Ich glaub, es gibt niemanden, der schwuler aussieht als ich. Aber ich bin’s nicht, weißt du, wie scheiße das ist? Ich verknall mich immer nur in geistesgestörte Frauen und habe so gut wie nie Sex. Dabei könnte ich jeden Tag einen anderen Typen haben.“ Vielleicht mochte er einfach, dass ich so still war. Seinen Redefluss nicht unterbrochen habe. Der rauschte ja auch in einem Tempo dahin, als könnte man seinen Synapsen zuhören. Da konnte ich mich unmöglich einmischen. Zumal es fast immer interessant war, was einem da aus den Stromschnellen zugebrüllt wurde. Wir standen also irgendwann in der Schlange. Vor uns Paula und ihre Entourage. Dorian legte mir seine Hand auf die Schulter: „Schau dem Türsteher nur einmal kurz in die Augen“, sagte er. „Und dann nur noch woanders hin, aber nicht nach unten. Du musst so aussehen, als wüsstest du, dass du reinkommst. Respektiere die Formalitäten, aber sei nicht räudig.“ Was zur Folge hatte, dass ich überhaupt nicht mehr wusste, wo ich hinschauen sollte. Ich zitterte und versuchte vergeblich, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Unnötig, wie sich herausstellte. Paula musste nur kurz mit dem Türsteher reden. Im nächsten Moment wurde unsere Gruppe kommentarlos durchgelassen. „Wie hast du das hingekriegt?“, fragte Dorian. Sie winkte nur ab. Tat so, als wäre es eine Belanglosigkeit. Mit ihrem Blick gab sie mir jedoch zu verstehen, wie dankbar ich sein durfte. Ich stolperte eine Treppe hinauf und verlor die anderen innerhalb kürzester Zeit im Gedränge. Das Gomorrha war schmutzig und laut. Minimalistischer Techno ließ meine Trommelfelle vibrieren. Anfangs versuchte ich noch, Dorian wiederzufinden. Gab es jedoch bald auf. Ich merkte, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, was man in einem Club eigentlich macht. Tanzen, ja. Aber sonst? Manche Gäste standen in kleinen Gruppen herum und brüllten sich gegenseitig an. Ich bezweifle, dass sie bei der Lautstärke etwas verstehen konnten, aber immerhin hatten sie was zu tun. Die meisten machten den Eindruck, als wären sie genauso unentschlossen wie ich. Streunten von der Tanzfläche zu den Bars, von einem Raum in den nächsten, zu den Klos und wieder zurück. Ich schloss mich diesem Kreislauf irgendwann an, auch weil es mir peinlich war, die ganze Zeit an einer Stelle zu stehen. Auf die Art kam ich nach einer Weile in den Toilettenbereich. Ein großer Raum, geteilt durch mehrere Reihen freistehender Kabinen, vor jeder Tür eine Schlange. Jedes...


Lukas, Clint
Clint Lukas, Jahrgang 1985, lebt seit seinem zwanzigsten Lebensjahr in Berlin. 
Neben mehreren Buchpublikationen, sowie Kolumnen bei Tagesspiegel und Mit Vergnügen, war er jahrelang als Grenzgänger im Berliner Nachtleben aktiv – eine Erfahrung, die nicht zuletzt zum dunklen Grundton von "Asche ist furchtlos" beigetragen hat. 
www.clintlukas.com



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