Luomajoki / Schwertfellner | Hands-off in der Physiotherapie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

Luomajoki / Schwertfellner Hands-off in der Physiotherapie

Schmerzedukation, Kommunikation, Soft Skills und Behandlungsansätze
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-13-245541-2
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Schmerzedukation, Kommunikation, Soft Skills und Behandlungsansätze

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

ISBN: 978-3-13-245541-2
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Neue Wege mit modernen Methoden Effektive Physiotherapie beinhaltet einen je nach Patient*in individuellen Mix aus "Hands-on"-Maßnahmen, beispielsweise manuellen Techniken, und "Hands-off"-Therapie. Dieses Buch gibt ihnen einen umfassenden und fundierten Überblick über Schmerzedukation, Kommunikationstechniken, Soft Skills und verschiedene weitere Hands-off-Behandlungsansätze. Erfahren Sie unter anderem: mit welchen Kommunikationsstrategien wie Shared Decision Making, Motivational Interviewing und validierender Interaktion Sie die Compliance Ihrer Patient*innen optimieren,welche Typen von Patient*innen es gibt und welchen Einfluss der Typus auf Ihre Therapie hat,mit welchen Hands-off-Therapieansätzen z.B. Graded Exposure oder Cognitive Functional Therapy Sie Ihre Patient*innen optimal dabei unterstützen, ihre Alltagsfähigkeit wiederzuerlangenund welche Wirkung Placebos und Nocebos auf den Erfolg der Therapie haben.Das erste Buch, das sich den modernen physiotherapeutischen Hands-off-Methoden und -Skills widmet. Mit Beiträgen von: Thomas Benz, Michael Broecker, Silvia Careddu, Riikka Holopainen, Mark A. Jones, Julian Kiesele, Dominik Klaes, Thilo Oliver Kromer, Sebastian Löscher, Kerstin Lüdtke, Thomas Messner, Peter O'Sullivan, Fabian Pfeiffer, Daniel Riese, Sven Ringel, Alfred M. L. Rucker und Jonas Weber
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Zielgruppe


Medizinische Fachberufe

Weitere Infos & Material


1 Das Warum – psychologische Grundlagen
1.1 Die unspezifischen Effekte in der Physiotherapie: Placebo, Nocebo und Kontextfaktoren
Hannu Luomajoki, Christoph Schwertfellner und Thilo O. Kromer 1.1.1 Einleitung
Im klassischen biomedizinischen Modell wird der Patient als biologisches Wesen betrachtet, bei dem alle Beschwerden und Krankheiten eindeutig identifizierbar sind. Eine bakterielle Entzündung wird durch Bakterien verursacht und deshalb mit Antibiotika behandelt. Ist eine Sehne gerissen, muss sie wieder zusammengenäht, also operiert werden. Wenn das Knie Symptome mit eingeschränkter Beweglichkeit zeigt und gleichzeitig ein Meniskusriss im MRT zu sehen ist, scheint die Ursache für die Knieschmerzen klar zu sein. Wenn der Rücken schmerzt und das MRT einen Bandscheibenvorfall zeigt, wird angenommen, dass der Bandscheibenvorfall die Ursache für die Rückenschmerzen ist. Das klingt vernünftig und einleuchtend. Wir sind sicher, viele Patient*innen denken so und glauben daran – und viele Ärzt*innen und Physiotherapeut*innen auch. Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass der Mensch keine Maschine ist und dass die Ursache-Wirkungs-Beziehungen nicht so einfach sind. Nicht alle Symptome einer bakteriellen Infektion lassen sich mit Antibiotika heilen. Vergleicht man gesunde Menschen mit Menschen, die unter Rückenschmerzen leiden, findet man in beiden Gruppen gleich viele Bandscheibenvorfälle. Wenn in einer großen Studie alle Personen mit einem Meniskusriss nach dem Zufallsprinzip in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden, genesen diejenigen mit einer Placebo-Operation genauso gut wie die mit einer „echten“ Operation, auch wenn am Meniskus selbst nichts gemacht wurde. Und vergleicht man die Ergebnisse der operierten Sehnenrisse mit denen der konservativ behandelten, bestehen keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Selbst wenn bei der konservativen Behandlung die Sehne nicht repariert wurde, sind die Ergebnisse gleich. Merke Wir sprechen heute also von einem biopsychosozialen Ansatz. Alle drei Teilbereiche sind wichtig. 1.1.2 Spezifisch und unspezifisch
In der Medizin geht man klassischerweise davon aus, dass Wirkungen sehr spezifisch sind. So wird beschädigtes Gewebe repariert, indem es wieder aufgebaut wird. Schmerzen werden durch Medikamente gelindert. Und wenn die Ergebnisse gut sind, dann liegt das scheinbar an der spezifischen Wirkung der jeweiligen Intervention. In der Physiotherapie ist das ähnlich. Wenn nach einer Operation die Kniemuskeln schwach sind und das Knie mit Krafttraining behandelt wird und sich bessert und wieder ganz erholt, wird das einer spezifischen Wirkung des Krafttrainings zugeschrieben. Wenn der Rücken steif und schmerzhaft ist und mit manueller Therapie behandelt wird und es der Person dann besser geht, war das dann eine spezifische Wirkung der manuellen Therapie? Sie verstehen, worum es geht: Neben den spezifischen Wirkungen einer therapeutischen Intervention gibt es immer auch zahlreiche unspezifische Wirkungen. War die Therapeut*in nett, interessiert, einfühlsam? War sie immer pünktlich? Ist die Praxis hell, neu und schön eingerichtet? Eine freundliche Atmosphäre an der Anmeldung kann sehr viel wert sein. Manche Menschen unterhalten sich lange mit denjenigen, die gerade an der Anmeldung arbeiten – weil sie nett sind, weil sie die Menschen immer mit einem Lächeln und dem richtigen Namen begrüßen. Die Patient*innenzufriedenheit In einem großen ärztlichen Praxisnetz wurde die Zufriedenheit der Patient*innen mit der Behandlung, den Räumlichkeiten und dem Personal abgefragt. Der wichtigste Einzelfaktor dabei war, ob es Parkplätze vor der Praxis gibt. In der Praxis zeigt sich häufig, dass die beliebtesten Physiotherapeut*innen nicht unbedingt diejenigen sind, die über viel Erfahrung oder eine Zusatzausbildung verfügen. Manchmal erzielen Berufsanfänger*innen sogar bessere Ergebnisse als die Erfahrenen. In der Therapie geht es also sehr stark um diese unspezifischen Effekte. Andererseits könnte man fragen: Wenn wir uns dieser unspezifischen Effekte bewusst sind, können wir sie dann auch bewusst nutzen? Und wenn wir diese Effekte bewusst nutzen, werden sie dann spezifisch? Zum Teil ja. Aber natürlich spielen immer auch Faktoren eine Rolle, die uns nicht bewusst sind. Im physiotherapeutischen Alltag gibt es spezifische und unspezifische Effekte. In diesem Abschnitt werden wir uns mit diesen unspezifischen Effekten in der Therapie beschäftigen. Wir sprechen über Placebo, worauf es beruht, was der Placeboeffekt ist. Und vor allem, wie wir uns die unspezifischen Effekte zunutze machen können. Ganz wichtig ist die Frage, in welchem Kontext eine Behandlung stattfindet, also welche Kontextfaktoren gibt es? 1.1.3 Placebo- und Noceboeffekt
Ein interessantes Phänomen nicht nur in Medizin und Therapie, sondern auch im sozialen Bereich (Wahlen, Religion, Werbung usw.) ist der Placeboeffekt – und der gegenteilige Noceboeffekt. Gute, positive Gefühle und Vorstellungen bewirken einen Placeboeffekt bzw. eine Schmerzlinderung, auch wenn nicht direkt etwas Bestimmtes getan wird. Dies kann z.?B. die empathische Haltung der Therapeut*in gegenüber der Patient*in sein, die die Patient*in ernst nimmt und ihr zuhört. Erwartungen können sogar die Wirkung von Morphin aufheben ? [7]. Ein Noceboeffekt kann auftreten, wenn die Informationen zu spärlich sind oder die Patient*in eingeschüchtert wird („Ihr Rücken ist instabil“). Dies kann die Schmerzen verstärken, auch wenn sonst nichts Schädliches getan wurde. 1.1.3.1 Der Begriff „Placebo“ Die meisten Menschen haben bestimmte Vorstellungen, wenn sie an den Placeboeffekt denken. Manche denken zum Beispiel an Medikamente, die keinen Wirkstoff enthalten. Man könnte auch an die Situation denken, in der eine Mutter ihrem Kind einen Kuss auf das schmerzende Knie gibt und das Kind sich daraufhin beruhigt. Wenn wir von Placebo sprechen, meinen wir in der Regel eine Intervention, die keine klassische medizinische Wirkung hat, z.?B. weil das verabreichte Präparat keinen Wirkstoff enthält. Der Begriff Placebo stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich: „Ich werde gefallen.“ Das Wort stammt eigentlich aus dem Gesang bei Totenmessen, der mit den Worten „Placebo domino“ – „Gott gefallen“ – begann. Im Spätmittelalter war es üblich, dass bei solchen Messen bezahlte Sängerinnen und Sänger die Verstorbenen betrauerten. Diese waren jedoch keine echten Trauergäste, sondern kamen vor allem wegen der Bezahlung. Im 13. Jahrhundert erhielt dieser Dienst allmählich den Namen des ersten Wortes, das dabei regelmäßig gesungen wurde: „Placebo“. Hier zeigt sich bereits eine Parallele: Die Trauer war nicht echt, sondern nur vorgetäuscht – um zu gefallen. Ab dem 18. Jahrhundert hielt das Wort auch Einzug in die Medizin. Nach und nach bekam es die heutige Bedeutung, bei der man von einer Behandlung oder einem Medikament ausgeht, das keine spezifische Wirkungsweise hat, die Behandlung ist auch hier in gewisser Weise „gespielt“ ? [2]. 1.1.3.2 Placeboeffekt Placebo hat in den Augen vieler Menschen etwas mit Einbildung zu tun. Schaut man genauer hin, so zeigt sich ein komplexeres Bild. Das, was häufig als „der Placeboeffekt“ bezeichnet wird, sind tatsächlich einige unterschiedliche Effekte. So finden sich auch statistische Phänomene und Verzerrungen, die dazu führen, dass Patient*innen von Verbesserungen berichten, nachdem sie beispielsweise eine wirkstofffreie Tablette zu sich genommen haben. Ein Beispiel für diese statistischen Effekte ist die Regression zur Mitte ( ? Abb. 1.1). Abb. 1.1 Regression zur Mitte. Die Regression zur Mitte ist ein Phänomen, das vor allem durch das entsprechende Timing hervorgerufen wird. Es bedeutet, dass sich Normalzustände immer um eine „Mitte“, um einen bestimmten Punkt herum bewegen. In der Grafik wäre dies die blau gestrichelte Linie. Verändert sich ein solcher Zustand in das eine oder andere Extrem, so ist die statistische Wahrscheinlichkeit hoch, dass er bald wieder in den Normalzustand, die „Mitte“, zurückkehrt. Für den Verlauf einer Krankheit bedeutet das Folgendes: Wenn jemand Symptome entwickelt, wird wahrscheinlich nicht sofort eine Behandlung gesucht werden. Es wird erst dann ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, wenn die Symptome besonders stark geworden sind. Dieser Zeitpunkt liegt mit höherer Wahrscheinlichkeit nahe am Höhepunkt der Erkrankung, nahe an einem Extrempunkt, der sich besonders weit vom Normalzustand entfernt hat. Es ist dann auch relativ wahrscheinlich, dass sich danach durch den natürlichen Verlauf der Erkrankung wieder eine Besserung einstellt. Für diesen Effekt ist es unerheblich, ob tatsächlich eine Behandlung stattgefunden hat oder nicht, die Besserung wäre so oder so eingetreten. Merke Menschen neigen dazu, Beobachtetes miteinander zu verknüpfen, Zusammenhänge herzustellen, wo vielleicht gar keine sind. Tritt also nach einer Intervention eine Verbesserung ein, so entsteht bei den Betroffenen, aber auch bei den Behandelnden der Eindruck, dass dies auf die...



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