E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Mansell Als sich unsere Herzen trafen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-22298-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-641-22298-7
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auch wenn Kats Herz gebrochen ist, in ihrem Job als Krankenschwester hat sie alles fest im Griff. Zumindest glaubt sie das. Bis sie eines Tages einer neuen Patientin begegnet. Zum allerersten Mal ist Kat ratlos. Denn Susan, die Mittfünfzigerin mit den freundlichen Augen, hat zwar einen schweren Verkehrsunfall überlebt, doch nun spricht sie einfach nicht mehr. Erst als der attraktive Rhys auf ihrer Station auftaucht und behauptet, Susan zu kennen, scheint sich das Geheimnis um ihr Schweigen nach und nach zu lüften …
Nachdem ihre Gesangs- und Schauspielkarriere vorbei waren, bevor sie richtig angefangen hatten, widmete sich Anna Mansell ihrer wahren Leidenschaft: dem Schreiben. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern auf einem Bauernhof in der Nähe von Cornwall. Als sich unsere Herzen trafen ist ihr Debüt.
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Kapitel 1
KAT
Das Einzige, wovon ich dir sonst noch erzählen kann, ist Susan.«
»Susan?« Ich greife nach meinem Tee und wünschte, ich hätte den Punkt nicht verpasst, wo er einfach perfekt ist. Ich hasse lauwarmen Tee. Er ist unnötig. Ein Affront. Ein Verbrechen an heißen Getränken. Vielleicht denke ich auch zu viel darüber nach.
»Susan Smith. Weiblich, sechsundfünfzig Jahre alt. Sie hatte in der Ecclesall Road eine Auseinandersetzung mit einem Bus und hat den Kürzeren gezogen.«
Ich runzle die Stirn und schiebe meine neue Brille wieder auf die Nase hoch. Sie fühlt sich zu schwer in meinem Gesicht an, unpassend. Wahrscheinlich hätte ich mich bei dem Optiker nicht dazu überreden lassen sollen. Eine neue Frisur. Eine neue Brille. Eine neue Garderobe im Schrank, an der noch an jedem Stück das Preisschild hängt. Gürtel, um meine Taille zu betonen. Kann man mit achtundzwanzig eine Midlife-Crisis haben?
»Sie ist übrigens super«, sagt Emma und deutet auf mein Gesicht. »Sehr stylisch.«
»Ja, so bin ich nun mal. Stylisch und schick«, sage ich und spiele wieder an der Brille herum. Ich kann selbst hören, wie mein Tonfall mürrisch wird, aber ich habe nicht die Kraft, mich zusammenzureißen.
Emma antwortet mir mit einem schlecht imitierten irischen Akzent. »Du erinnerst mich an eine junge Nana Mouskouri.«
»An wen?«
»An Griechenlands besten Export!«, erklärt sie. »Okay, Nana und Feta.«
Der verständnislose Blick, mit dem ich ihr antworte, forciert ein optimistisches, ermutigendes Nicken, als würde das alles beantworten, gefolgt von einem schnellen Verdrehen der Augen, als ihr klar wird, dass ich keine Ahnung habe. »Komm schon, du Miesepeterin. Wenn wir nicht lachen würden, würden wir weinen«, provoziert sie mich, gefolgt von einem schnellen: »Du musst nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten …«
»Lass es!«, sage ich, halte mir die Ohren zu und hindere sie so daran weiterzureden. Eine Pause entsteht, eine Pause, gefüllt von der Wärme einer Freundschaft, die sogar meine schlechte Laune besiegen kann. Ich bringe ein halbherziges Lächeln zustande. Sie ist genau die Person, die ich jetzt brauche. Sie versteht mich.
Ich trinke meine Tasse aus – lauwarmer Tee ist besser als gar keiner –, stelle sie zurück auf den Tisch und warte, dass Emma die Übergabe beendet, während ich mir einen zweiten Keks verkneife. Es ist erst neun Uhr morgens.
»So, also zu Susan Smith«, fährt sie fort. »Der neue diensthabende Facharzt hat sie sich angeschaut …«
»Oh, Mr. Nennen-Sie-mich-einfach-Mark-Barnes!«, sagt eine Krankenschwester von der Zeitarbeitsfirma, die einen Wäschewagen an unserer Station vorbeifährt, aus dem die schmutzigen Laken herausquellen. »Ich hätte nichts dagegen, wenn er mich untersuchen würde!«, sagt sie und schneidet eine Grimasse.
»Ich dachte, das hier wäre Sheffields bestes Lehrkrankenhaus und keine Neuauflage von 41 Grad Liebe.« Ich runzle erneut die Stirn. »Ein paar Tage bin ich nicht da, und schon tanzen hier die Mäuse auf dem Tisch.«
Ich habe mich in den schweren Umhang der miesen Laune gehüllt. Einen Umhang, dem der zarte Hauch des Eau-de-»Gerade getrennt und noch nicht darüber hinweg« anhaftet.
»Erzähl mir nicht, du hättest noch nicht einmal an Mr. Nennen-Sie-mich-einfach-Mark gedacht, nicht mal ein winzig kleines bisschen?«, Emma sieht geschockt aus. Als wäre ich vielleicht gar keine richtige Frau oder so.
»Nein, hab ich wirklich nicht.« Ich blicke über den Rand meiner Brille, um meine Aussage zu unterstreichen. Zumindest ist sie so für etwas gut. »Mr. Barnes interessiert mich nicht.« Was der Wahrheit entspricht. Er ist nicht mein Typ. Ich würde nicht sagen, dass er ein Flegel ist – denn ich bin nicht aus den 1950ern –, aber er ist grenzwertig. Grenzwertig flegelhaft. Er ist auch Arzt. Attraktiv? Ich nehme es an, wenn man auf so einen Typ von Mann steht.
»Irgendwann hat er dich mal interessiert …«, murmelt Emma leise.
Ich starre auf den Papierkram und beschließe, sie zu ignorieren. Ich gebe zu, dass wir miteinander geflirtet haben, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Aber da war ich auch noch in einer lange bestehenden Beziehung – und es war nur ein billiger Nervenkitzel, wenn man so will. Doch die Dinge haben sich geändert. Nicht zuletzt mein Facebook-Status. Und davon einmal abgesehen, Krankenschwester und Arzt? Was für ein Klischee! »Außerdem ist er aus Manchester«, sage ich plötzlich. Emma sieht mich verwirrt an. »Die falsche Seite der Pennines.« Ich führe das als legitime Entschuldigung an, doch dann fällt mir ein, dass auch Emma in Manchester geboren und aufgewachsen ist, und ich wackle mit den Brauen, als hätte ich sie nur mit irgendeiner Rivalität zwischen Sheffield und Manchester aufgezogen.
»Er interessiert dich vielleicht nicht, aber du interessierst ihn ganz offensichtlich«, lässt sie nicht locker.
Stimmt. Scheint so. Doch seit Daniel, mein Freund in den letzten fünf Jahren, mir das Herz aus der Brust gerissen hat, ist mein Interesse an Männern irgendwie erloschen.
Anscheinend sollte ich inzwischen darüber hinweg sein. Er verdient mich nicht. Ich bin allein besser dran. Et cetera. All das kann mir meine beste Freundin Lou leicht sagen, wenn man bedenkt, dass ihre eigene Hochzeit unmittelbar bevorsteht und dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass diese plötzlich, und noch dazu auf so brutale Weise, abgesagt wird.
Nicht, dass Daniels und meine Hochzeit unmittelbar bevorgestanden hätte, doch für mich war es selbstverständlich, dass wir irgendwann heiraten würden. Weder Lou noch Emma können den Schmerz in meinem Herzen verstehen. Und wenn sie mir vorschlagen, mich mit Leuten zu treffen, einen Neustart zu wagen … Na ja, sie sehen einfach nicht, dass mir allein bei dem Gedanken, mich wieder in die Datingwelt zu begeben, das Herz in die Hose rutscht. Der Gedanke, das erste Mal mit jemandem zu schlafen, der meine Dehnungsstreifen nicht lieb gewonnen hat … Obwohl … wenn ich es recht überlege, hat Daniel sie vielleicht auch nicht so geliebt, wie er immer behauptet hat. Und außerdem, was würde aus meinen schlichten schwarzen Unterhosen, die in einer Langzeitbeziehung schon erlaubt sind, in der man auch zugeben darf, dass ein Tanga ein Verbrechen an den unteren weiblichen Regionen ist. Emma räuspert sich, und ich reiße mich zusammen. »Können wir aufhören, über Mr. Barnes zu reden, und weitermachen?«, sage ich und atme tief durch, um die Tränen zurückzudrängen, die jetzt hinter meinen Augenlidern stechen. Ich knalle ihr autoritär die Papiere vor die Nase. »Deine Schicht war vor zwanzig Minuten zu Ende.«
»Okay, du Miesepeterin. Bist du heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden?« Sie zwinkert mir zu, und ich starre sie wütend an, gerade lange genug, dass meine Augen sich mit Tränen füllen und Emma klar wird, dass wir uns auf eine Grenze zubewegen, die wir beide nicht überqueren wollen. »Okay, okay.« Sie kapituliert und nimmt die Hände hoch. Sie tritt zum Leuchtkasten und hängt ein Röntgenbild auf. »Dann reden wir eben über Susan Smith. Augenzeugen zufolge ist Susan von ihrem Platz vor dem Café aufgestanden und direkt in den fließenden Verkehr marschiert. Und das auf der Ecclesall Road, wo immer so viel los ist, du weißt schon. Sie ist von einem Bus erwischt worden. Ehrlich gesagt, kann sie froh sein, dass sie noch am Leben ist. Ihre Daten sind alle hier drin.« Sie gibt mir die Akte. »Zusammen mit denen.« Wir sehen uns gespenstische Bilder von vor und nach der OP an. Ein sauberer Bruch, gerichtet und eingegipst. »Für den linken Arm wird sie eine Physio brauchen«, fährt Emma fort. »Er ist ziemlich übel verletzt, wenn auch nicht gebrochen. Ihre Schmerzmedikation scheint zu funktionieren, und es gibt keine Anzeichen weiterer Verletzungen.«
Wir gucken mit leeren Blicken die Bilder an, die Köpfe auf genau die gleiche Weise geneigt. Die Uhr über mir tickt, reißt mich aus meiner Benommenheit, und ich ziehe die Bilder aus den Klammern. »Das klingt wirklich, als hätte der Unfall vermieden werden können. Haben wir mit ihr darüber gesprochen, wie es passiert ist?« Ich lege Susans Röntgenbilder und Papiere ab, dann stelle ich auf dem Schreibtisch die von mir bevorzugte Ordnung wieder her. Emma beobachtet mich mit einem ironischen Lächeln. »Was ist? So kann ich besser arbeiten …«, setze ich an und fühle mich ertappt.
Sie lacht. »Man kann auch anders perfekt arbeiten«, sagt sie gutmütig. »Aber egal, ja, wir haben sie gefragt, aber da gibt es ein Problem.«
»Warum?« Ich studiere den Dienstplan, um mich mit dem heutigen Team vertraut zu machen.
»Na ja, sie antwortet nicht auf unsere Fragen. Genau genommen spricht sie überhaupt nicht. Wir haben ihr einen Stift und einen Block angeboten, um etwas aufzuschreiben, für den Fall, dass es ihr wehtut zu sprechen, aber sie hat nichts davon angenommen. Wir konnten auch keine Angehörigen ausfindig machen. Sie hatte einen dieser alten Papierführerscheine in ihrer Handtasche, aber sonst nicht viel.«
»Sie spricht gar nicht?«, frage ich, während meine Hand auf einem Stapel Akten liegt, der sich hoch auf dem Schreibtisch türmt. »Haben wir alles versucht? Du hast gesagt, Block und Stift?« Emma nickt. »Was ist mit Gebärdensprache?« Sie nickt erneut. Ich versuche, mir Alternativen einfallen zu lassen. Mein Herz schlägt schneller, als mir bewusst wird, dass ich jetzt die Verantwortung trage und dass ich zumindest so aussehen sollte, als hätte ich alles im Griff,...




