E-Book, Deutsch, Band 1, 581 Seiten
Reihe: Ein Frank-Quinn-Thriller
Lutz Opferschrei
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-158-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller: Ein Frank-Quinn-Thriller 1 | Er beherrscht ihr Leben - und will ihren Tod ...
E-Book, Deutsch, Band 1, 581 Seiten
Reihe: Ein Frank-Quinn-Thriller
ISBN: 978-3-98952-158-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
John Lutz (1939-2021) war ein US-amerikanischer Autor von über 50 Thriller und Romanen. Er wurde für seine Kriminalromane mehrfach ausgezeichnet - unter anderem mit dem Shamus Lifetime Achievement Award und dem Edgar-Allan-Poe-Award, dem wichtigsten Spannungspreis Amerikas. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt. Die Website des Autors: www.johnlutzonline.com/ Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/JohnLutzAuthor/ Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die folgenden eBooks: Die Missouri-Murders-Reihe um den Privatdetektiv Alo Nudger: »Missouri Murders: Schwarze Nacht« »Missouri Murders: Kaltes Schweigen« »Missouri Murders: Tiefe Schatten« »Missouri Murders: Harte Strafe« »Missouri Murders: Fatale Schuld« Die Florida-Killings-Reihe um den Ex-Cop Fred Carver: »Florida Killings: Brennende Rache« »Florida Killings: Roter Tod« »Florida Killings: Kaltes Feuer« »Florida Killings: Sengender Verrat« »Florida Killings: Lodernder Zorn« Seine Frank-Quinn-Reihe um einen Ex-Cop auf der Spur von Serienkillern: »Opferschrei« »Blutschrei« »Zornesschrei« »Jagdschrei Außerdem veröffentlichte der Autor bei dotbooks den Psychothriller »Die Stalkerin«.
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Kapitel 3
»Quinn war der Name, richtig?«
Der Mann, der gesprochen hatte, stand in der Tür des West-Side-Apartments. Er war mittleren Alters und hatte schütteres Haar, ein langes Gesicht mit Hängebacken, dunkle Ringe unter seinen düsteren braunen Augen und einen gepflegten Bart, der langsam grau wurde. Der große Mann, der etwas vornübergebeugt dastand, sah aus, als wäre er aus Teilen verschiedener Körper zusammengesetzt, was wiederum seinen teuren maßgeschneiderten Anzug so wirken ließ, als hätte er ihn auf einem Wühltisch gefunden.
Es waren gerade mal vier Jahre vergangen, deshalb hatte er Quinn sofort erkannt, und Quinn wusste das.
Quinn blieb auf dem fadenscheinigen Sofa sitzen.
»Ja, Quinn ist richtig«, bestätigte er Harley Renz, dem stellvertretenden Polizeichef des NYPD, unnötigerweise.
Frank Quinn war ein hochaufgeschossener, kantiger Mann, über einen Meter fünfundachtzig groß, hatte eine zweifach gebrochene Nase, ein eckiges Kinn und kurzgeschorenes schwarzes Haar, gegen das kein Kamm eine Chance hatte. Was den Leuten aber im Gedächtnis blieb, waren seine grünen, ausdruckslosen Augen. Es waren die Augen eines Cops, die auf den ersten Blick jedes Geheimnis zu erraten schienen. Heute war sein Geburtstag. Er war fünfundvierzig. Er brauchte eine Rasur, ein sauberes Hemd, einen Haarschnitt, frische Unterwäsche, ein neues Leben.
»Sie haben die Tür nicht abgeschlossen«, sagte Renz und trat in das kleine, unordentliche Apartment. »Haben Sie keine Angst, dass jemand hereinkommt und etwas klaut?«
»Wer hier etwas klauen möchte, muss schon blind sein.«
Renz lächelte, was ihm das Aussehen eines magenkranken Bluthundes verlieh. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, doch er sah immer noch aus wie ein magenkranker Bluthund. »Ich hab es Ihnen nie gesagt, aber es tut mir wirklich leid, die Scheidung von May und so. Sehen Sie sie noch oft? Oder Ihre Tochter? Laura heißt sie, oder?«
»Lauri. May will mich nicht sehen. Es gibt auch keinen Grund dafür, außer Lauri. Und Lauri weiß nicht so genau, was sie will. Was sie von mir denken soll.«
»Haben Sie ihr Ihre Sicht erklärt?«
»Nein, nicht in letzter Zeit. Sie hört auf May, und die sagt ihr, was sie denken soll. Sie wohnen jetzt in L. A. Sind dorthin gezogen, um von mir wegzukommen.«
Renz schüttelte den Kopf. »Das einzig Positive, was man über die Ehe sagen kann, ist, dass sie eine Institution ist. Wie Gefängnisse oder Psychiatrien. Ich war sechsundzwanzig Jahre verheiratet, bevor meine Frau sich mit meinem Bruder aus dem Staub gemacht hat.«
»Ich hab davon gehört«, sagte Quinn. »War ein guter Lacher damals.«
»Selbst ich kann jetzt darüber lachen. So ändern sich die Dinge in dieser wunderbaren Welt. Selbst Ihre beschissene Lage könnte sich ändern.«
Quinn wusste, welche Lage Renz meinte. Vor vier Jahren hatte Quinn seinen Ruf, seinen Job und seine Familie verloren, als er ungerechtfertigterweise beschuldigt wurde, ein dreizehnjähriges Mädchen vergewaltigt zu haben. Er hatte das Mädchen nie zuvor gesehen – und schon gar nicht missbraucht. Er wusste, warum man ihn hereingelegt hatte. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wie.
Er war ein guter Cop gewesen, sogar ein richtig guter, der überall aufgrund seiner Zähigkeit und seines cleveren Herangehens an die Fälle geschätzt wurde. Er gab nie auf. Er gab nie klein bei. Er brachte Ergebnisse.
Am Ende war er zu gut gewesen, um kleine Ungereimtheiten bei der Untersuchung des Mordes an einem Drogendealer zu übersehen. Quinn hatte tiefer gebohrt und war auf ein Netzwerk aus Bestechung und Korruption gestoßen, in das viele seiner Kollegen verstrickt waren. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber genau wie ihnen war ihm klar, dass er sich mit seinem Verdacht irgendwann an die Dienstaufsichtsbehörde wenden musste. Quinn hatte mit seinem Vorgesetzten, Captain Vince Egan, gesprochen und ihm genau das gesagt.
Doch jemand anderes hatte sich zuerst an die Dienstaufsichtsbehörde gewandt. Wegen der brutalen Vergewaltigung eines jungen Mädchens in Brooklyn. Er war unschuldig. Die Anschuldigungen waren haltlos.
Man zeigte ihm einen Knopf, den man am Tatort gefunden hatte und der so aussah wie der, der an dem Hemd fehlte, das er am Abend der Tat getragen hatte. Was ihn noch mehr erstaunte war, dass ihn das Mädchen bei einer Gegenüberstellung anhand einer gezackten Narbe an seinem rechten Unterarm identifizierte, obwohl der Vergewaltiger eine Strumpfmaske getragen hatte.
Quinn wusste, dass es sich bei den Anschuldigungen nicht um ein Missverständnis handelte. Es handelte sich um eine Präventivmaßnahme.
Sie konfiszierten den Computer von seinem Schreibtisch im Hauptquartier. Darauf befanden sich drei pikante E-Mails, die er nie zuvor gesehen hatte. Außerdem war auf der Festplatte des Computers die schlimmste Art von Kinderpornographie gespeichert.
Es sähe schlimm für Quinn aus, sagte man ihm. Und er wusste, dass es schlimm war. Er durchschaute das Spiel. Er wusste, was als Nächstes kam.
Sie würden ihm einen Ausweg aus seiner misslichen Lage anbieten.
Und so geschah es. Er hatte die Wahl zwischen vorzeitigem Ruhestand und einer Anklage wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen.
Quinn ging auf, dass es Egan gewesen sein musste, der den korrupten Cops den Hinweis gegeben hatte, und dass er selbst Teil der Korruption war.
Und wahrscheinlich war es auch Egan, der Quinn davor bewahrte, angeklagt zu werden, um so die Kontrolle über die dunklen Machenschaften innerhalb des NYPD zu behalten. Quinn, dem klar war, dass ihm ohnehin nicht geglaubt werden würde, begriff, was vor sich ging. Er war Realist.
Also behielt er seine magere Rente, verlor aber seinen Job und alles andere auch.
Alles.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Zerstörung so schnell und allumfassend sein würde. Sein Ruf, seine Glaubwürdigkeit, seine Ehe hatten sich von einem Moment auf den anderen in Luft aufgelöst.
Und nicht nur das. Plötzlich war er ein Ausgestoßener, der nicht mehr besaß als seine Rente und keine Chance hatte, einen Job oder eine annehmbare Wohnung zu finden, weil er auf der inoffiziellen Kinderschänderliste des NYPD stand. Jedes Mal, wenn er glaubte, einen Fortschritt zu machen, bekam es der, der die Kontrolle über seine Zukunft hatte, irgendwie spitz.
Wer auch immer es war, der Quinn zu Fall gebrachte hatte, wollte nicht, dass er sich je wieder aufrappelte.
Nachdem May ihn verlassen hatte, vermisste er sie so sehr, dass seine Gesundheit darunter litt. Er dachte, sein schmerzender Bauch würde sich in einen Stein verwandeln.
Jetzt dachte er zwar oft an Lauri, aber kaum noch an May. Renz hatte recht. Die Dinge änderten sich.
Quinn hatte sich nie groß für Captain Harley Renz interessiert. Er war ein ehrgeiziger, hinterhältiger Mistkerl. Renz liebte es, Dinge über Leute in Erfahrung zu bringen. Für ihn waren persönliche Informationen wie Joker in einem Kartenspiel.
»Haben Sie getrunken?«, fragte Renz.
»Nein. Es ist gerade mal zehn Uhr morgens. Im Moment hab ich nur verdammte Kopfschmerzen.«
Renz zog eine kleine weiße Plastikflasche aus seiner Tasche und hielt sie Quinn hin. »Würde Ihnen Ibuprofen helfen?«
Quinn warf ihm einen wütenden Blick zu.
Renz steckte die Flasche zurück in seine Tasche. »Die Gegend ist gar nicht so übel«, meinte er und schaute sich um, »aber dieser Ort ist ein Paradies für Kakerlaken.«
»Das Gebäude soll renoviert werden, deshalb ist die Miete so niedrig. Aber ich habe einen Dekorateur beauftragt.«
»Johnnie Walker?«
»Nein, den kann ich mir nicht leisten.«
»Das Schicksal könnte es gut mit Ihnen meinen und alles ändern. Könnte Ihnen eine Rettungsleine zuwerfen, Ihnen Geld bescheren und ihre Selbstachtung zurückgeben.«
»Wie das?«
»Ich bin hier.«
»Sie haben gesagt, dieser Ort sei ein Paradies für Kakerlaken.«
»Gut zu wissen, dass Sie immer noch so schlagfertig sind«, meinte Renz. »Sie sind also nicht total am Arsch.«
Quinn sah zu, wie er sich in dem abgewetzten Schaukelstuhl gegenüber dem abgewetzten Sofa niederließ. Renz legte seine Fingerspitzen aneinander, fast, als ob er gleich anfangen würde zu beten. Eine typische Geste, wie Quinn sich jetzt erinnerte. Leuten, die ihre Fingerspitzen aneinanderlegten, hatte er noch nie getraut.
»Mein Vorschlag«, sagte Renz, »hat etwas mit einem unaufgeklärten Mordfall zu tun.«
Obwohl er sich wünschte, Renz würde endlich auf den Punkt kommen und dann verschwinden, fühlte Quinn, wie sein Puls sich beschleunigte. Einmal Cop, immer Cop, dachte er bitter. Der Truppe treu bis ins Mark. War nicht das genau der Grund, aus dem er den ganzen Tag hier rumsaß und sich in Selbstmitleid erging?
»Sie haben von dem Mord an den Elzners gehört?«
Quinn schüttelte den Kopf. »Ich halte mich von den Nachrichten fern. Sie ziehen mich runter.«
Renz klärte ihn auf. Jan und Martin Elzner, verheiratet, wurden vor zehn Tagen erschossen in ihrer Wohnung in der Upper West Side aufgefunden. Die Todeszeitpunkte lagen in den frühen Morgenstunden, ungefähr zur gleichen Zeit. Die Pistole, aus der die Schüsse abgegeben worden waren, wurde in der Hand des Mannes gefunden. Es handelte sich um eine alte Walther P38 Halbautomatik. Ihre Seriennummer war mit Säure weggeätzt worden.
»Wie bei der Hälfte aller illegalen Waffen in New York«, sagte Quinn.
»Sieht so aus. Er wurde durch einen einzigen Schuss in die Schläfe getötet.«
»Schmauchspuren an seiner Hand?«
»Ein paar. Aber die können auch dort hingelangt sein, als die Waffe in seine Hand...




