E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Mann / Träger Berlin war meine Stadt
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8393-4147-6
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-8393-4147-6
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'In Berlin zu sein bedeutete an sich schon ein erregendes Abenteuer!', schrieb Klaus Mann rückblickend über das Berlin der Zwanzigerjahre. Gerade mal im Teenager-Alter zog es den angehenden Schriftsteller 1924 aus dem beschaulichen München in die Skandalstadt. Das Abenteuer suchte und fand er hier - in wilden Ausschweifungen, Drogenkonsum und im Ausleben seiner Homosexualität. Die in diesem Band versammelten Texte zeichnen das Porträt eines ruhelosen Künstlers und einer turbulenten Stadt.
Klaus Mann (1906-1949), der älteste Sohn von Thomas Mann, gehört als Schriftsteller zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Exilliteratur. Er stellte sich entschieden gegen das NS-Regime, zunächst aus dem Pariser Exil, später aus den USA. Zu seinen bekanntesten Werken gehören 'Mephisto. Roman einer Karriere' (1936) und 'Der Vulkan. Roman unter Emigranten' (1939).
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VORWORT
»Freiheit ausleben, Freiheit verteidigen!« Nach diesem unerklärten Motto lebte Klaus Mann stringent. Dies macht ihn bis zum heutigen Tag zum Vorbild einer heterogenen Leserschaft, bei Weitem nicht nur der queeren. Er trägt sein schwules Sosein »als ein Adelszeichen« (Grete Weil). Einen ganz besonderen Raum zum Ausleben dieser Freiheit findet Klaus Mann im Berlin der Zwischenkriegszeit. Der älteste Sohn Thomas Manns wird am 18. November 1906 in München geboren. Da sich der Besuch des Wilhelmsgymnasiums seiner Heimatstadt problematisch gestaltet, wird Klaus auf die 1910 von Paul Geheeb gegründete reformpädagogische Odenwaldschule geschickt. Eine wichtige Erfahrung beschert ihm und seiner älteren Schwester Erika eine heimliche Reise nach Berlin im Jahr 1923. Die Eltern wähnen sie eigentlich auf einem Bildungstrip nach Weimar. Er ist berauscht von dieser Stadt, vor allem von ihrem sich rasant entwickelnden Westteil und zieht im Jahr darauf mit Erika in die Uhlandstraße 78. Ihre Vermieterin Hedwig Schmidt wird zur »intimen Freundin«, die den beiden einiges nachsehen muss. Zwischen 1924 und 1933 verlebt er hier turbulente Jahre, die von dem ruhelosen Künstler jedoch immer wieder durch lange Auslandsaufenthalte unterbrochen werden. Klaus Manns Zeit in Berlin findet sich literarisch in seinen beiden Autobiografien, seinen Romanen und Theaterkritiken wieder, aus denen in diesem Buch Auszüge vorgestellt werden, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Besonders aufschlussreich und darüber hinaus eine mitreißende Lektüre ist seine Autobiografie »Der Wendepunkt«, die er im Exil auf Englisch schreibt (»The Turning Point«, New York 1942) und dessen deutsche Ausgabe er erst kurz vor seinem Tod im April 1949 fertigstellt. Sie gibt uns nicht nur Einblicke in Klaus Manns komplexe Gefühls- und Gedankenwelt, sondern ist vor allem ein Bericht über die politische und gesellschaftliche Lage zu jener Zeit von einem scharfen Beobachter, der sich nicht scheut, selbst aktiv zu werden – sei es mit der Schreibmaschine oder in der Uniform der US-Army. Aus diesem Verständnis seiner Autobiografie als literarisches Phänomen und Porträt seiner Zeit werden in diesem Band einige Auszüge aus »Der Wendepunkt« versammelt, die besonders seine Zeit in Berlin betreffen. Klaus Manns erste Autobiografie erschien jedoch bereits 1932 unter dem Titel »Kind dieser Zeit«. Sie umspannt die Jahre 1906 bis 1924 und ist seinem Jugendfreund Ricki Hallgarten gewidmet. In den wenigen Monaten bis das Buch 1933 vom NS-Regime verboten wird, befriedigt es die Neugierde einer breiten Leserschaft, die gerne die Anekdoten eines Sohnes aus berühmter Familie lesen. Die Kombination aus beiden Autobiografien ermöglicht uns einen differenzierten Blick auf den Schriftsteller und seine Erlebnisse in der Metropole: In »Kind dieser Zeit« erzählt Klaus Mann von seiner Vorfreude auf Berlin und seinen ersten – nicht nur guten – Erfahrungen in und mit der Stadt. Jahre später beschreibt er in »Der Wendepunkt« noch einmal rückwirkend die Gefühlslage nach seinem ersten Besuch der Metropole 1923. Der damals erst 16-Jährige schwärmt: »Ich war im siebenten Himmel. In Berlin zu sein bedeutete an sich schon erregendes Abenteuer. […] Berlin war meine Stadt. Ich wollte bleiben. Aber wie?« Bruder und Schwester geben sich hier ausgiebig dem unerschöpflichen Nachtleben der Metropole hin, bis es wieder zurück nach München geht. Im Vergleich schneidet seine Heimatstadt nicht gut ab: »Ich hielt München für die dümmste, langweiligste und provinziellste Stadt der Welt, wahrscheinlich, weil es die einzige war, die ich kannte. […] Die Münchener ihrerseits waren davon überzeugt, dass Berlin von einer Bande jüdischer Schieber und bolschewistischer Agitatoren regiert werde.« Der eigentliche Beginn seiner Berliner Zeit lässt nicht lange auf sich warten. Im Herbst 1924 – mit gerade mal 18 Jahren – erhält er dort eine erste feste Anstellung als Theaterkritiker beim »12 Uhr Blatt«, wovon einige Kostproben in diesem Band versammelt sind. Sein Verriss der Aufführung »Der lustige Thoma-Abend« von 1924 am Steglitzer Schlosspark-Theater gipfelt in der Behauptung, dass die Aufführung an seinem Münchener Gymnasium allemal die bessere gewesen sei. Fortan lebt er als freier Schriftsteller und zeitlebens ohne festen Wohnort. Noch ist er bemüht zu verschweigen, dass er der Sohn Thomas Manns ist. Seine »lyrisch-analytischen Skizzen«, die er der Berliner »Weltbühne« sendet, kommen an. Doch der gleichermaßen berühmte wie umstrittene Herausgeber Siegfried Jacobsohn kommt Klaus Mann auf die Schliche: Er findet heraus, dass Klaus – der eigentlich anonym bleiben will – der Sohn von Thomas Mann, eines der bedeutendsten Literaten des Reiches, ist. Von nun an ist er vor allem »der Sohn von …«. Dies erweist sich als eine sehr ambivalente Lage: Einerseits setzt ihn diese Situation dem Vorurteil aus, den »Vorteil der Geburt« schamlos auszunutzen. Andererseits öffnet ihm diese prominente Sohnschaft Türen, die anderen versperrt bleiben. Eine wichtige Rolle spielt auch Klaus Manns Jugendfreundin Pamela Wedekind, die Tochter des Dramatikers Frank Wedekind, die ebenso in engem Verhältnis zu seiner Schwester Erika steht und mit der sich Klaus im Juni 1924 verlobt. Die Verlobung wird im Januar 1928 jedoch wieder aufgelöst. Klaus Manns erster Roman »Der fromme Tanz« aus dem Jahr 1926 gilt als einer der ersten Romane, die das Schwulsein thematisieren. Kritiker bemängeln die Offenheit, mit der die gleichgeschlechtliche Liebe geschildert wird. So heißt es im Roman: »Andreas gab sich dieser Liebe ganz hin, die er nicht als Verirrung empfand. Ihm kam es nicht in den Sinn, sie vor sich zu leugnen, sie zu bekämpfen als ›Entartung‹ oder als ›Krankheit‹. Diese Worte berührten die Wahrheit so wenig, sie kamen aus anderer Welt. Gut hieß er diese Liebe vielmehr ganz und gar, er lobte sie, wie alles, was Gott gab und verhängte.« Mit seinem Statement »Unzucht zwischen Männern« von 1929, in der Spätzeit der Weimarer Republik, manifestiert der Autor seine Einstellung. Wie sein Romanheld Andreas reist Klaus Mann im Frühjahr 1925 nach Paris. Berlin scheint mehr und mehr eine Zwischenstation auf dem Weg in die Metropole an der Seine zu sein. Doch auch hier hält er es nicht lange aus: Anfang 1927 begibt er sich mit seiner Schwester Erika auf eine Weltreise. Vor allem in den USA werden sie als die »Literary Mann Twins« gefeiert und genießen den Bonus, die Kinder Thomas Manns zu sein. Zurück in Berlin quartiert sich Klaus in der Pension Fasaneneck, unmittelbar an der Kreuzung Kurfürstendamm / Fasanenstraße ein. Das Lebensgefühl der Ruhelosigkeit und seine Zeit in Hotels und Pensionen fließen in den Roman »Treffpunkt im Unendlichen« aus dem Jahr 1932 ein. Auch hier trägt der schreibende Protagonist autobiografische Züge und befasst sich mit den Themen Drogen, Todessehnsucht und Liebe, von denen das Leben Klaus Manns ebenso geprägt ist. Das hindert den Autoren jedoch nicht an einer wachen Projektion der Entwicklung in Deutschland und dessen Hauptstadt kurz vor der Machtübernahme Hitlers. Dieses Ereignis ist für Klaus Mann und die Seinen eine existenzielle Zäsur. Die Deportation in das München nahegelegene KZ Dachau wäre ihm aus gleich mehreren Gründen sicher gewesen: aufgrund seiner sexuellen Orientierung, seiner liberalen politischen Einstellung und als Nachkomme einer Familie jüdischer Herkunft mütterlicherseits. Gerade rechtzeitig emigriert er: »Am Morgen des 30. Januar 1933 verließ ich Berlin früh am Morgen, wie von böser Ahnung fortgetrieben. […] Ich verließ Berlin, ohne Abschied genommen zu haben.« Klaus Manns Mutter Katia bringt ihre Erleichterung darüber zum Ausdruck: »Im Grunde wollte ich recht froh sein, euch alle außerhalb dieses durchaus gottverlassenen und unseligen Landes zu wissen, und zumal Berlin muss doch ein recht grausiger und vielfach gefährlicher Aufenthalt sein – male es mir ungern aus.« Auch Klaus Bruder Golo formuliert später: »Nie lebte Klaus intensiver, angespannter, tätiger, als in den ersten Jahren der Emigration; darum wohl auch: nie glücklicher«. Aus dem Dandy wird ein umtriebiger politischer Aktivist. Mit der Zuspitzung der politischen Lage lässt sich auch in Klaus Manns Texten eine starke Politisierung erkennen und es wird deutlich, wie sich der Schriftsteller vom zarten Abenteurer zum antifaschistischen Kämpfer entwickelt. Neben seinem literarischen Schaffen versucht Klaus Mann die antinazistischen Kräfte des Exils zu bündeln, u. a. mit der literarischen Monatsschrift »Die Sammlung«. Als ihm die Aussichtslosigkeit des Widerstandes mit literarischen Mitteln bewusst wird, greift er zur Ultima Ratio: Er wird von Dezember 1942 bis September 1945 Teil der US-Army und kämpft gegen die NS-Diktatur. Nach dem Krieg kommt Klaus Mann noch dreimal nach Berlin – als US-Soldat im September 1945 und ein letztes Mal im Frühjahr 1948, nur ein Jahr vor seinem Tod. Während seines zweiten Aufenthalts in Berlin im Mai 1946 besucht Klaus Mann am Deutschen Theater Berlin eine Aufführung von Carl Sternheims »Der Snob«. Einer der Schauspieler ist der frühere Freund und Schwager, der ehemalige »Generalintendant der Preußischen Staatstheater« und Staatsrat während der NS-Zeit Gustaf Gründgens. Klaus Mann muss erleben, wie die Zuschauer »ihren« Gründgens mit Ovationen feiern. Das Publikum applaudiert einem Mann, der einerseits keine NS-Propaganda-Stücke...